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Ein Schlüssel zum Verständnis einer scheinbar widersprüchlichen Persönlichkeit - Hugo Balls »Byzantinisches Christentum« in der Fassung des ErstdrucksSeinem literarischen Nein von 1916 (»Dada«) und der politischen Generalabrechnung von 1919 (»Kritik der deutschen Intellektuellen«) ließ Hugo Ball 1923 mit seinem Buch »Byzantinisches Christentum« eine religionsgeschichtlich argumentierende Neubestimmung der eigenen Position folgen. Dieses eigentümlich sperrige Werk wurde von christlichen Theologen weithin mit Kopfschütteln und Unverständnis aufgenommen und trug selbst für wohlmeinende Freunde…mehr

Produktbeschreibung
Ein Schlüssel zum Verständnis einer scheinbar widersprüchlichen Persönlichkeit - Hugo Balls »Byzantinisches Christentum« in der Fassung des ErstdrucksSeinem literarischen Nein von 1916 (»Dada«) und der politischen Generalabrechnung von 1919 (»Kritik der deutschen Intellektuellen«) ließ Hugo Ball 1923 mit seinem Buch »Byzantinisches Christentum« eine religionsgeschichtlich argumentierende Neubestimmung der eigenen Position folgen. Dieses eigentümlich sperrige Werk wurde von christlichen Theologen weithin mit Kopfschütteln und Unverständnis aufgenommen und trug selbst für wohlmeinende Freunde Züge des Skandalösen. Auch die literaturwissenschaftliche Forschung sollte sich später diesem Text verweigern. Der von Ball - auf Anregung Hermann Hesses - gewählte Untertitel, der das Buch der gängigen katholischen Hagiographie zuzuordnen scheint, tat ein Übriges, um das Werk weitgehend in Vergessenheit geraten zu lassen.Die ausführlich kommentierte Neuausgabe, die erstmals auch Balls unveröffentlichte Tagebücher der Entstehungszeit berücksichtigt, enthält neben zeitgenössischen Rezensionen auch das bis dato ungedruckt gebliebene »Antoniuskapitel« aus dem Nachlass sowie den fragmentarischen Entwurf zu einem Vorwort. Es zeigt sich, dass ein angemessenes Verständnis von Leben und Werk Hugo Balls ohne die gründliche Auseinandersetzung mit dem »Byzantinischen Christentum« nicht möglich ist.
Autorenporträt
Hugo Ball, geb. 1886 in Pirmasens, war während des Ersten Weltkrieges Mitbegründer der Dada-Bewegung in Zürich, überzeugter Pazifist und scharfer Zeitkritiker. Der enge Freund Hermann Hesses war dessen erster Biograph. Hugo Ball starb 1927 in Montagnola/Schweiz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.06.2011

Dem Furor teutonicus musste begegnet werden
Ein Skandalon für die damalige Verlagsgeschichte: Hugo Balls "Byzantinisches Christentum" wieder aufgelegt

"Geberdetes Wissen", so brachte Friedrich Gundolf das Gestaltungsprinzip im Kreis um Stefan George auf den Begriff. Wissen schließt keine Lücken in der Wissenschaft. Es schießt zusammen als Wissensgebärde gegenüber Gleichgesinnten. Ein zeitgenössischer Rezensent von Hugo Balls "Byzantinischem Christentum" (1923) mutmaßte, der Verfasser dieser Hagiographie dürfte "dem George-Kreis nahestehen". So liest sich das Buch, als Erzeugnis einer Kunstreligion, auch wenn die Adressaten des bekehrten Dadaisten anderen Kreisen angehörten. Hermann Hesse empfahl Ludwig Feuchtwanger, dem Verlagsdirektor von Duncker & Humblot, sich das Buch "gut anzusehen". Carl Schmitt riet zur Veröffentlichung und versprach Schutz vor Angriffen.

In dieser Konstellation kam es zu einem Vertrag, der dem Verlag von Hegel und Ranke gleichzeitig das größte Kuriosum und das größte Skandalon seiner neueren Geschichte bescherte. Das Skandalon lag im Wiedererscheinen einer Streitschrift, die Ball unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs verfasst hatte. In dieser "Kritik der deutschen Intelligenz" (1919) erklärt er den Sonderweg des militaristischen Preußen aus einer "deutsch-jüdischen Konspiration zur Zerstörung der Moral". Bismarck erscheint als Geschöpf Luthers, Lasalle als sein Einflüsterer, Marx als Vollender des Hegelschen Machtstaates.

Die Neuauflage des Byzanz-Buchs lässt nun hervortreten, wie weit Hugo Ball das Kuriosum als Antwort auf das Skandalon konzipiert hat. Im Entwurf eines Vorwortes eröffnet er, "dass dem sogenannten furor teutonicus nur begegnet werden könne mit der Entfesselung einer übernatürlichen, einer jenseitigen, einer symbolischen Weltbetrachtung". Die Gegenwelt zur Kulturkritik findet er in Byzanz, fürs protestantische Establishment der Inbegriff des Imperiums. "Drei Heiligenleben", so der Untertitel, ist gezeichnet wie ein Triptychon. Die linke Seitentafel zeigt "Joannes Klimax", der vier Jahrzehnte "im Brombeergestrüpp der Sinaispitze" verbringt und "in kostbaren Agraffen mehr als in Worten brillierend" ein Werk über die Paradiesesleiter hinterlässt. Gegenüber steht Symeon der Stylit auf einer Steinsäule, zuerst auf beiden Beinen, dann auf einem, besucht von Völkern und Königen. Die Mitte nimmt Dionysius Areopagita ein, der Begründer des hierarchisch-mittelalterlichen Weltbildes, einer der wirkmächtigsten Autoren, die es nie gab. Um 1900 konnte das Werk des vermeinten Apostelschülers einem Fälscher an der Wende zum sechsten Jahrhundert zugeordnet werden. Kopfschüttelnd nahm der Patristiker Josef Stiglmayr die neue These auf, der Anonymus habe sich nur "im allegorischen Sinn" als Areopagit verstanden, als Interpret der Apostelgeschichte. Dass sich ein Athener namens Dionysius auf dem Gerichtshügel zum "unbekannten Gott" bekehrt habe, interpretiert Ball als Aufnahme dionysischen Mysterienkults ins Christentum. Hier liegt der Schlüssel zum Buch mit seinen Dithyramben. Ball begegnet Nietzsches Losung "Dionysos gegen den Gekreuzigten" mit der Gestalt des dionysischen Priesters. So hofft er den Atheismus aus preußischem Pfarrhause zu besiegen. Auch die flankierenden Kapitel gelten zeitgenössischen Auseinandersetzungen, wie Bernd Wacker im lesenswerten Kommentar zeigt.

Byzanz gegen Jerusalem, Dionysos gegen Luther, dieser Gebärde mochten noch einige folgen. Als es 1924 wieder gegen Preußen ging, stand Hugo Ball allein da.

DIMITRIOS KISOUDIS

Hugo Ball: "Byzantinisches Christentum". Drei Heiligenleben. Hrsg. und kommentiert von Bernd Wacker.

Wallstein Verlag, Göttingen 2011. 588 S., geb., 38,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Für Rezensent Bernhard Lang ist dieses Buch eine Überraschung: Autor dieser Abhandlung über "Byzantinisches Christentum", die sich am Beispiel der Heiligen Johannes Klimakus, Simeon der Stylit und insbesondere Dionysos Areopagita mit spätantikem Katholizismus beschäftigt, ist der Journalist, Bohemien und Avantgardist Hugo Ball, vor allem bekannt als Begründer des "Dada" und des Cabaret Voltaire. In dieser langen Predigt, die mit einer kommentierten Heiligenlegende und einem theologiegeschichtlichem Bericht angereichert ist, rät Ball seinen Lesern zu "mönchischer Weltflucht". Über die teilweise "mangelhaft" beherrschte, auch von den zeitgenössischen Rezensenten kritisierte theologische Sprache kann der Kritiker mit gutem Gewissen hinwegsehen - zu "brillant" und "suggestiv" erscheint ihm Balls Stil. Auch dank des gelehrten Nachwortes Bernd Wackers empfiehlt Lang diese Apologie nicht nur Freunden der "Ballistik".

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