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Besonders wichtig in diesem Band sind die bislang unveröffentlichten Reisenotizen aus den Jahren 1948-1963, die ergänzt sind durch die Aufzeichnungen einer Reise des Schülers im Jahre 1909 nach Buironfosse in Frankreich und durch das Tagebuch eines Aufenthaltes der Geschwister Jünger auf Juist im Juni 1969. Von ähnlicher Bedeutung sind die »Prinzessin Tarakanow« und die lange erwartete Erzählung »Sp.R. Drei Schulwege«. Auch sind erstmals versammelt die Vor- und Nachworte des Autors, etwa zu »Afrikanische Spiele«, »Auf den Marmorklippen« und »Jahre der Okkupation«. Ein Nachwort von Liselotte…mehr

Produktbeschreibung
Besonders wichtig in diesem Band sind die bislang unveröffentlichten Reisenotizen aus den Jahren 1948-1963, die ergänzt sind durch die Aufzeichnungen einer Reise des Schülers im Jahre 1909 nach Buironfosse in Frankreich und durch das Tagebuch eines Aufenthaltes der Geschwister Jünger auf Juist im Juni 1969. Von ähnlicher Bedeutung sind die »Prinzessin Tarakanow« und die lange erwartete Erzählung »Sp.R. Drei Schulwege«. Auch sind erstmals versammelt die Vor- und Nachworte des Autors, etwa zu »Afrikanische Spiele«, »Auf den Marmorklippen« und »Jahre der Okkupation«. Ein Nachwort von Liselotte Jünger als der Herausgeberin des Bandes gibt Erläuterungen zu seinem Inhalt und zur Einbeziehung der Arbeiten aus dem Nachlass.
Autorenporträt
Ernst Jünger, geboren in Heidelberg am 29. 3. 1895. Er ist der Bruder von Friedrich Georg J.; seine Schriften "In Stahlgewittern" (Tageb., 1920), "Der Kampf als inneres Erlebnis" (Essay, 1922) und "Feuer und Blut" (En., 1925) gelten als Verherrlichung von Soldatentum und Krieg. Später Schriften gegen Gewalt und Macht. Jüngers Teilzeitideologien sind bis heute ebenso umstritten wie seine literarischen Werke, u. a. "Der Friede" (Essay, 1945), "Eine gefährliche Begegnung" (R., 1985), "Zwei Mal Halley" (Tageb., 1987); "Die Schere" (Schriften, 1990). 1982 erhielt er den Frankfurter Goethe-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.05.2003

Heldenbockkäfer aus germanischen Wäldern
Ein altersmilder Ernst Jünger sammelt auf Sardinien Wilhelminisches Strandgut zusammen
Spät nimmt Ernst Jünger Rache. Alle Schlachten sind längst geschlagen, alle Linien überquert, Freund und Feind überlebt – da knöpft der Hundertjährige sich seine alten Lehrer vor. In einer autobiographisch gehaltenen Erzählung geht Wolfram, Jüngers Alter ego, noch einmal seine drei Schulwege ab. Es sind Leidenswege, an deren Ende der mit Zirkel und Lineal bewaffnete sadistische Mathematiklehrer Hilpert wartet. Die Wilhelminische Erziehung ist eine vorgelagerte Kampfzone, eine asymmetrische Kriegswelt, in der nur eine Seite den Rohrstock schwingt. Alsbald kommt zwar auch die Herrschaft des schrecklichen Mathematiklehrers zu einem Ende, aber die „Ängste reichten fürs Leben vor”.
Jünger ist nicht der Einzige, der am Ende des 19. Jahrhunderts einen scholastischen Leidensschatz anhäuft. Nicht viel anders haben Musil oder Borchardt über den „Drill” und das stupide „Einpauken” geschrieben. Was die kleine traumatische Erzählung Sp.R. (Späte Rache), die nun erstmals aus dem Nachlass veröffentlicht wird, aus der Pennälerprosa hervorhebt, ist ihr vorgeschobener Posten.
Mit ihr schließen Jüngers „Sämtlichen Werke”, die 1983 abgeschlossen in achtzehn Bänden vorlagen, und dann nach und nach um die späten Tagebuchbände („Siebzig verweht” ff.) ergänzt wurden. „Siebzig verweht V” steht am Beginn des nun vorliegenden vierten und letzten Supplementbandes, dann folgt Verstreutes aus Jüngers Jahrhundertleben: Wald- und Wiesengedichte des jungen Wandervogels, Anleitungen des Stoßtruppführers zum Erstürmen feindlicher Gräben, Reisenotizen aus dem geliebten Sardinien, letzte Nachrichten aus dem Käferreich, einleitende Worte zu einer Lesung in Biberach und Grußworte für die Wilflinger Musikkapelle.
Dichter voran – Jünger bekleidet in Wilflingen das Amt des literarischen Oberförsters und ist immer zur Stelle, wenn es etwas zu feiern gibt. Man darf sich das schwäbische Nest nicht zu verschlafen vorstellen, zum 900. Stadtjubiläum meldet Jünger Wilflingens erfolgreichen Anschluss an die technische Mobilmachung. „Auf jedem Dach steht die Fernsehantenne, in jedem Hof ein Auto mindestens.”
Den größten Platz nehmen in dem ziegelstein-dicken Band die sardischen Reisenotizen ein. Es sind leicht hingetupfte Impressionen, die nur von Ferne an die schweren metaphysischen Brocken aus den späten Tagebüchern erinnern. Jünger, der früh modern war und immer konservativer wurde, hat in seinen späten Tagebüchern ungern auf die kulturkritische Sättigungsbeilage verzichtet. Gern focht er noch einmal den Universalienstreit aus und hob zu platonisch- planetarischen Überlegungen an. Jüngers sardische Urlaubsmaximen haben dagegen ein erfrischend kleineres Format, zielen auf das pralle Leben, dass sogar Reich-Ranicki Vergnügen hätte: „Ein finnischer Bauer sagte mir: Zwei Stunden nach der Sauna ist die Frau am schönsten.” Jünger notiert in der Badehose, das Stierlein neben sich in „puris naturalibus”. Das Stierlein, Jüngers zweite Ehefrau Liselotte, hat auch die vorliegende Ausgabe besorgt. Leichte mediterrane Kost wird serviert, und in Erinnerung bleibt vor allem Jüngers Vorliebe für die Meeresfrüchte. Und dieser rüstige Senior, der es sich bei frutti di mare gut gehen lässt – der soll einmal ein Skandalon gewesen sein, vor dem die Demokraten Sturm läuteten und uns unsere Eltern gewarnt haben? Wir mögen es kaum glauben.
In Strümpfen über Wiesen
Aber auch wenn der Herrenreiter nun kurze Hosen anhat, bisweilen schiebt sich der Krieg in die Urlaubskulissen. Noch einmal kehrt Jünger nach Fontainebleau zurück in das Lokal, in dem er 1940 den Waffenstillstand feierte. Jünger trifft Hans Speidel, mit dem er im Paris der Besatzungszeit dem Schicksal des musischen Preußen nachsann. Und sofort machen General Speidel und Leutnant Jünger - es ist das Jahr 61 und Berlin-Krise - „Lagebesprechung und Lagebeurteilung”: „Bei dem Hin und Her in und um Berlin hat man den Eindruck, dass die Russen die Geduld des Westens abtasten.”
Aber wie abgeklärt und ruhig wirkt das gegen Jüngers aggressive rechtsradikale Publizistik aus den Zwanzigern, die außerhalb der „Sämtlichen Werke” vor zwei Jahren bei Klett erschien. Ganz anders etwa als Carl Schmitt, der nie kapitulierte und den Partisanenkampf aus Plettenberg unterirdisch weiterführte, hat Jünger, dem Schmitt in seinem Glossar böse Worte nachrief („Strandgut des Wilhelminismus”), seinen Frieden mit der Bundesrepublik gemacht. Ohne große innere Teilnahme schaut Jünger auf das Treiben der dicken Bonner Tiere, die ihm in den späten Jahren ihre Aufwartung machen: „Ein Helmut geht, ein Helmut kommt.” Jünger, nun fast schon Musterdemokrat, füllt brav den Stimmzettel aus, den ihm die Ehefrau nach Sardinien hinterhergeschickt. (Sage da noch einmal einer, von der Demokratie drohe die Verzifferung!) Schon lange steigt er nicht mehr im Hotel „National” ab, und aus den schwarzen germanischen Wäldern kriecht nur noch der „Heldbockkäfer”, dem der leidenschaftliche Entomologe ein kleines, feines Geleitwort schreibt.
Mit diesem subtilen Jäger ist kein Kulturkrieg zu machen. Flower- Power überkommt Jünger, als er in Damaskus eine Moschee besichtigt: „Es ist angenehm, auf den Teppichen in Strümpfen wie über bunte Wiesen zu gehen.” – Aber ist das etwa alles, hat der Alte kein Stichwort zur Situation der Zeit mehr für uns? Was sagt Jünger zum Golfkrieg? „Live” vor dem Fernsehbildschirm nimmt er 1991 daran teil und macht sich in seinem Tagebuch seine Gedanken über das „faustdicke Unrecht”, die „Orientalen” und, ob man sie nicht „besser unter sich ließe”. Jünger, ganz désinvolture, empört sich nicht mehr über den Weltverlauf. Der gelungene Satz ist ihm wichtiger als die geschlagene Schlacht: „Aber wann, wo und gegen wen die Amerikaner moralisch werden – das ist eine Frage für sich.”
STEPHAN SCHLAK
ERNST JÜNGER: Späte Arbeiten. Verstreutes – Aus dem Nachlass. Sämtliche Werke, Band 22. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2003. 802 Seiten, 49 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2003

Sämtliche Werke, letzter Band

Ohne Ergebnis mußte Ernst Jünger sein großes Projekt der Sammlung Letzter Worte bedeutender und unbedeutender Menschen aus aller Welt einstellen. Groß war die Hoffnung in die Zusammenstellung, die in dem jetzt erschienenen letzten Band seiner Gesammelten Werke erstmals abgedruckt wurde: der Vorhang auf der anderen Seite der Existenz beginne in den Sekunden vor dem Tod zu zittern, mutmaßte er zu Beginn. "Die durch die Erfahrung eingewebten Muster der Realität lösen sich auf." Doch die Hoffnung trog. Letzte Worte, so stellte er fest, sind in der Regel langweilig und mit gewolltem Pathos durchtränkt. Jünger bricht das Projekt mitten im Satz ab. Die Grenze zu jener anderen Welt war hier nicht zu überschreiten. Die Erfahrung des letzten Übertritts muß jeder Mensch allein machen. Im letzten Band seiner Gesammelten Werke erscheint der Mann, der zu Lebzeiten vielen als gefährlichster Autor Deutschlands galt, als Kriegsverherrlicher, Demokratieverächter, Ästhet der Zerstörung und des Untergangs, und der doch im größten Teil seines Lebens und Werkes eine Gefahr bestenfalls für die Käfer, die er sammelte, und für die Drogenfreunde, die er zum Konsum ermutigte, gewesen ist, hier also, im letzten Band erscheint er als Mann, der die größte Lebensgefahr, Lebensbedrohung in seiner Schulzeit erlebte. In der autobiographisch grundierten Erzählung "Sp.R." nimmt er - hierfür steht auch die titelgebende Abkürzung - "Späte Rache" an seinen gehaßten Lehrern, gehaßten Mitschülern. Denn die Angst, die er damals erfuhr, "reichte fürs ganze Leben vor". Als fast Hundertjähriger nimmt sich Jünger seinen Mathematiklehrer vor und träumt seinem Alter ego Wolfram eine Abrechnungsrede zurecht, eine Rede, die er, Jünger, dem gehaßten Lehrer nie gehalten hat. Das letzte Buch als späte Waffe gegen den damals machtlos Gefürchteten. Der Glauben an Gefahr und Wirkung von Literatur war bis zum Ende ungebrochen.

Volker Weidermann.

Ernst Jünger: Sämtliche Werke, Band 22. "Späte Arbeiten - Aus dem Nachlaß". Klett-Cotta 2003. 802 Seiten. 49 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Ralf Vollmann hat in diesem letzten Ergänzungsband der zweiten großen Gesamtausgabe von Ernst Jüngers Werken späte Arbeiten, Verstreutes und Texte aus dem Nachlass gefunden. Als Hauptstücke des Bandes werden der abschließende Band der Tagebücher "Siebzig verweht" und Reiseerinnerungen genannt. Diese Reiseberichte findet Vollmann jedoch "nicht so lebendig schön" wie "Jüngers Reiseberichte sonst" und schreibt das ihrem unbearbeiteten Nachlass-Zustand zu. Ansonsten stellt der Rezensent bei der Lektüre fest, dass Jüngers Jahrhundert inzwischen vergangen ist. Die theoretische Schriften erscheinen ihm gelegentlich "mit der subtilen Kraftlosigkeit seiner Reflexion" breitgeredet.

© Perlentaucher Medien GmbH