Es ist beinahe zur Gewohnheit geworden, in Claudius nur den volkstümlichen, erbaulichen Schriftsteller zu sehen, den frommen, biederen, gefühlstiefen Mann, den Verfasser einer "religiös geweihten Haus- und Familienpoesie" (Wilhelm Scherer), und darüber den genauen Beobachter und Kritiker zu vergessen. Claudius war ein Einzelgänger, der zwischen Aufklärung und Empfindsamkeit, Anakreontik, "Sturm und Drang" und Pietismus einen eigenen Weg fand. Sein Leben blieb von den Wirren der Zeit nicht unberührt - Siebenjähriger Krieg, Französische Revolution, die Napoleonischen Eroberungszüge und die Befreiungskriege -, und es ist ohne diesen zeitlichen Bezug nicht zu denken, auch wenn Claudius nur hier und da direkt auf die Ereignisse reagiert. Sein Kriegslied mit dem Refrain "s'ist leider Krieg - und ich begehre / Nicht schuld daran zu sein" ist bis heute eines der ergreifendsten der deutschen Literatur. Die Lyrik des Dichters des unsterblichen Abendliedes "Der Mond ist aufgegangen" macht jedoch nur einen Bruchteil des Oeuvres aus, das sich aus Claudius' journalistischen Arbeiten für die Hamburger "Adreß-Comtoir-Nachrichten" und dann für den durch ihn zu literarischer Bedeutung gelangten "Wansbecker Boten" entwickelte. Mit ihnen wurde er zum "Pionier des deutschen Feuilletons" (Wilmont Haacke). Aus diesen Beiträgen, für die ein Neben- und Miteinander von Lyrischem, Kritischem, Lehrhaftem und Religiösem charakteristisch ist, entstand Claudius Hauptwerk: "Asmus omnia sua secum portans", eine als Volks- und Hausbuch gedachte Publikation in acht Teilen, die in diese Ausgabe nach den Originaldrucken textgetreu aufgenommen wurde, ebenso das schalkhafte-laszive Jugendwerk "Tändeleien und Erzählungen", das das konventionelle Claudius-Bild um eine reizvolle Komponente bereichert; hinzu kommen die Beiträge aus den "Adreß-Comtoir-Nachrichten" und dem "Wandsbecker Boten" und weitere Zeitschriftenveröffentlichungen und Einzeldrucke, darunter fünfzig Beiträge, die hier erstmals in eine Ausgabe aufgenommen wurden. Gedichte, Rezensionen, Gespräche, Abhandlungen bilden in Claudius' Werk ein Ganzes. Es wird in dieser Ausgabe durch die Kupferstiche Chodowieckis und die zahlreichen Illustrationen aus den Erstdrucken auch optisch abgerundet. Durch ihren kommentierenden Anhang und die ausführliche Bibliographie ist diese Ausgabe die Grundlage für jede Beschäftigung mit Claudius. Das scheinbar so bekannte Werk ist hier neu zu entdecken. Mit Nachwort und Bibliographie von R. Siebke, Anmerkungen und Zeittafel von H. Platschek. Mit 10 Bildtafeln von Chodowiecki und 22 Illustrationen der Erstausgaben.