Der Fall der drei toten, lachenden Ausländer ist rätselhaft. Rafael Corrales von der Guardia Civil macht die Quallen an der Costa Brava dafür verantwortlich. Doch Inspektor Sakamura, der verehrungswürdige japanische Zenmeister von Interpol, hat einen Verdacht - und er hat offensichtlich recht. Sonst wäre ja auch nicht zu verstehen, warum der Präsident der autonomen Regionalregierung Kataloniens trotz seiner heftigen Blähungen alles unternimmt, um die Ermittlungen des wahnwitzigen Pärchens Sakamura und Corrales zu behindern. Sogar die Dienste der unerhört teuren und mit allen wirkungsvollen erotischen Waffen gesegneten Agentin 69 nimmt er in Anspruch. Währenddessen hat Paquito, der Präsident Spaniens, den Verdacht, dass »da was faul ist in Katalonien«. Der dickbäuchige baskische Landesführer Satrústegui dagegen stellt sich dumm, obwohl er weiß, was passiert. Bis die haarsträubende Aktion eines Kommandos der baskisch-nationalistischen »Unaussprechlichen« den nationalen Ausnahmezustand auslöst, der sogar die galoppierende wirtschaftliche Krise, unter der das Land zu leiden hat, kurzfristig in den Hintergrund drängt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.2010Nonsens mit Olivenöl
Da lachen ja die Toten: Pablo Tusset legt nach
Ein dickbehäbiger, schnurrbärtiger Polizist der Guardia Civil, dem das Hemd etwas aus der Hose gerutscht ist; ein schmächtiger, weißhaariger Japaner mit hoher Stirn, der so konzentriert aussieht, als ob er mit Stäbchen Fliegen fangen könnte - die Cartoonfiguren auf dem Buchumschlag spiegeln die überzeichneten Charaktere in Pablo Tussets Kriminalsatire "Sakamura, Corrales und die lachenden Leichen" angemessen wider.
Wenn der japanische Interpol-Inspektor den Tag sehr früh mit Kampfsportübungen auf dem Balkon beginnt, zieht er sogleich den Zorn der spanischen Nachbarschaft auf sich; angesichts feinster Cholesterinspeisen aus dem Olivenöl-Paradies bleibt er im Gegensatz zu seinem Partner Corrales vehement asketisch. Dieser ist zunächst auch sehr verwundert darüber, dass Sakamura sich bei Zeugenvernehmungen mehr für das Feng Shui in deren Wohnungen zu interessieren scheint als für die Sache, dabei aber dennoch zum Erfolg gelangt. Was es mit den besagten Leichen dreier Touristen auf sich hat, die mit einem merkwürdigen Grinsen im Gesicht an der Costa Brava aufgetaucht sind, muss das ungleiche Ermittlerduo auf einigen Umwegen herausfinden. Die hat der Autor dieser Nonsens-Geschichte so angelegt, dass Katalonien mit Umgebung insbesondere kulinarisch erschlossen wird.
Die höchsten Gesellschaftskreise Spaniens werden dabei ziemlich erniedrigend dargestellt; bei der Schilderung von Körperfunktionen zu komischen Zwecken kann das Werk es spielend mit einem Louis-de-Funès-Film aufnehmen. Ob er auch kriminelle baskische Separatistengruppen für satirefähig hält, bleibt dem individuellen Leser überlassen - wenn sie sich in Wirklichkeit so dümmlich und harmlos verhielten wie in der Fiktion, hätte Spanien gewiss mehr zu lachen. Ernst nimmt Tusset dagegen die Sprache der Minderheiten auf der Iberischen Halbinsel, die er ausgiebig zitiert und die auch eine wichtige Rolle bei der Aufklärung des Falles spielt.
Dass das Buch mehr sein will als ein gewöhnlicher Krimi, zeigt sich somit stellenweise, wenngleich die explizite Bezeichnung als Roman hinter einem derart genrespezifischen Titel recht gewagt wirkt. Mit seinen zwei vorausgehenden Werken hat Pablo Tusset in Spanien Bestsellerstatus erlangt und wurde auch hierzulande besonders für das letzte, "Im Namen des Schweins", gerühmt, das als epische Allegorie auf ein berühmtes Gemälde von Hieronymus Bosch angelegt ist. Etwas unter dem Niveau dieses Vorgängers bietet Tusset hier gehobene Unterhaltungsliteratur, die also mehr delektiert als nützt, wenngleich man immerhin einiges über die Regionen und Ethnien Spaniens lernt.
Die Lektüre lohnt sich allerdings schon für einen einzigen Satz des Buches, der die blühende Phantasie des Autors auf das schönste hervorkehrt. Entfaltet wird darin ein architektonischer Traum, den der Präsident der Region Aragonien beim Essen dem spanischen Ministerpräsidenten unterbreitet: "Der Plan bestand darin, zwischen Bujaraloz und Fraga einen schiffbaren Fluss anzulegen und sich von Santiago Calatrava die organisch-futuristischen Brücken dazu bauen zu lassen, Rafael Moneo sollte in schlichten, klaren Formen einen einzigartigen Themenpark zu den verschiedenen Epochen Goyas (vor und nach seiner Taubheit) konzipieren, Frank O. Gehry mehrere dekonstruktivistische Indoor-Pétanque-Felder entwerfen und Norman Forster einen internationalen Flughafen bauen, der die Anreise aus Asien und den Vereinigten Staaten für die Touristen deutlich erleichtern würde." Wer bei dieser sich ins Groteske steigernden Humorkaskade nicht vor Lachen sein Eis verschluckt, dem ist nicht mehr zu helfen.
JAN WIELE
Pablo Tusset: "Sakamura, Corrales und die lachenden Leichen". Roman. Aus dem Spanischen von Ralph Amann. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2010. 300 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Da lachen ja die Toten: Pablo Tusset legt nach
Ein dickbehäbiger, schnurrbärtiger Polizist der Guardia Civil, dem das Hemd etwas aus der Hose gerutscht ist; ein schmächtiger, weißhaariger Japaner mit hoher Stirn, der so konzentriert aussieht, als ob er mit Stäbchen Fliegen fangen könnte - die Cartoonfiguren auf dem Buchumschlag spiegeln die überzeichneten Charaktere in Pablo Tussets Kriminalsatire "Sakamura, Corrales und die lachenden Leichen" angemessen wider.
Wenn der japanische Interpol-Inspektor den Tag sehr früh mit Kampfsportübungen auf dem Balkon beginnt, zieht er sogleich den Zorn der spanischen Nachbarschaft auf sich; angesichts feinster Cholesterinspeisen aus dem Olivenöl-Paradies bleibt er im Gegensatz zu seinem Partner Corrales vehement asketisch. Dieser ist zunächst auch sehr verwundert darüber, dass Sakamura sich bei Zeugenvernehmungen mehr für das Feng Shui in deren Wohnungen zu interessieren scheint als für die Sache, dabei aber dennoch zum Erfolg gelangt. Was es mit den besagten Leichen dreier Touristen auf sich hat, die mit einem merkwürdigen Grinsen im Gesicht an der Costa Brava aufgetaucht sind, muss das ungleiche Ermittlerduo auf einigen Umwegen herausfinden. Die hat der Autor dieser Nonsens-Geschichte so angelegt, dass Katalonien mit Umgebung insbesondere kulinarisch erschlossen wird.
Die höchsten Gesellschaftskreise Spaniens werden dabei ziemlich erniedrigend dargestellt; bei der Schilderung von Körperfunktionen zu komischen Zwecken kann das Werk es spielend mit einem Louis-de-Funès-Film aufnehmen. Ob er auch kriminelle baskische Separatistengruppen für satirefähig hält, bleibt dem individuellen Leser überlassen - wenn sie sich in Wirklichkeit so dümmlich und harmlos verhielten wie in der Fiktion, hätte Spanien gewiss mehr zu lachen. Ernst nimmt Tusset dagegen die Sprache der Minderheiten auf der Iberischen Halbinsel, die er ausgiebig zitiert und die auch eine wichtige Rolle bei der Aufklärung des Falles spielt.
Dass das Buch mehr sein will als ein gewöhnlicher Krimi, zeigt sich somit stellenweise, wenngleich die explizite Bezeichnung als Roman hinter einem derart genrespezifischen Titel recht gewagt wirkt. Mit seinen zwei vorausgehenden Werken hat Pablo Tusset in Spanien Bestsellerstatus erlangt und wurde auch hierzulande besonders für das letzte, "Im Namen des Schweins", gerühmt, das als epische Allegorie auf ein berühmtes Gemälde von Hieronymus Bosch angelegt ist. Etwas unter dem Niveau dieses Vorgängers bietet Tusset hier gehobene Unterhaltungsliteratur, die also mehr delektiert als nützt, wenngleich man immerhin einiges über die Regionen und Ethnien Spaniens lernt.
Die Lektüre lohnt sich allerdings schon für einen einzigen Satz des Buches, der die blühende Phantasie des Autors auf das schönste hervorkehrt. Entfaltet wird darin ein architektonischer Traum, den der Präsident der Region Aragonien beim Essen dem spanischen Ministerpräsidenten unterbreitet: "Der Plan bestand darin, zwischen Bujaraloz und Fraga einen schiffbaren Fluss anzulegen und sich von Santiago Calatrava die organisch-futuristischen Brücken dazu bauen zu lassen, Rafael Moneo sollte in schlichten, klaren Formen einen einzigartigen Themenpark zu den verschiedenen Epochen Goyas (vor und nach seiner Taubheit) konzipieren, Frank O. Gehry mehrere dekonstruktivistische Indoor-Pétanque-Felder entwerfen und Norman Forster einen internationalen Flughafen bauen, der die Anreise aus Asien und den Vereinigten Staaten für die Touristen deutlich erleichtern würde." Wer bei dieser sich ins Groteske steigernden Humorkaskade nicht vor Lachen sein Eis verschluckt, dem ist nicht mehr zu helfen.
JAN WIELE
Pablo Tusset: "Sakamura, Corrales und die lachenden Leichen". Roman. Aus dem Spanischen von Ralph Amann. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2010. 300 S., geb., 19,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Auch wenn Jan Wiele erkennen muss, dass Pablo Tusset mit diesem Krimi, in dem ein japanischer, dem Feng Shui zugetaner Interpol-Inspektor und eine paar weitere schön überzeichnete Gestalten in Katalonien auf Mördersuche gehen, hinter seinen früheren Arbeiten zurückbleibt, fühlt er sich mit diesem Buch gut unterhalten. Neben Humorkaskaden bietet der Autor dem Rezensenten sogar Informatives über Spaniens Regionen und Ethnien, schau an. Ob baskische Separatisten satiregeeignet sind, möchte Wiele lieber nicht entscheiden, ob der Band die Bezeichnung Roman verdient, dagegen schon: Eher nicht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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