Robert Langdon, Harvard Professor of symbology, receives an urgent late-night call while in Paris: the curator of the Louvre has been murdered. Alongside the body is a series of baffling ciphers. Langdon and a gifted French cryptologist, Sophie Neveu, are stunned to find a trail that leads to the works of Da Vinci - and further. The curator, part of a secret society named the Priory of Sion, may have sacrificed his life to keep secret the location of a vastly important religious relic hidden for centuries. It appears that the clandestine Vatican-sanctioned Catholic sect Opus Dei has now made its move. Unless Landon and Neveu can decipher the labyrinthine code and quickly assemble the pieces of the puzzle, the Priory´s secret - and a stunning historical truth - will be lost forever.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.02.2004Abschied von Europa
Der erste Rumsfeld-Roman: Dan Browns Thriller „Sakrileg”
Die beliebteste Geschichtswissenschaft ist die paranoide. Hellwach und gebildet beugt sie sich über historische Dokumente, sorgfältig und umsichtig behandelt sie jeden Fund, mit großer Intelligenz fügt sie allen Indizien zusammen und schreitet zur Konjektur – zu einer Konjektur, die nur aus Wahn und Unsinn besteht. Eines der schönsten Beispiele dieser paranoiden Geschichtswissenschaft ist Dan Browns Roman „The Da Vinci Code”, der im vergangenen Frühjahr in den Vereinigten Staaten erschien und dort über viele Monate die Bestsellerlisten beherrschte. In dieser Woche ist das Buch unter dem Titel „Sakrileg” auch hierzulande veröffentlicht worden.
Ein amerikanischer Gelehrter, den sich der Leser in der Gestalt eines verjüngten Harrison Ford vorstellen muss, hält eine Vorlesung in Paris. Sein Fach, die Symbologie, gibt es im wirklichen Leben nicht – er könnte, trotz offensichtlicher Nähe zur Schaumschlägerei der Kunstgeschichte, an einer modernen Universität nicht existieren, weil seine Disziplin streng enzyklopädisch organisiert ist. Nach der Veranstaltung ist der Professor mit dem Direktor des Louvre verabredet, der sich mit verwandten Forschungen beschäftigt: mit heidnischen Symbolen innerhalb der christlichen Ikonographie. Doch bevor es zu einer Begegnung kommen kann, durchschießt ein hünenhafter Albino dem Direktor den Magen – doch während er langsam verblutet, gelingt es dem Direktor noch, einen Caravaggio von der Wand zu reißen, eine geheimnisvolle Inschrift auf dem Boden zu platzieren, eine Kette mit einem geheimnisvollen Schlüssel hinter der „Mona Lisa” zu verbergen und sich im Tod in formvollendeter Angleichung an Leonardo da Vincis Studie zu den menschlichen Proportionen auszustrecken.
Es ist, als hätte sich der amerikanische Unterhaltungsroman von Dietrich Schwanitz und dem offenbar unstillbaren Verlangen nach jenen Wissenssplittern, die man infolge eines populären Irrtums für Bildung hält, inspirieren lassen. Die meisten der unzähligen kleinen Kapitel in diesem Roman schließen mit einer Quizfrage, deren Beantwortung die notwendige Voraussetzung dafür ist, dass der Held und seine Gefährtin – Kryptologin bei der französischen Polizei und Enkelin des ermordeten Direktors – zum nächsten Kapitel vordringen können. Literarischen Fertigkeiten sind in diesem Roman nur rudimentär zu erkennen, von Charakterstudien und Problemen der Dialogführung lässt der Autor sich nicht belasten – Rätsel, Lösung, nächste Station, Rätsel, Lösung, nächste Station lautet das Rezept dieses Buches, und weil wir, wie stets, nicht viel Zeit haben, geht es in einem atemberaubenden Tempo durch die Kunst- und Kirchengeschichte, durch Paris und London und wieder zurück, und das alles nach nur einer Stunde Schlaf.
Die Maria Magdalena-Story
Verschwörungstheorien sind eine praktische Angelegenheit. Nicht nur, dass sie ihre vermeintlichen Opfer von aller Verantwortung für das eigenen Tun entlasten und dem so gebeutelten Subjekt allerhand Gelegenheit geben, sich der Welt mit all ihren Zumutungen überlegen zu fühlen. Sondern vor allem, weil sie von klaren Schuldzuweisungen leben: Es sind immer die Schurken, von denen man von vornherein wusste, dass sie es sind. Dan Brown hat sich für seine Verschwörungstheorie einen Schuldigen im großen Format gesucht: die katholische Kirche. Diese sei, so seine an Tausenden und Abertausenden von Indizien exemplifirierte These, seit Beginn unserer Zeitrechnung damit beschäftigt, das Wissen um den wahren Christus und seine Beziehung zu Maria Magdalena auszulöschen – einschließlich des Wissens um die daraus entstandene Nachkommenschaft, zu der nicht nur die Merowinger, sondern auch Leonardo da Vinci und Jean Cocteau gehören, um die wahre Aufgabe der Tempelritter und der „Pieuré de Sion”, um den Gral und das Opus Dei.
Leider verlässt den Autor auf den letzten Seiten der Mut. Hätte er durchgehalten bis zur Offenbarung – aus seinem Roman hätte ein formidables Stück des echauffierten Anti-Klerikalismus werden können. Aber seine Deutung des „Abendmahls” von Leonardo da Vinci als apokryphes Bekenntnis zum Kult der Weiblichkeit, zu Mutterrecht und femininer Sinnlichkeit wäre eine akademische Beschäftigung wert – als Offenlegung der innigen Beziehungen zwischen Wissenschaft und Esoterik. Denn zu einer veritablen Verschwörungstheorie gehört eine große intellektuelle Freiheit: Nichts ist vor Deutung sicher, alles kann interpretiert werden.
Vom „alten Europa” sprach Donald Rumsfeld, und das intellektuelle Europa hielt in seiner Eitelkeit diese Beleidigung für ein Kompliment. Dan Browns „Sakrileg” dürfte das erste Werk der Unterhaltungsliteratur sein, das mit Rumsfelds Vorwurf ernst macht. Sein Europa ist eine nur noch historische Landschaft. Längst sieht sie aus wie die römischen Ruinen und kampanischen Felder, mit denen vor fast zweihundert Jahren ein ganzes Genre der Freiluftmalerei begann. Unendlich weit hat sich die amerikanische Kultur von der Europa-Bewunderung der einstigen „Amerikaner in Paris”entfernt. Heute bedarf es eines amerikanischen Symbologen, um Europa zu erlösen.
THOMAS STEINFELD
DAN BROWN: Sakrileg. Thriller. Aus dem Amerikanischen von Piet van Poll. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2004. 606 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Der erste Rumsfeld-Roman: Dan Browns Thriller „Sakrileg”
Die beliebteste Geschichtswissenschaft ist die paranoide. Hellwach und gebildet beugt sie sich über historische Dokumente, sorgfältig und umsichtig behandelt sie jeden Fund, mit großer Intelligenz fügt sie allen Indizien zusammen und schreitet zur Konjektur – zu einer Konjektur, die nur aus Wahn und Unsinn besteht. Eines der schönsten Beispiele dieser paranoiden Geschichtswissenschaft ist Dan Browns Roman „The Da Vinci Code”, der im vergangenen Frühjahr in den Vereinigten Staaten erschien und dort über viele Monate die Bestsellerlisten beherrschte. In dieser Woche ist das Buch unter dem Titel „Sakrileg” auch hierzulande veröffentlicht worden.
Ein amerikanischer Gelehrter, den sich der Leser in der Gestalt eines verjüngten Harrison Ford vorstellen muss, hält eine Vorlesung in Paris. Sein Fach, die Symbologie, gibt es im wirklichen Leben nicht – er könnte, trotz offensichtlicher Nähe zur Schaumschlägerei der Kunstgeschichte, an einer modernen Universität nicht existieren, weil seine Disziplin streng enzyklopädisch organisiert ist. Nach der Veranstaltung ist der Professor mit dem Direktor des Louvre verabredet, der sich mit verwandten Forschungen beschäftigt: mit heidnischen Symbolen innerhalb der christlichen Ikonographie. Doch bevor es zu einer Begegnung kommen kann, durchschießt ein hünenhafter Albino dem Direktor den Magen – doch während er langsam verblutet, gelingt es dem Direktor noch, einen Caravaggio von der Wand zu reißen, eine geheimnisvolle Inschrift auf dem Boden zu platzieren, eine Kette mit einem geheimnisvollen Schlüssel hinter der „Mona Lisa” zu verbergen und sich im Tod in formvollendeter Angleichung an Leonardo da Vincis Studie zu den menschlichen Proportionen auszustrecken.
Es ist, als hätte sich der amerikanische Unterhaltungsroman von Dietrich Schwanitz und dem offenbar unstillbaren Verlangen nach jenen Wissenssplittern, die man infolge eines populären Irrtums für Bildung hält, inspirieren lassen. Die meisten der unzähligen kleinen Kapitel in diesem Roman schließen mit einer Quizfrage, deren Beantwortung die notwendige Voraussetzung dafür ist, dass der Held und seine Gefährtin – Kryptologin bei der französischen Polizei und Enkelin des ermordeten Direktors – zum nächsten Kapitel vordringen können. Literarischen Fertigkeiten sind in diesem Roman nur rudimentär zu erkennen, von Charakterstudien und Problemen der Dialogführung lässt der Autor sich nicht belasten – Rätsel, Lösung, nächste Station, Rätsel, Lösung, nächste Station lautet das Rezept dieses Buches, und weil wir, wie stets, nicht viel Zeit haben, geht es in einem atemberaubenden Tempo durch die Kunst- und Kirchengeschichte, durch Paris und London und wieder zurück, und das alles nach nur einer Stunde Schlaf.
Die Maria Magdalena-Story
Verschwörungstheorien sind eine praktische Angelegenheit. Nicht nur, dass sie ihre vermeintlichen Opfer von aller Verantwortung für das eigenen Tun entlasten und dem so gebeutelten Subjekt allerhand Gelegenheit geben, sich der Welt mit all ihren Zumutungen überlegen zu fühlen. Sondern vor allem, weil sie von klaren Schuldzuweisungen leben: Es sind immer die Schurken, von denen man von vornherein wusste, dass sie es sind. Dan Brown hat sich für seine Verschwörungstheorie einen Schuldigen im großen Format gesucht: die katholische Kirche. Diese sei, so seine an Tausenden und Abertausenden von Indizien exemplifirierte These, seit Beginn unserer Zeitrechnung damit beschäftigt, das Wissen um den wahren Christus und seine Beziehung zu Maria Magdalena auszulöschen – einschließlich des Wissens um die daraus entstandene Nachkommenschaft, zu der nicht nur die Merowinger, sondern auch Leonardo da Vinci und Jean Cocteau gehören, um die wahre Aufgabe der Tempelritter und der „Pieuré de Sion”, um den Gral und das Opus Dei.
Leider verlässt den Autor auf den letzten Seiten der Mut. Hätte er durchgehalten bis zur Offenbarung – aus seinem Roman hätte ein formidables Stück des echauffierten Anti-Klerikalismus werden können. Aber seine Deutung des „Abendmahls” von Leonardo da Vinci als apokryphes Bekenntnis zum Kult der Weiblichkeit, zu Mutterrecht und femininer Sinnlichkeit wäre eine akademische Beschäftigung wert – als Offenlegung der innigen Beziehungen zwischen Wissenschaft und Esoterik. Denn zu einer veritablen Verschwörungstheorie gehört eine große intellektuelle Freiheit: Nichts ist vor Deutung sicher, alles kann interpretiert werden.
Vom „alten Europa” sprach Donald Rumsfeld, und das intellektuelle Europa hielt in seiner Eitelkeit diese Beleidigung für ein Kompliment. Dan Browns „Sakrileg” dürfte das erste Werk der Unterhaltungsliteratur sein, das mit Rumsfelds Vorwurf ernst macht. Sein Europa ist eine nur noch historische Landschaft. Längst sieht sie aus wie die römischen Ruinen und kampanischen Felder, mit denen vor fast zweihundert Jahren ein ganzes Genre der Freiluftmalerei begann. Unendlich weit hat sich die amerikanische Kultur von der Europa-Bewunderung der einstigen „Amerikaner in Paris”entfernt. Heute bedarf es eines amerikanischen Symbologen, um Europa zu erlösen.
THOMAS STEINFELD
DAN BROWN: Sakrileg. Thriller. Aus dem Amerikanischen von Piet van Poll. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2004. 606 Seiten, 19,90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.01.2004Sein Name ist Brown, Dan Brown
Seine literarischen Vorbilder sind John Steinbeck, Robert Ludlum und Shakespeare. Den ersten bewundert er für seine Beschreibungen, den zweiten für die Kunstfertigkeit des Plots und den dritten für seinen Wortwitz. Wer glaubt, daß dieses Puzzle nicht aufgehen könnte, hat recht, wird aber dennoch von der Wirklichkeit der internationalen Bestellerlisten eines Besseren belehrt. Denn Dan Brown hat mit seinem vierten Roman "The Da Vinci Code" seit Wochen ein Abonnement auf Platz eins der "New York Times"-Hardcover-Bestseller, und er besetzt derzeit dort mit zwei anderen Romanen noch vier weitere Listenplätze auf den Hardcover- und Paperback-Listen.
Dan Brown? Das ist die neue Märchenfigur der amerikanischen Unterhaltungsliteratur, jene Art von messianischem Thriller-Autor, dessen Auftauchen die Branche inständig herbeibetet. Er muß idealiter aus dem vorschußlosen Nichts kommen und darf sich innerhalb weniger Jahre am Tisch der Auflagenmillionäre neben John Grisham setzen. Demgemäß gibt sein Lebenslauf nicht allzuviel her, auf der Homepage bleibt unklar, wann und wo die Lichtgestalt geboren wurde. Der Vater demnach ein preisgekrönter Mathematiker, die Mutter Kirchenmusikerin - ergo wuchs der Knabe klappentextamtlich im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Religion auf, in jenem Gelände also, in dem er später seine Thriller ansiedeln sollte. Nach dem Abschluß in Englisch am Amherst College und an der Phillips Exeter Academy, wo er auch einige Jahre unterrichtete, erschien vor acht Jahren Dan Browns erster Roman "The Digital Fortress" (1996) als E-Book.
Der Roman, der später als Taschenbuch bei der St. Martin's Press herauskam und kein großer Verkaufserfolg war, handelt von einem Geheimcode, der den eigentlich alles entschlüsselnden Geheimdienst NSA bedroht. Roman Nummer zwei, "Angels and Demons" (2000; deutsch "Illuminati", 2003), nimmt einmal mehr die Verschwörungstheorie um den Orden der Illuminaten auf. Ein am Reißbrett entworfener und dortselbst ziemlich hölzern abgearbeiteter Parforce-Ritt durch römische Verliese, bei dem es um nichts weniger geht als die Zerstörung des Vatikans durch eine Anti-Materie-Waffe. Nummer drei, "Deception Point" (2001; deutsch "Meteor", 2003) verhandelt amerikanische Geheimdienst-Mauscheleien: Die Nasa hat einen Meteor im ewigen Eis entdeckt, der nicht ganz koscher ist.
In seinem vierten und bislang erfolgreichsten Buch "The Da Vinci Code" (2003) kehrt Brown zu seinem "Illuminati"-Helden, dem Kunsthistoriker Robert Langdon, zurück; auch diesmal geht es um eine geheime Bruderschaft und die Frage, wer auf Leonardo da Vincis "Letztem Abendmahl" tatsächlich neben Jesus sitzt. Das Buch erscheint am 24. Februar unter dem Titel "Sakrileg" im Lübbe Verlag, der bislang von "Illuminati" und Meteor zusammen neunhunderttausend Exemplare verkauft hat und über seinen Umsatzbringer hellauf begeistert ist. Die Rechte für "Deception Point" sind eingekauft.
Die Erklärung für den phänomenalen Erfolg Browns dürfte nicht nur in seiner Qualität als Autor liegen - die am Genre gemessen von eher durchschnittlichem Rang ist -; die Erklärung liegt zweifellos daran, daß Brown fiktionalisierte Lebensberatung für das elektronische Zeitalter anbietet. Das Schlüsselerlebnis, das seine Karriere als Romancier auslöste, begab sich zu Browns Zeit als Lehrer: Agenten des Secret Service nahmen auf dem Campus einen Schüler in die Mangel, weil der in einer E-Mail an einen Freund geschrieben hatte, er hasse Präsident Clinton und wünsche sich, dieser würde ermordet werden. Das brachte den empörten Brown der Legende nach auf die Spur der NSA, die - wir sind im Jahr 1996 - damals nur drei Prozent der Amerikaner überhaupt ein Begriff war. Und so widmet sich der Hobby-Kryptologe Brown auf seiner Homepage www.danbrown.com denn auch in aller Ausführlichkeit Fragen des Datenschutzes, der Verschwörungstheorie und des Wirkens der amerikanischen Geheimdienste. Auch wenn Brown literarisch weit entfernt ist von der Qualität eines Neal Stephenson ("Cryptonomicon"), so trifft er doch in seiner Entschlossenheit, einfache Antworten auf komplizierte Fragen zu geben, einen Ton, der für eine Weltkarriere maßgeschneidert ist: Übersetzungsrechte sind dem Vernehmen in vierzig Länder verkauft, die Filmrechte für "The Da Vinci Code" hat Columbia Pictures erworben.
HANNES HINTERMEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Seine literarischen Vorbilder sind John Steinbeck, Robert Ludlum und Shakespeare. Den ersten bewundert er für seine Beschreibungen, den zweiten für die Kunstfertigkeit des Plots und den dritten für seinen Wortwitz. Wer glaubt, daß dieses Puzzle nicht aufgehen könnte, hat recht, wird aber dennoch von der Wirklichkeit der internationalen Bestellerlisten eines Besseren belehrt. Denn Dan Brown hat mit seinem vierten Roman "The Da Vinci Code" seit Wochen ein Abonnement auf Platz eins der "New York Times"-Hardcover-Bestseller, und er besetzt derzeit dort mit zwei anderen Romanen noch vier weitere Listenplätze auf den Hardcover- und Paperback-Listen.
Dan Brown? Das ist die neue Märchenfigur der amerikanischen Unterhaltungsliteratur, jene Art von messianischem Thriller-Autor, dessen Auftauchen die Branche inständig herbeibetet. Er muß idealiter aus dem vorschußlosen Nichts kommen und darf sich innerhalb weniger Jahre am Tisch der Auflagenmillionäre neben John Grisham setzen. Demgemäß gibt sein Lebenslauf nicht allzuviel her, auf der Homepage bleibt unklar, wann und wo die Lichtgestalt geboren wurde. Der Vater demnach ein preisgekrönter Mathematiker, die Mutter Kirchenmusikerin - ergo wuchs der Knabe klappentextamtlich im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Religion auf, in jenem Gelände also, in dem er später seine Thriller ansiedeln sollte. Nach dem Abschluß in Englisch am Amherst College und an der Phillips Exeter Academy, wo er auch einige Jahre unterrichtete, erschien vor acht Jahren Dan Browns erster Roman "The Digital Fortress" (1996) als E-Book.
Der Roman, der später als Taschenbuch bei der St. Martin's Press herauskam und kein großer Verkaufserfolg war, handelt von einem Geheimcode, der den eigentlich alles entschlüsselnden Geheimdienst NSA bedroht. Roman Nummer zwei, "Angels and Demons" (2000; deutsch "Illuminati", 2003), nimmt einmal mehr die Verschwörungstheorie um den Orden der Illuminaten auf. Ein am Reißbrett entworfener und dortselbst ziemlich hölzern abgearbeiteter Parforce-Ritt durch römische Verliese, bei dem es um nichts weniger geht als die Zerstörung des Vatikans durch eine Anti-Materie-Waffe. Nummer drei, "Deception Point" (2001; deutsch "Meteor", 2003) verhandelt amerikanische Geheimdienst-Mauscheleien: Die Nasa hat einen Meteor im ewigen Eis entdeckt, der nicht ganz koscher ist.
In seinem vierten und bislang erfolgreichsten Buch "The Da Vinci Code" (2003) kehrt Brown zu seinem "Illuminati"-Helden, dem Kunsthistoriker Robert Langdon, zurück; auch diesmal geht es um eine geheime Bruderschaft und die Frage, wer auf Leonardo da Vincis "Letztem Abendmahl" tatsächlich neben Jesus sitzt. Das Buch erscheint am 24. Februar unter dem Titel "Sakrileg" im Lübbe Verlag, der bislang von "Illuminati" und Meteor zusammen neunhunderttausend Exemplare verkauft hat und über seinen Umsatzbringer hellauf begeistert ist. Die Rechte für "Deception Point" sind eingekauft.
Die Erklärung für den phänomenalen Erfolg Browns dürfte nicht nur in seiner Qualität als Autor liegen - die am Genre gemessen von eher durchschnittlichem Rang ist -; die Erklärung liegt zweifellos daran, daß Brown fiktionalisierte Lebensberatung für das elektronische Zeitalter anbietet. Das Schlüsselerlebnis, das seine Karriere als Romancier auslöste, begab sich zu Browns Zeit als Lehrer: Agenten des Secret Service nahmen auf dem Campus einen Schüler in die Mangel, weil der in einer E-Mail an einen Freund geschrieben hatte, er hasse Präsident Clinton und wünsche sich, dieser würde ermordet werden. Das brachte den empörten Brown der Legende nach auf die Spur der NSA, die - wir sind im Jahr 1996 - damals nur drei Prozent der Amerikaner überhaupt ein Begriff war. Und so widmet sich der Hobby-Kryptologe Brown auf seiner Homepage www.danbrown.com denn auch in aller Ausführlichkeit Fragen des Datenschutzes, der Verschwörungstheorie und des Wirkens der amerikanischen Geheimdienste. Auch wenn Brown literarisch weit entfernt ist von der Qualität eines Neal Stephenson ("Cryptonomicon"), so trifft er doch in seiner Entschlossenheit, einfache Antworten auf komplizierte Fragen zu geben, einen Ton, der für eine Weltkarriere maßgeschneidert ist: Übersetzungsrechte sind dem Vernehmen in vierzig Länder verkauft, die Filmrechte für "The Da Vinci Code" hat Columbia Pictures erworben.
HANNES HINTERMEIER
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