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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.2010

31. Als Pepys sich eine Brille kaufte

So, ich bin ja ehrlich gesagt gerade erst bei Band drei, aber es stellt sich schon langsam dieses Trance-Gefühl ein. Dieses Pepys-Gefühl des Alltagsschwebens, eine gehobene, wertvolle, herrliche Langeweile. Endlich, endlich gibt es den ganzen Pepys auf Deutsch. Das ganze Tagebuchwerk dieses großen Erfinders der privaten Weltmitschreibekunst in neun Bänden und auf mehreren tausend Seiten. Bislang hatte es ja immer wieder Auswahlbände gegeben, in immer neuen Zusammenstellungen. Aber die täglichen Aufzeichnungen des Flottenbeauftragten des britischen Königs zusammenzustreichen, heißt in Wahrheit, ihnen ihr Bestes zu nehmen. Gerade in den Lebenszwischenräumen, in den Momenten der Lebensereignislosigkeit liegt ja die eigentliche Sensation dieses Buchs. Walter Kempowski hat einmal geschrieben: "Die Alltäglichkeiten sind es, die diese Aufzeichnungen so interessant machen. ,Kaufte mir heute eine grüne Brille.' Das ist es. Das macht unser Leben aus." Nun können wir endlich alle, alle Alltäglichkeiten lesen. In schönem grünen Glanzleinen gebunden, mit eingeprägten Goldvignetten, in neun Bänden, jeder Band von einem anderen Übersetzer ins Deutsche übertragen, hat dieses gigantomanische Unternehmen ausgerechnet der immer in tollsten Turbulenzen überlebende Haffmans-Verlag unter dem Dach von Zweitausendeins vollbracht. Als Erstes müssen jetzt natürlich die Buchhändler endlich einmal lernen diesen Namen richtig auszusprechen, den großen Bremser seines Ruhms. Groucho Marx hat mal gesagt: "Wenn Peeps, Piepes oder Peppies klug gewesen wäre, hätte er sich einen Namen wie Joe Blow zugelegt, und jeder Schuljunge in Amerika würde heute seine Tagebücher lesen, statt auf der Straße herumzulungern und Radkappen zu klauen." Also ein für alle mal: Pieps, Leute!

Volker Weidermann

Samuel Pepys: "Die Tagebücher, 1660-1669". Haffmans bei Zweitausendeins, 4416 Seiten in neun Bänden nebst einem Pepys-Compendium, 169,90 Euro

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Werner von Koppenfels würdigt Samuel Pepys als "ersten großen und exemplarischen Diaristen". Die Tagebücher des Sekretärs der englischen Marineverwaltung, die jetzt erstmals in einer vollständigen deutschen Ausgabe in neun schönen Bänden vorliegen, bergen in seinen Augen Suchtgefahr für den Leser, war Pepys doch nicht nur ein fleißiger Staatsdiener, Geschäftsmann, Gourmet und Zecher, sondern auch ein präzis beobachtender Chronist, der die Umwälzungen seiner Zeit genau protokollierte. Er schwärmt geradezu von den "unvergesslichen Bildern", die sich in diesen Tagebüchern finden und die den Leser zu Augenzeugen des Barock machen. Getrübt wird Koppenfels' Freude an der vorliegenden Ausgabe indes durch die deutsche Übersetzung. Diese liest sich seines Erachtens trotz einiger Schnitzer zwar "angenehm flüssig". Bei näherer Betrachtung findet er sie aber wesentlich flüssiger als das Original. Dies missfällt dem Rezensenten, denn durch die zahllosen Glättungen geht für ihn viel verloren, und so hält er dem Übersetzerteam "mangelnden Respekt vor dem Text" vor.

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