Als Hanns Cibulka Anfang der 60er-Jahre zum ersten Mal Hiddensee bereist, bleibt ihm die Insel fremd. Ihm, der in einer mährischen Kleinstadt im Altvatergebirge aufgewachsen war und als Kriegsgefangener auf Sizilien den geschichtsträchtigen, sonnengrellen Süden kennengelernt hatte, erscheint die spröde norddeutsche Landschaft zunächst sperrig und stumm. Doch schon bald kann er sich dem Sog dieses Stücks Erde nicht mehr entziehen und fängt an, dessen eigenwillige Natur in seinen dichten Tagebuchaufzeichnungen in Text zu übersetzen. In der poetischen Landvermessung eines Sommers an der See…mehr
Als Hanns Cibulka Anfang der 60er-Jahre zum ersten Mal Hiddensee bereist, bleibt ihm die Insel fremd. Ihm, der in einer mährischen Kleinstadt im Altvatergebirge aufgewachsen war und als Kriegsgefangener auf Sizilien den geschichtsträchtigen, sonnengrellen Süden kennengelernt hatte, erscheint die spröde norddeutsche Landschaft zunächst sperrig und stumm. Doch schon bald kann er sich dem Sog dieses Stücks Erde nicht mehr entziehen und fängt an, dessen eigenwillige Natur in seinen dichten Tagebuchaufzeichnungen in Text zu übersetzen. In der poetischen Landvermessung eines Sommers an der See finden neben der Geologie und Physik auch Windsbräute und Nebeltöchter ihren Platz, die steten Lichtwechsel und die Monochromie der Farben werden ebenso dokumentiert wie Lektüre- und Hörerlebnisse, Reflexionen über Naturtreue und Kunstwahrheit, Zivilisations- und Technikkritik. Hiddensee erscheint in diesen Tagebuchblättern als ebenso gegenwärtige wie mythische Landschaft, und nicht zuletzt als Symbol dessen, was Schutz erfordert und Bewahrung verdient.
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Autorenporträt
Hanns Cibulka, geboren am 20.9.1920 in Jägerndorf, Mähren (heute Krnov, Tschechische Republik), war einer der bedeutendsten Schriftsteller der DDR. Im Zentrum seines Tagebuchwerks steht die Phänomenologie südlicher und nördlicher Landschaften und mit ihr die eindringliche Warnung vor Umweltzerstörung. Bis zu seinem Tod 2004 lebte der auch durch seine Gedichte bekannte Autor in Gotha, wo er über dreißig Jahre die Heinrich-Heine-Bibliothek leitete. Neben mehreren Lyrikbänden veröffentlichte er vor allem Tagebuchprosa, u.a. Umbrische Tage, Liebeserklärung in K., Thüringer Tagebücher. Bei Matthes & Seitz Berlin erschien 2020 Sanddornzeit. Tagebuchblätter von Hiddensee. Sebastian Kleinschmidt, 1948 in Schwerin geboren, studierte Philosophie und Ästhetik und war von 1991 bis 2013 Chefredakteur der Kulturzeitschrift Sinn und Form . Er lebt als Essayist und Herausgeber in Berlin. Bei Matthes & Seitz Berlin erschienen zuletzt die Essaybände Spiegelungen und Lob der Autorität . Judith Schalansky, 1980 in Greifswald geboren, studierte Kunstgeschichte und Kommunikationsdesign und lebt als freie Schriftstellerin und Buchgestalterin in Berlin. Sowohl ihr Atlas der abgelegenen Inseln als auch ihr Bildungsroman Der Hals der Giraffe wurden von der Stiftung Buchkunst zum 'Schönsten deutschen Buch' gekürt. Für ihr Verzeichnis einiger Verluste erhielt sie 2018 den Wilhelm-Raabe-Preis. Seit dem Frühjahr 2013 gibt sie die Reihe Naturkunden heraus.
Rezensionen
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensent Helmut Böttiger bekommt Sehnsucht nach Hiddensee mit dem erstmals 1971 veröffentlichten Tagebuch von Hanns Cibulka. In eine andere Inselrealität entführt ihn der Autor, in eine andere Zeitdimension, in der ihm die Stunden und Tage gemächlicher zu vergehen scheinen. So ist Zeit, die Schuppen eines Fisches, einen LPG-Trecker, Gewitter, Brandung und Kreidefelsen eingehend zu betrachten, staunt Böttiger. Wenig Zeithistorisches kann der Rezensent da entdecken, dafür umso mehr Wesentliches, Kostbares, das der Autor bewahrt wie in einer Zeitkapsel.