"Schöner und verstörender als alle Liebesromane dieser Saison." (NDR)
Das abenteuerliche Leben der in Genf geborenen, zum Islam konvertierten Isabelle Eberhardt, die sich in Männerkleidung frei in der algerischen Gesellschaft bewegte und ihr Liebesleben nicht versteckte, hat bis heute nichts von seiner Faszination verloren. Das widersprüchliche Wesen dieser unermüdlichen Reisenden spiegelt sich in ihren Texten.
Das abenteuerliche Leben der in Genf geborenen, zum Islam konvertierten Isabelle Eberhardt, die sich in Männerkleidung frei in der algerischen Gesellschaft bewegte und ihr Liebesleben nicht versteckte, hat bis heute nichts von seiner Faszination verloren. Das widersprüchliche Wesen dieser unermüdlichen Reisenden spiegelt sich in ihren Texten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.12.2005Im heißen Schatten des Islams
Die Aufzeichnungen der Wüstenreisenden Isabelle Eberhardt / Von Wolfgang Günter Lerch
Nicht nur männliche Reisende, wie Richard Francis Burton, Heinrich Barth oder Charles Doughty (um nur die berühmtesten zu nennen), kennt die Entdeckungsgeschichte Arabiens, sondern auch Frauen verfielen dem romantischen Zauber der Wüste. Lady Duff-Gordon schlug sich im neunzehnten Jahrhundert bis nach Luxor in Ägypten durch, Alexandrine Tinne durchquerte Teile der Sahara, bis sie dort den Tod durch Mörderhand fand. Lady Jane Digby heiratete einen syrischen Scheich und verbrachte den Rest ihres Lebens unter Beduinen, wie Lady Anne Blunt, die Gattin des berühmten Arabien-Forschers Wilfred Scawen Blunt.
Die bekannteste europäische Wüstenreisende freilich ist Isabelle Eberhardt. Sie trieb den Eskapismus und die Anpassung an eine andere Kultur, die islamische Nordafrikas, bis zur völligen Aufgabe ihrer Herkunft. Romantische Sehnsucht nach dem ganz anderen, nach einem Dasein frei von den europäischen Konventionen, vermischte sich mit dem Wunsch, ein Leben nach dem Vorbild der Männer zu führen, ja ein Mann zu werden. In der französischen Schweiz aufgewachsen und von Jugend auf an anarchistisches Gedankengut im Stile Bakunins oder des Fürsten Pjotr Kropotkin gewöhnt, floh sie zusammen mit ihrer Mutter als junge Frau nach Algier, das damals französische Kolonie war. Beide traten zum Islam über, Isabelle wohl aus Überzeugung, die Mutter folgte mehr dem Beispiel der Tochter.
Isabelle bereiste das Land, vor allem das wüstenhafte Hinterland Algiers, und schrieb darüber für französische Zeitungen, nicht nur Artikel, sondern bald auch poetische Arbeiten, die teilweise erst später unter Titeln wie "Sandmeere" oder "Im heißen Schatten des Islams" zusammengefaßt wurden. In der vom Rowohlt Verlag herausgegebenen Sammlung sind diese in einer expressionistischen Sprache gehaltenen Texte schon lange auf deutsch nachzulesen.
Nach dem Tod der Mutter hielt Isabelle Eberhardt sich fast nur noch in der Wüste auf. Sie machte den östlichen Großen Erg, jenes Sandmeer, das ausgedehnter ist als Deutschland und den gesamten Osten des heutigen Algeriens einnimmt, zu ihrer neuen Heimat. Von der Oasenstadt El Oued aus durchstreifte sie die Wüste auf Kamel- und Pferderücken. Entweder allein oder mit Slimène Ehnni, einem arabischen Offizier in französischen Diensten, den sie geheiratet hatte.
Die Essays und Tagebuchaufzeichnungen Isabelle Eberhardts machen deutlich, wie tief sie in Mentalität und Lebensart der Sahara-Araber eingedrungen war. Sie reiste grundsätzlich in arabischer Männertracht, in Burnus und Haik. Mit Europa hatte sie gebrochen. In ihren Aufzeichnungen spürt man, wie sie von jenem Geflecht mystischer Orden und Bruderschaften (tariqas) angezogen war, das den populären Volksislam im Maghreb und in ganz Nordafrika bis heute kennzeichnet. Sie traf sich mit den Ordensscheichs, schloß Freundschaft mit ihnen und wurde von ihnen in die Riten der jeweiligen Orden eingeweiht. Da sie Aufzeichnungen darüber machte, geriet sie freilich bei ihr Übelgesinnten bald in Verdacht, für die französische Kolonialmacht zu spionieren. Marschall Lyautey schätzte ihren Rat. Einem Mordanschlag in einer Moschee der Qadiriya-Bruderschaft entrann sie mit viel Glück. Als ihr arabischer Geliebter sie verließ, vereinsamte sie mehr und mehr, flüchtete sich immer häufiger in ihre Wüstenabenteuer. Ihre Texte erweisen sie als eine der größten Schilderinnen jener sandigen Ödnis und Leere, die auf manche Menschen eine geradezu magische Anziehungskraft ausübt. Es ist auch die zur Meditation einladende Landschaft jener Propheten, welche die meisten der heute prägenden Hochreligionen gestiftet haben. Insofern kehrte Isabelle Eberhardt dann doch wieder an den Ursprung der eigenen, christlichen Kultur zurück. Durch ein tragisches Naturereignis starb sie auch in der Wüste: 1904 im Hospital der westalgerischen Siedlung Ain Sefra.
Isabelle Eberhardt, "Sandmeere". Übersetzt von Grete Osterwald, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2005, Band 1, 448 S., 8,90 Euro; Band 2, 416 S., 7,50 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Aufzeichnungen der Wüstenreisenden Isabelle Eberhardt / Von Wolfgang Günter Lerch
Nicht nur männliche Reisende, wie Richard Francis Burton, Heinrich Barth oder Charles Doughty (um nur die berühmtesten zu nennen), kennt die Entdeckungsgeschichte Arabiens, sondern auch Frauen verfielen dem romantischen Zauber der Wüste. Lady Duff-Gordon schlug sich im neunzehnten Jahrhundert bis nach Luxor in Ägypten durch, Alexandrine Tinne durchquerte Teile der Sahara, bis sie dort den Tod durch Mörderhand fand. Lady Jane Digby heiratete einen syrischen Scheich und verbrachte den Rest ihres Lebens unter Beduinen, wie Lady Anne Blunt, die Gattin des berühmten Arabien-Forschers Wilfred Scawen Blunt.
Die bekannteste europäische Wüstenreisende freilich ist Isabelle Eberhardt. Sie trieb den Eskapismus und die Anpassung an eine andere Kultur, die islamische Nordafrikas, bis zur völligen Aufgabe ihrer Herkunft. Romantische Sehnsucht nach dem ganz anderen, nach einem Dasein frei von den europäischen Konventionen, vermischte sich mit dem Wunsch, ein Leben nach dem Vorbild der Männer zu führen, ja ein Mann zu werden. In der französischen Schweiz aufgewachsen und von Jugend auf an anarchistisches Gedankengut im Stile Bakunins oder des Fürsten Pjotr Kropotkin gewöhnt, floh sie zusammen mit ihrer Mutter als junge Frau nach Algier, das damals französische Kolonie war. Beide traten zum Islam über, Isabelle wohl aus Überzeugung, die Mutter folgte mehr dem Beispiel der Tochter.
Isabelle bereiste das Land, vor allem das wüstenhafte Hinterland Algiers, und schrieb darüber für französische Zeitungen, nicht nur Artikel, sondern bald auch poetische Arbeiten, die teilweise erst später unter Titeln wie "Sandmeere" oder "Im heißen Schatten des Islams" zusammengefaßt wurden. In der vom Rowohlt Verlag herausgegebenen Sammlung sind diese in einer expressionistischen Sprache gehaltenen Texte schon lange auf deutsch nachzulesen.
Nach dem Tod der Mutter hielt Isabelle Eberhardt sich fast nur noch in der Wüste auf. Sie machte den östlichen Großen Erg, jenes Sandmeer, das ausgedehnter ist als Deutschland und den gesamten Osten des heutigen Algeriens einnimmt, zu ihrer neuen Heimat. Von der Oasenstadt El Oued aus durchstreifte sie die Wüste auf Kamel- und Pferderücken. Entweder allein oder mit Slimène Ehnni, einem arabischen Offizier in französischen Diensten, den sie geheiratet hatte.
Die Essays und Tagebuchaufzeichnungen Isabelle Eberhardts machen deutlich, wie tief sie in Mentalität und Lebensart der Sahara-Araber eingedrungen war. Sie reiste grundsätzlich in arabischer Männertracht, in Burnus und Haik. Mit Europa hatte sie gebrochen. In ihren Aufzeichnungen spürt man, wie sie von jenem Geflecht mystischer Orden und Bruderschaften (tariqas) angezogen war, das den populären Volksislam im Maghreb und in ganz Nordafrika bis heute kennzeichnet. Sie traf sich mit den Ordensscheichs, schloß Freundschaft mit ihnen und wurde von ihnen in die Riten der jeweiligen Orden eingeweiht. Da sie Aufzeichnungen darüber machte, geriet sie freilich bei ihr Übelgesinnten bald in Verdacht, für die französische Kolonialmacht zu spionieren. Marschall Lyautey schätzte ihren Rat. Einem Mordanschlag in einer Moschee der Qadiriya-Bruderschaft entrann sie mit viel Glück. Als ihr arabischer Geliebter sie verließ, vereinsamte sie mehr und mehr, flüchtete sich immer häufiger in ihre Wüstenabenteuer. Ihre Texte erweisen sie als eine der größten Schilderinnen jener sandigen Ödnis und Leere, die auf manche Menschen eine geradezu magische Anziehungskraft ausübt. Es ist auch die zur Meditation einladende Landschaft jener Propheten, welche die meisten der heute prägenden Hochreligionen gestiftet haben. Insofern kehrte Isabelle Eberhardt dann doch wieder an den Ursprung der eigenen, christlichen Kultur zurück. Durch ein tragisches Naturereignis starb sie auch in der Wüste: 1904 im Hospital der westalgerischen Siedlung Ain Sefra.
Isabelle Eberhardt, "Sandmeere". Übersetzt von Grete Osterwald, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2005, Band 1, 448 S., 8,90 Euro; Band 2, 416 S., 7,50 Euro.
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In ihren dichtesten Momenten sind sie alles zugleich: exotische Landschafts- und Stimmungsbilder, ethnologische Feldstudie, intimes Tagebuch und erotische Konfession. Vogue