"Willa Cather schildert grandios, was in geknechteten Menschen vor sich geht, die sich eine Existenz in Freiheit kaum vorstellen können." -- Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Dieser Roman wirkt in seiner Vielschichtigkeit und seinem Erfahrungsreichtum wie eine Art Vermächtnis." -- Neue Zürcher Zeitung
Sapphira ist eine der letzten Sklavenhalterinnen. Sie herrscht mit Güte, aber auch rücksichtsloser Härte. Ihre Ehe ist zur bloßen Farce verkommen, und ihre Tochter Rachel versteht sich als Sklavenbefreierin. Als die kranke Sapphira schließlich erfährt, dass ihrem Mann ein Verhältnis mit dem Sklavenmädchen Nancy nachgesagt wird, und er sich weigert, diese zu verkaufen, eskaliert der Konflikt innerhalb der Familie. Mit Sapphira und ihrer Tochter Rachel gelingen Willa Cather erneut großartige weibliche Charaktere, die zutiefst bewegen, ganz gleich, ob man ihre jeweilige Lebenseinstellung und politische Haltung verdammt oder teilt...
"Dieser Roman wirkt in seiner Vielschichtigkeit und seinem Erfahrungsreichtum wie eine Art Vermächtnis." -- Neue Zürcher Zeitung
Sapphira ist eine der letzten Sklavenhalterinnen. Sie herrscht mit Güte, aber auch rücksichtsloser Härte. Ihre Ehe ist zur bloßen Farce verkommen, und ihre Tochter Rachel versteht sich als Sklavenbefreierin. Als die kranke Sapphira schließlich erfährt, dass ihrem Mann ein Verhältnis mit dem Sklavenmädchen Nancy nachgesagt wird, und er sich weigert, diese zu verkaufen, eskaliert der Konflikt innerhalb der Familie. Mit Sapphira und ihrer Tochter Rachel gelingen Willa Cather erneut großartige weibliche Charaktere, die zutiefst bewegen, ganz gleich, ob man ihre jeweilige Lebenseinstellung und politische Haltung verdammt oder teilt...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.06.2010Vernarrt in Pioniere
Der Mensch muss stärker als ein Ochse sein: In ihrem letzten großen Prosawerk schildert Willa Cather grandios, was in geknechteten Menschen vor sich geht.
Zeitenwenden bringen große Literatur hervor. So befeuerte im fünften Jahrhundert vor Christus das erwachende Bewusstsein, dass sich der Mensch den Göttern als Individuum gegenüberstellen kann, die griechische Tragödie. So sind Tschechows Dramen und Erzählungen undenkbar ohne die Überzeugung, dass die höheren Gesellschaftskreise Russlands Ende des neunzehnten Jahrhunderts degenerieren. Und so motivierte die jüngste bedeutende Wende der deutschen Geschichte unter anderen Thomas Brussig, Monika Maron und Christa Wolf, in Romanen etliche Charaktere heftigen Zerreißproben auszusetzen.
Zu den folgenreichen Zäsuren in der Entwicklung der Vereinigten Staaten von Amerika zählt das Ende des Bürgerkriegs. Bis heute hat der Untergang der Pflanzeraristokratie, der eine Welt aus den Fugen brachte, viele Künstler zu Anstrengungen stimuliert. Indes Margaret Mitchells Roman "Vom Winde verweht" von 1936 das bekannteste Resultat des fiktionalen Echos ist, warten zumal andere Autorinnen, die Mitchells Sentimentalität längst überwunden hatten, noch auf umfassende Entdeckung. Neben Ellen Glasgow (1874 bis 1945) ist hier vor allem deren Altersgenossin Willa Cather (1873 bis 1947) zu nennen. Beide Schriftstellerinnen interessiert es, wie sich soziale Umbrüche, kulturelle Konflikte und Spannungen zwischen den Generationen verquicken. Beide stellen gern dynamische junge Frauen ins Zentrum, die gegen viktorianische Rollenmodelle des Alten Südens rebellieren. Und beide verlieren sich nicht in theoretischen Überlegungen zur Dichtkunst, sondern befreien diese von Kitsch und falschen Idealen.
Was Willa Cather betrifft, haben die Verlage Albrecht Knaus und Manesse mit teils neuen deutschen Übersetzungen und Ausgaben in jüngerer Zeit bereits viel geleistet. Bei dem sechsten Roman der Serie handelt es sich um das letzte Prosagroßwerk, "Sapphira und das Sklavenmädchen" ("Sapphira and the Slave Girl", 1940). Frühere deutsche Versionen erschienen 1955 und 1992 mit diversen Titeln und fanden keinen rechten Anklang. Dies mag daran liegen, dass die unbändige Liebe der Autorin zum amerikanischen Pionierdasein hierzulande als übertrieben empfunden wurde. Nun, da in Amerika die Erinnerung an Vergangenes zuerst den Wunsch zum politischen "Wechsel", dann das Beschwören von "Hoffnung", am Ende gar eine Ablösung im Weißen Haus beförderte - nun wirkt Willa Cathers Kunst, die jenseits des Atlantiks längst kanonisiert ist, wohl auch hier so, wie sie immer schon war: modern, kraftspendend, werteverbunden.
Ausgestattet mit solchen positiven Attributen, kämpfen sich im OEuvre der Literatin die Alexandras und Antonias, die Marians und Myras durch das Dickicht der Konventionen. "Sapphira und das Sklavenmädchen", das auf einer baufälligen Mühlfarm im hintersten Winkel Virginias spielt, macht vertraut mit Rachel. Von ihrem Los vor und nach dem Sezessionskrieg erfahren wir primär aus der Sicht einer allwissenden Erzählerin. Dominant ist ein Dauerzwist zwischen Rachel und ihrer stockkonservativen Mutter Sapphira um die Frage, ob es noch zeitgemäß sei, Sklaven zu halten. Eines Tages vermutet Sapphira, ihr Mann habe ein Verhältnis mit der attraktiven Sklavin Nancy. Um sich zu rächen, lädt die clevere Alte ihren als Schürzenjäger verrufenen Neffen Martin ein und legt ihm eine Vergewaltigung Nancys nahe. Da schlägt die Stunde der Abolitionistin Rachel.
Gelingt es ihr, der bedrängten Frau zur Flucht zu verhelfen? Wie würde sich dies auf die komplexen Verhältnisse zwischen Weiß und Schwarz, unter den Herrschenden und unter den Beherrschten auswirken? Obgleich diese Fragen wichtig anmuten: In erster Linie liest man nicht weiter, um genau darauf Antworten zu erhalten. Stattdessen zieht es einen in seinen Bann, dass die Verfasserin das Denken der Schwarzen psychologisch akkurat seziert. Ohne in Klischees zu verfallen, zeichnet sie ein weites Spektrum vom mehr als Angepassten über den, der sich mit der schwierigen Situation arrangiert, bis zum Outlaw. Willa Cather schildert grandios, was in geknechteten Menschen vor sich geht, die sich eine Existenz in Freiheit kaum vorstellen können - obwohl sie gleich einem Werkzeug verliehen werden, master und mistress Luft zufächeln oder ihnen die Schuhe einlaufen.
Manuela Reichart erläutert in einem knappen, wohlinformierten Nachwort, dass die Pulitzerpreisträgerin von 1923 in ihrem Roman auf die eigene Familiengeschichte zurückgreift. Den Ausgang hat sie als kleines Mädchen mitbekommen, und im Epilog erhebt sie überraschenderweise ihre Erzählstimme. Am Ende ihres Schaffens - das aus zwölf Romanen, etlichen Novellen, Rezensionen und Aufsätzen besteht - sei sie, wie sie einer Freundin mitteilte, der Erfindung überdrüssig gewesen. In einem Brief unterstreicht sie: "Das Leben begann für mich, als ich aufhörte, zu bewundern, und anfing, mich zu erinnern."
Indes mahnende Erinnerung und Rückbesinnung auch die Werke von schwarzen Autoren wie Alex Haley, Toni Morrison, August Wilson und Alice Walker prägen sollten, haben Hommagen an die Scholle spürbar abgefärbt auf die weißen Kollegen Louise Erdrich, Alice Munro, Annie Proulx und Rudy Wiebe. Zu den expliziten Bewunderern gehörte einer, der es ebenfalls vermochte, mit wenigen Worten beseelte Figuren zu erschaffen - Truman Capote. Einen handfesten Erfahrungsschatz wie "Ein Mensch muss stärker als ein Ochse sein, wenn er sich von der Umgebung lösen will, in die er hineingeboren wurde", den Willa Cather ihre Rachel aussprechen lässt, könnte Capote gleichermaßen notiert haben. Die bestens recherchierten, schnörkellos formulierten und episodal präsentierten Publikationen Willa Cathers sind dennoch Unikate.
THOMAS LEUCHTENMÜLLER
Willa Cather: "Sapphira und das Sklavenmädchen". Roman. Aus dem Englischen von Elisabeth Schnack. Mit einem Nachwort von Manuela Reichart. Albrecht Knaus Verlag, München 2010. 253 S., br., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Mensch muss stärker als ein Ochse sein: In ihrem letzten großen Prosawerk schildert Willa Cather grandios, was in geknechteten Menschen vor sich geht.
Zeitenwenden bringen große Literatur hervor. So befeuerte im fünften Jahrhundert vor Christus das erwachende Bewusstsein, dass sich der Mensch den Göttern als Individuum gegenüberstellen kann, die griechische Tragödie. So sind Tschechows Dramen und Erzählungen undenkbar ohne die Überzeugung, dass die höheren Gesellschaftskreise Russlands Ende des neunzehnten Jahrhunderts degenerieren. Und so motivierte die jüngste bedeutende Wende der deutschen Geschichte unter anderen Thomas Brussig, Monika Maron und Christa Wolf, in Romanen etliche Charaktere heftigen Zerreißproben auszusetzen.
Zu den folgenreichen Zäsuren in der Entwicklung der Vereinigten Staaten von Amerika zählt das Ende des Bürgerkriegs. Bis heute hat der Untergang der Pflanzeraristokratie, der eine Welt aus den Fugen brachte, viele Künstler zu Anstrengungen stimuliert. Indes Margaret Mitchells Roman "Vom Winde verweht" von 1936 das bekannteste Resultat des fiktionalen Echos ist, warten zumal andere Autorinnen, die Mitchells Sentimentalität längst überwunden hatten, noch auf umfassende Entdeckung. Neben Ellen Glasgow (1874 bis 1945) ist hier vor allem deren Altersgenossin Willa Cather (1873 bis 1947) zu nennen. Beide Schriftstellerinnen interessiert es, wie sich soziale Umbrüche, kulturelle Konflikte und Spannungen zwischen den Generationen verquicken. Beide stellen gern dynamische junge Frauen ins Zentrum, die gegen viktorianische Rollenmodelle des Alten Südens rebellieren. Und beide verlieren sich nicht in theoretischen Überlegungen zur Dichtkunst, sondern befreien diese von Kitsch und falschen Idealen.
Was Willa Cather betrifft, haben die Verlage Albrecht Knaus und Manesse mit teils neuen deutschen Übersetzungen und Ausgaben in jüngerer Zeit bereits viel geleistet. Bei dem sechsten Roman der Serie handelt es sich um das letzte Prosagroßwerk, "Sapphira und das Sklavenmädchen" ("Sapphira and the Slave Girl", 1940). Frühere deutsche Versionen erschienen 1955 und 1992 mit diversen Titeln und fanden keinen rechten Anklang. Dies mag daran liegen, dass die unbändige Liebe der Autorin zum amerikanischen Pionierdasein hierzulande als übertrieben empfunden wurde. Nun, da in Amerika die Erinnerung an Vergangenes zuerst den Wunsch zum politischen "Wechsel", dann das Beschwören von "Hoffnung", am Ende gar eine Ablösung im Weißen Haus beförderte - nun wirkt Willa Cathers Kunst, die jenseits des Atlantiks längst kanonisiert ist, wohl auch hier so, wie sie immer schon war: modern, kraftspendend, werteverbunden.
Ausgestattet mit solchen positiven Attributen, kämpfen sich im OEuvre der Literatin die Alexandras und Antonias, die Marians und Myras durch das Dickicht der Konventionen. "Sapphira und das Sklavenmädchen", das auf einer baufälligen Mühlfarm im hintersten Winkel Virginias spielt, macht vertraut mit Rachel. Von ihrem Los vor und nach dem Sezessionskrieg erfahren wir primär aus der Sicht einer allwissenden Erzählerin. Dominant ist ein Dauerzwist zwischen Rachel und ihrer stockkonservativen Mutter Sapphira um die Frage, ob es noch zeitgemäß sei, Sklaven zu halten. Eines Tages vermutet Sapphira, ihr Mann habe ein Verhältnis mit der attraktiven Sklavin Nancy. Um sich zu rächen, lädt die clevere Alte ihren als Schürzenjäger verrufenen Neffen Martin ein und legt ihm eine Vergewaltigung Nancys nahe. Da schlägt die Stunde der Abolitionistin Rachel.
Gelingt es ihr, der bedrängten Frau zur Flucht zu verhelfen? Wie würde sich dies auf die komplexen Verhältnisse zwischen Weiß und Schwarz, unter den Herrschenden und unter den Beherrschten auswirken? Obgleich diese Fragen wichtig anmuten: In erster Linie liest man nicht weiter, um genau darauf Antworten zu erhalten. Stattdessen zieht es einen in seinen Bann, dass die Verfasserin das Denken der Schwarzen psychologisch akkurat seziert. Ohne in Klischees zu verfallen, zeichnet sie ein weites Spektrum vom mehr als Angepassten über den, der sich mit der schwierigen Situation arrangiert, bis zum Outlaw. Willa Cather schildert grandios, was in geknechteten Menschen vor sich geht, die sich eine Existenz in Freiheit kaum vorstellen können - obwohl sie gleich einem Werkzeug verliehen werden, master und mistress Luft zufächeln oder ihnen die Schuhe einlaufen.
Manuela Reichart erläutert in einem knappen, wohlinformierten Nachwort, dass die Pulitzerpreisträgerin von 1923 in ihrem Roman auf die eigene Familiengeschichte zurückgreift. Den Ausgang hat sie als kleines Mädchen mitbekommen, und im Epilog erhebt sie überraschenderweise ihre Erzählstimme. Am Ende ihres Schaffens - das aus zwölf Romanen, etlichen Novellen, Rezensionen und Aufsätzen besteht - sei sie, wie sie einer Freundin mitteilte, der Erfindung überdrüssig gewesen. In einem Brief unterstreicht sie: "Das Leben begann für mich, als ich aufhörte, zu bewundern, und anfing, mich zu erinnern."
Indes mahnende Erinnerung und Rückbesinnung auch die Werke von schwarzen Autoren wie Alex Haley, Toni Morrison, August Wilson und Alice Walker prägen sollten, haben Hommagen an die Scholle spürbar abgefärbt auf die weißen Kollegen Louise Erdrich, Alice Munro, Annie Proulx und Rudy Wiebe. Zu den expliziten Bewunderern gehörte einer, der es ebenfalls vermochte, mit wenigen Worten beseelte Figuren zu erschaffen - Truman Capote. Einen handfesten Erfahrungsschatz wie "Ein Mensch muss stärker als ein Ochse sein, wenn er sich von der Umgebung lösen will, in die er hineingeboren wurde", den Willa Cather ihre Rachel aussprechen lässt, könnte Capote gleichermaßen notiert haben. Die bestens recherchierten, schnörkellos formulierten und episodal präsentierten Publikationen Willa Cathers sind dennoch Unikate.
THOMAS LEUCHTENMÜLLER
Willa Cather: "Sapphira und das Sklavenmädchen". Roman. Aus dem Englischen von Elisabeth Schnack. Mit einem Nachwort von Manuela Reichart. Albrecht Knaus Verlag, München 2010. 253 S., br., 19,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Roman-Unikate findet Thomas Leuchtenmüller bei Willa Cather. Zwar weiß der Rezensent um den Einfluss der Autorin auf Kolleginnen wie Alice Munro und Annie Proulx, ebenso um die Ähnlichkeit zu Capote. Derart gut recherchiert, modern und ohne Schnörkel formuliert, wie hier, findet er den Generationenkonflikt und die Verhältnisse zwischen Schwarz und Weiß, Herrschern und Beherrschten am Ende des amerikanischen Sezessionskrieges aber nur bei Cather. Cathers psychologische Darstellung der Schwarzen fern von Klischees hat Leuchtenmüller beeindruckt. Im "wohl informierten" Nachwort erfährt er von der autobiografischen Grundierung des Textes.
© Perlentaucher Medien GmbH
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