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Miljenko Jergovic's remarkable début collection of stories, Sarajevo Marlboro - winner of the Erich Maria Remarque Peace Prize - earned him wide acclaim throughout Europe. Croatian by birth, Jergovic ? spent his childhood in Sarajevo and chose to remain there throughout most of the war. A dazzling storyteller, he brings a profoundly human, razor-sharp understanding of the fate of the city's young Muslims, Croats, and Serbs with a subterranean humor and profoundly personal vision. Their offbeat lives and daily dramas in the foreground, the killing zone in the background.

Produktbeschreibung
Miljenko Jergovic's remarkable début collection of stories, Sarajevo Marlboro - winner of the Erich Maria Remarque Peace Prize - earned him wide acclaim throughout Europe. Croatian by birth, Jergovic ? spent his childhood in Sarajevo and chose to remain there throughout most of the war. A dazzling storyteller, he brings a profoundly human, razor-sharp understanding of the fate of the city's young Muslims, Croats, and Serbs with a subterranean humor and profoundly personal vision. Their offbeat lives and daily dramas in the foreground, the killing zone in the background.
Autorenporträt
Miljenko Jergovic
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.2009

Der Himmel über Sarajevo

Miljenko Jergovic schrieb seinen ersten Erzählband während der Belagerung Sarajevos. Jetzt ist das frühe Meisterwerk noch einmal neu übersetzt worden.

Selten hat man die Gewissheit: Dies ist ein wirklich gutes Buch. Miljenko Jergovic schrieb seinen ersten Erzählband während der Belagerung Sarajevos. Als der Band 1994 erschien, hatte der Autor als bosnischer Kroate seine umkämpfte Heimatstadt bereits verlassen. Zwei Jahre später ging die Belagerung durch die jugoslawische Volksarmee zu Ende, und es lag eine erste Übersetzung vor, die den deutschen Lesern einen dramatischen Schauplatz des Balkankrieges tief bewegend und in großer literarischer Schlichtheit zeigte. In den Kurzgeschichten Jergovics wurden die Kämpfe nicht fortgesetzt, wurde nicht abgerechnet und gerichtet, sondern sie zeigten das Ringen einzelner Menschen mit sich selbst und mit der plötzlich feindlichen Welt. Jergovic hatte bis dahin Gedichte geschrieben, und das erklärt seinen sicheren Griff zum passenden Wort.

Im Schöffling Verlag sind zwei der großen Romane, die im Werk Jergovics der kleinen Form folgten, erschienen: "Buick Rivera" (2006) und das opulente, eine Familie, ein Jahrhundert und den Raum "Jugoslawien" umspannende Epos "Das Walnusshaus" (2008). Nun hat sich der Verlag entschieden, das frühe Meisterwerk noch einmal von Brigitte Döbert übersetzen zu lassen, und es mit einem Nachwort von Daniela Strigl zu versehen. Damit hat das deutsche Publikum ein zweites Mal die Gelegenheit, die Anfänge eines großen europäischen Autors zu bestaunen.

In jeder der meist kurzen, einen entscheidenden Lebensausschnitt beleuchtenden Erzählungen ist der Krieg anwesend: Seine Grausamkeit ist unübersehbar: "als hohles Gefäß, in dem sich die ersten Regentropfen sammelten, lag Jurajs Kopf im Schlamm". Oft treten die Heckenschützen, Detonationen und züngelnden Flammen aber auch plötzlich aus dem Hintergrund hervor und fügen den Menschen unwiederbringliche Verluste zu: den Tod oder die Verstümmelung eines geliebten Menschen, das Ende aller Selbstverständlichkeiten und Glaubensgewissheiten. Der Krieg zerstört Träume und Bibliotheken und eine vielgestaltige Stadt, die auch den Flüchtenden als Heimat nicht zu ersetzen ist, eine Stadt, "die von niemandem verlangte, sich zu ändern und die Verachtung ertrug".

Was an diesem Buch mehr als alle Einblicke in den auseinanderbrechenden Alltag fesselt, ist der immer wieder beschriebene Versuch, stoische Tugenden zu entwickeln und sich vor den eigenen Gefühlen zu retten. Schon immer haben sich Autoren auf den Stoizismus besonnen, wenn es galt, die innere Freiheit des Menschen gegen bedrückende äußere Umstände zu verteidigen. Motive der Affektabwehr durchziehen die Kurzgeschichten, so wenn der Erzähler einer Geschichte von dem roten Lämpchen in seinem Inneren berichtet, das immer dann warnend angeht, wenn ihn etwas zu erschüttern droht. Dazu passt die Hinnahme dessen, was unabänderlich scheint und dem Einfluss des Einzelnen entzogen ist: "Such nicht nach Gründen, Sinn und Gerechtigkeit."

In einer der Geschichten verkörpert "Herr Ivo" den stoischen Weisen. Der vornehme Mann aus Dubrovnik lebt in einem kleinen Ort zwischen prächtigen Rosenstöcken, die er im Frühherbst 1991 nach einem Angriff der Tschetniks abholzt, durch einen Hühnerstall ersetzt und bei diesen Arbeiten einen alten Brunnen entdeckt. Mit der ersten Wassersperre kommen die Nachbarn, und er schöpft für sie das Wasser, "würdevoll, ob er sich nun über den Brunnen beugte, ob ihm der Schweiß übers Gesicht rann oder er sich wegen eines kleinen Schwächeanfalls fünf Minuten hinsetzen musste". Er verteidigt die sittliche Autonomie des Menschen und damit auch christliche Tugenden.

Selten bricht die geschilderte Selbstbeherrschung vollkommen zusammen. Meist vibriert es unter ihrer Oberfläche. In der Erzählung "Gärtner" laufen ein Mann und seine Frau bei einem Angriff in ein Hochhaus. Die Detonationen lassen die Wände wackeln, Menschen stürzen zu Boden, stehen einer nach dem anderen wieder auf, nur Ivanka bleibt liegen. Gleich nach der Beerdigung geht ihr Mann auf den Markt und kauft Karotten-, Rüben- und Lattichsamen, die er zu Hause in einer weißen Styroporkiste aussät. Zu den Keimlingen kehrt er immer wieder zurück, um seine Gedanken über verschiedene Arten des Selbstmords zu beherrschen: "Es ist nicht leicht, sich von überflüssigen Dingen zu trennen."

Jergovics Figuren halten am Leben fest. Mit der Darstellung ihrer Nöte und zerbrechlichen Würde verteidigt der Autor - bei aller philosophischen und politischen Skepsis - das Humane gegen den Krieg. Dazu dient ihm eine knappe Sprache von schlichter und rauher Schönheit, die auch große Worte nicht scheut. Die Perspektiven wechseln, aber der Blick auf die Wirklichkeit wirkt immer bestechend klar. Zugleich nimmt die Realitätsnähe den Geschichten nichts von ihrer Offenheit. Vieles scheint unausgesprochen, Bewegungen im Inneren der Figuren werden nur angedeutet, äußere Schrecken ausgespart, der Raum, der sich hinter dem Beschriebenen öffnet, ist weit.

Miljenko Jergovic lebt heute als Schriftsteller und Journalist in Zagreb, sein Erzählungsband ist mittlerweile in zehn Sprachen übersetzt worden, und er wird mit Ivo Andric und Raymond Carver verglichen. Große Teile seiner Heimatstadt sind wieder aufgebaut, der mächtige ästhetische und moralische Eindruck dieses Buches bleibt, denn es fasst eine Zäsur der europäischen Geschichte in Literatur: "der Himmel über den Lichtern von Sarajevo rot wie ein brennender Dachstuhl".

SANDRA KERSCHBAUMER

Miljenko Jergovic: "Sarajevo Marlboro". Erzählungen. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2009. 200 S., geb., 18,90 [Euro]

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.10.2009

In unterirdischen Gängen
Miljenko Jergovic erzählt von der Liebe im Krieg
Die Liebe, dieses Verlies der Innerlichkeit – vielleicht gleicht sie einem feinen Netzwerk, ausgespannt zwischen den Liebenden. Ein solches Gewebe reicht immer über die kleinen Pläne und Wünsche des Einzelnen hinaus. Es verhakt sich in der Liebe zu Landschaften oder an den Risslinien der alltäglichen Erfahrungen, selbst ein flüchtiger Blick kann die Ordnung dieses Organismus neu ausrichten. In den Köpfen jedoch hat die Liebe immer noch wie im Märchen zu sein: Man verliebt sich, bekommt Kinder und lebt glücklich bis ans Lebensende. Nur hat der Erzähler einen nüchternen Blick für die tatsächlichen Verhältnisse: „Normalerweise kommt alles anders, und im Rückblick, wenn der Scherbenhaufen nicht mehr zu kitten ist, sieht es so aus, als wären sadistische Umstände unselig ineinander verzahnt gewesen.”
Miljenko Jergovic, 1966 in Zagreb geboren, zeigt in seinen Stücken sehr schön, was die Liebe und das Geschichtenerzählen gemeinsam haben. Die Erinnerung besteht nicht aus einer Folge von Bildern oder gar Filmen, die man jederzeit abspulen könnte, vielmehr setzt sie sich aus unzähligen Geschichten und Details zusammen, ohne dass diese sich noch einmal in einer großen Idee bündeln ließen. Es sind allenfalls Netze, kleine Versuchsreihen, die das Erzählen erlaubt, in denen sich aber manchmal kaum mehr entscheiden lässt, was Wahrheit und was Lüge ist. So ist das Erzählen vielleicht das einzige Mittel, um die kleinen Dinge zu verknüpfen und ihnen doch in ihrem Sein und in ihrer Brüchigkeit gerecht zu werden.
Bosnischer Eintopf
Allerdings geht es in Jergovics Erzählungen nicht einfach um die Liebe, sondern um die Liebe in Zeiten des Krieges. Es ist der Jugoslawien-Konflikt, der im Hintergrund aller Stücke pulst. Sarajevo, die Stadt, in der so verschiedene Menschen zusammenleben, wird zum geheimen Fluchtpunkt der Projektionen. Vor der harten Wirklichkeit aus Armut und Kriegsangst flüchten die Figuren in Träume. Einerlei, ob es sich um den Schwätzer Izet handelt, der einen Satz an den anderen knüpft und am Ende alles auf den Kopf stellt, oder um Ivo T., der ein Kommunist war und ist, was aber keiner sagen, geschweige denn schreiben darf – der Krieg sprengt die eingespielten Lebensweisen, und die Figuren taumeln im Leeren. Sogar Elena und Zlaja aus der Erzählung „Bosnischer Eintopf”, deren Liebe gerade an Gegensätzen zu wachsen scheint, verlieren sich mit jedem Bombardement mehr.
Auch in der Beschreibung des Krieges bleibt Jergovic seinem Erzählen treu. Immer wieder gelingt es ihm atmosphärisch genau, die Spannungen und Spaltungen in den Ritualen des Alltags spürbar zu machen, es mögen Beobachtungen auf der Straße oder im Laden um die Ecke sein. Auf beiläufige Weise, nur festgehalten in den flüchtigen Erscheinungen der Welt, gewinnt so ein Stück balkanischer Geschichte vor dem Leser Gestalt. Es ist nicht die große Historie, an der sich die Medien versuchen oder die später einmal in den Geschichtsbüchern verzeichnet sein wird, sondern das Erlebte, die subjektive Perspektive, durch die Form jedoch ins Beispielhafte gewendet: „Und jetzt sind die Bücher der sonderbare Beweis für deine Neigung, unnötige Dinge anzuhäufen, die sich in einem schmerzlich züngelnden Augenblick in gesammelte Erinnerungen verwandeln werden.” Es hat seinen Reiz, dass Jergovic diese Idee ausgerechnet in der Szenerie einer Bibliothek entfaltet, die den Flammen des brennenden Sarajevo anheim zu fallen droht. Mit der ihm eigenen Ironie begegnet er der nach Eigentlichkeit schielenden Sichtweise von Kriegsreportern und Politikern, einer Eigentlichkeit, die niemals möglich ist.
Doch nicht alle Geschichten sind so konsequent erzählt. Bisweilen kommentiert Jergovic noch einmal ausführlich, was er zuvor bereits in Bilder und in die Handlungen seiner Figuren eingesenkt hat. Sogar manche Pointe lässt er sich nicht nehmen. So raubt er den Geschichten etwas von ihrer Offenheit. Diese Offenheit gelingt ihm immer dann, wenn er mit seinen Sätzen eine brüchige Stimmung schafft, eine Stimmung, die nicht nur etwas von den Scharten des Krieges erzählt, sondern auch von der Erinnerung. Denn mit der Erinnerung scheint es wie mit jenen unterirdischen Gängen zu sein, über die eine der Figuren berichtet: „Aus denen kommt man nicht mehr heraus, wenn man einmal drin ist . . . Furchtbar, ein Leben lang im Dunkeln herumzuirren.” NICO BLEUTGE
MILJENKO JERGOVIC: Sarajevo Marlboro. Erzählungen. Aus dem Kroatischen von Brigitte Döbert. Mit einem Nachwort von Daniela Strigl. Schöffling & Co., Frankfurt/Main 2009. 198 Seiten, 18,90 Euro.
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