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Wer ist Satan im Neuen Testament? In dieser grundlegenden Untersuchung verfolgt die Religionswissenschaftlerin Elaine Pagels die Geschichte Satans von seinen ersten Auftritten im Alten Testament bis ins Neue Testament. Die christliche Lehre der Liebe und des Mitleids ist in ihrem Ursprung mit einer nicht weniger gewaltigen Botschaft des bitteren Hasses und des weltlichen Streits verwoben. Beide haben die menschliche Geschichte gleichermaßen bestimmt.

Produktbeschreibung
Wer ist Satan im Neuen Testament? In dieser grundlegenden Untersuchung verfolgt die Religionswissenschaftlerin Elaine Pagels die Geschichte Satans von seinen ersten Auftritten im Alten Testament bis ins Neue Testament. Die christliche Lehre der Liebe und des Mitleids ist in ihrem Ursprung mit einer nicht weniger gewaltigen Botschaft des bitteren Hasses und des weltlichen Streits verwoben. Beide haben die menschliche Geschichte gleichermaßen bestimmt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.04.1996

Entlassung eines Himmelsbeamten im Außendienst
Elaine Pagels ist für Toleranz gegen Andersdenkende, aber beim Teufelsglauben hört der Spaß auf / Von Klaus Berger

Über die Adresse des Teufels hat man von alters her spekuliert. Sitzt er im Nacken, sitzt er im Detail? Wohin flüchtet er, wenn er vor dem Weihwasser flieht? Wenn nicht in die Hölle, dann vielleicht in die Herzen von Theologen, sogar von neutestamentlichen Schriftstellern? Das meint Elaine Pagels. Der Teufel, sagt sie, ist im wesentlichen psychosozial zu erklären und dient vor allem frühen und späteren Christen zur Dämonisierung ihrer Gegner. Solche Gegner seien im ersten Jahrhundert Juden, dann Ketzer, dann Heiden, dann Andersgläubige überhaupt. Indem die vermeintlich rechtgläubigen Christen diese Gruppen verteufeln, äußert sich unterdrückte Wut, die mit dem Anderssein anderer nicht fertig wird. Haß und Massenmord habe man so gerechtfertigt.

So ist für Elaine Pagels das eigentlich Teuflische die Verteufelung anderer. Damit entsteht ein neuer Dualismus: Auf der einen Seite stehen biblische und andere Traditionschristen, die in der Geschichte eine Spannung zwischen Gott und Teufel sehen, und auf der anderen Seite gibt es Menschen, die vom Schwarz-Weiß nichts wissen wollen, sondern zu universaler Versöhnung aufrufen. Zu ihnen gehört vor allem Frau Pagels selbst. So wird das ganze Phänomen vollkommen moralisiert. Aber wird man Frau Pagels nicht zustimmen, daß man andere nicht verteufeln soll, sondern sich vertragen muß? Metaphysik und Glaube an Unsichtbares, so lautet die einfache Formel, stiften Unfrieden, schlichte Humanität dagegen Frieden.

Der Teufel, so wird gezeigt, hat eine längere berufliche Laufbahn hinter sich: Im Alten Testament wird er selten genannt und ist noch eine Art Lizenzträger Gottes, ein Vollzugsbeamter des himmlischen Hofes im Außendienst. Viele Namen, die später immer dasselbe teuflische Wesen bezeichnen, bedeuten anfangs noch durchaus verschiedene, wenn auch im Kern ähnliche Wesen: Teufel (Diabolos), Satan, Belial, Mastema, Beelzebul, der Feind, der Böse, der Versucher, der rote Drache.

Nicht erst bei den frühen Christen, sondern schon im Frühjudentum werden Gegner mit dem Teufel identifiziert, wenn etwa in der sogenannten "Sektenregel" von Qumran der Ausdruck "Kinder Belials" zur Bezeichnung anderer Juden wird. Der Teufel wird hier, so Elaine Pagels, zum Gegner Gottes systematisch aufgebaut und regiert - das ist das Wichtige - in den Herzen anderer Menschen und damit "durch sie". Immer kommen solcherart verteufelte Menschen ursprünglich aus demselben Lager wie ihre Gegner.

Zwar erwähnt Elaine Pagels die Stellen, nach denen Jesus durch seine jüdischen Gegner verteufelt wird, etwa indem sie sagen, er sei von Beelzebul besessen oder er habe einen Dämon und sei deswegen wohl Samaritaner; aber es lohnt, bei diesen Texten etwas länger zu verweilen. Denn dieser Streit und diese Anschuldigungen betreffen das Problem der charismatischen Legitimität Jesu. Ist seine Vollmacht von Gott oder von der Gegenseite? Muß man nicht wirklich diese Frage stellen und für sich beantworten, wes Geistes Kind Jesus ist? Geht es nicht bei Propheten, Gurus und ihresgleichen immer um die Frage, ob das, was sie darstellen und vorstellen, was sie verheißen und so überzeugend verkünden, ein Weg zum Tod oder ein Weg zum Leben ist? Wer dagegen nur dazu aufruft, man solle sich doch vertragen und alles Andersdenken prinzipiell stehenlassen, hat die wahrhaft fürchterlichen Dimensionen des Dämonischen kaum begriffen.

Dieser Vorwurf muß Frau Pagels leider gemacht werden, und so gewinnt die Botschaft ihres Buches nicht nur kirchliche, sondern politische Dimensionen. Es stimmt ja einfach nicht, daß alle Katzen grau und jede Häresie oder Ketzerei in Ordnung wären. Dabei ist es eher nebensächlich, ob man sich den Teufel in der Standardausführung mit Hörnern, Schwanz und Pferdefuß denkt (was im biblischen und frühchristlichen Zeitalter nie geschieht) oder ob man vom abgründig Bösen spricht, was uns näher liegt, da wir mit Personifizierungen nicht so großzügig umgehen wie Altertum und Mittelalter. Man muß einen feigen und gemeinen Mord schlechthin böse nennen dürfen. Und wenn und insofern jemand so handelt, steht er auf der Seite des abgründig Bösen - das ist der konkrete Sinn der personifizierenden Redeweise.

Von daher wird sehr wohl verständlich, daß im Johannesevangelium von den Mördern Jesu gesagt wird, der Teufel sei ihr Vater. Das ist nicht Antisemitismus oder Verteufelung Andersdenkender. Sondern es ist so gemeint: Wer mordet oder sich auf die Seite der Mörder stellt, ahmt den Teufel als den "Menschenmörder von Anfang an" nach und hat ihn deshalb zum Vater, weil Kinder eben die Väter nachahmen. Die Rede von Tätern als "teuflisch" ist daher nicht primitive Unduldsamkeit, sondern durchaus aufklärerisch.

Auch gibt es jede Menge Häresien, leider nicht alle, bei deren Bekämpfung die Kirche einen vorzüglichen Instinkt bewiesen hat. Wer von den modernen Ketzersympathisanten würde zum Beispiel die Leibfeindlichkeit der Katharer, die allen späteren Ketzern ihren Namen gaben, auch nur für einen Tag ertragen wollen?

Nun könnte man sagen: Standpunkte darf man ablehnen - aber Menschen verteufeln? Auch da müßte man wieder bei Jesus selbst anfangen. Was ist in ihn gefahren, daß er, so die Stelle "echt" ist, seinen Hauptapostel Petrus verteufelt, indem er ihn anredet: "Weiche von mir, Satan"? Gerade an dieser Stelle wird ein fundamentaler Unterschied zu unserem neuzeitlichen Denken offenbar, den Elaine Pagels nicht bemerkt: Weil sich das, was jemand "ist", immer in seinen Taten äußert, gibt es keinen Menschen "an sich". Wenn daher jemand "Teufel" genannt wird, dann nur wenn und insofern er etwas Bestimmtes tut. Taten gibt es nicht ohne Täter, aber diese sind damit nicht selbst für ewig gebrandmarkt. Sie können davon lassen und auf die andere Seite treten. Lukas bietet auch hier eine Brücke für unser Verstehen, wenn er von teuflischer Inspiration redet. Es ist eben keine Seinsaussage über die Persönlichkeit eines bestimmten Menschen gemeint.

Das übrige ist schnell erzählt: Bis hin zu den Kirchenlehrern des dritten Jahrhunderts listet Elaine Pagels die wichtigeren Stellen auf, in denen "Gegner" verteufelt werden. Die Stellen selbst werden äußerst knapp behandelt, dazwischen liegen seitenlange Nacherzählungen von Texten, die nicht zum Thema gehören und die teuflisch langweilig sind.

Die Übersetzung ist laienhaft. Sicheres Indiz ist für dieses Fachgebiet die sogenannte Origenes-Falle, in die der Übersetzer immer wieder tappt, da er konstant "Origines" schreibt. Der Leser muß mit Platonisten statt Platonikern, mit "innersten Feinden" statt mit Intimfeinden, mit einem "revisionistischen" Autor des Jubiläenbuches, der ein "außerordentlich apokryphes Buch" geschrieben habe, vorliebnehmen. Die Mischna ist weiß Gott keine "Urkundensammlung", und was sind "besinnungslose Liebschaften" mit Haussklaven? Der Teufel also, das mag dieses Buch im ganzen zeigen, ist so schnell nicht auszutreiben. Allem Anschein nach ist er von einer Raffinesse, der sich nicht einmal gestandene Gnosisforscherinnen ganz entziehen können.

Elaine Pagels: "Satans Ursprung". Aus dem Amerikanischen von Jens Hagestedt. Berlin Verlag, Berlin 1996. 287 S., geb., 39,80 DM.

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