20,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 6-10 Tagen
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Das bunt zusammengesetzte Volk will endlich von einem König geeint und angeführt werden. Widerwillig erfüllt Gott ihm den Wunsch und lässt den jungen Saul zum Herrscher ausrufen, der anfangs umjubelte Erfolge feiert: Er gewinnt Kriege und gründet einen fest gefügten Staat, dessen Macht er stetig ausbaut. Doch immer mehr wird Saul von Selbstzweifeln geplagt, immer fataler bestimmen Misstrauen, Schwermut und Jähzorn sein Handeln. Er, der der Ursprung der neuen Ordnung ist - dem Wechsel von der Theokratie zur Monarchie -, wird zunehmend zu ihrer größten Gefahr. Gott muss erkennen, dass er die…mehr

Produktbeschreibung
Das bunt zusammengesetzte Volk will endlich von einem König geeint und angeführt werden. Widerwillig erfüllt Gott ihm den Wunsch und lässt den jungen Saul zum Herrscher ausrufen, der anfangs umjubelte Erfolge feiert: Er gewinnt Kriege und gründet einen fest gefügten Staat, dessen Macht er stetig ausbaut. Doch immer mehr wird Saul von Selbstzweifeln geplagt, immer fataler bestimmen Misstrauen, Schwermut und Jähzorn sein Handeln. Er, der der Ursprung der neuen Ordnung ist - dem Wechsel von der Theokratie zur Monarchie -, wird zunehmend zu ihrer größten Gefahr. Gott muss erkennen, dass er die falsche Wahl getroffen hat, und nicht nur ihn reut seine Entscheidung, die zur Folge hatte, dass die alte Einheit zwischen ihm und den Menschen endgültig entzweit wurde.
Botho Strauß verdichtet die biblische Erzählung aus dem 1. Buch Samuel zum eindringlichen Porträt eines Menschen, der zerrissen wird von der ihm schicksalhaft zugeteilten Aufgabe, den in ihn gesetzten Erwartungen und den Grenzen seiner Fähigkeiten. In einer beeindruckend klaren und gleichzeitig hoch poetischen Sprache zeigt "Saul" die Geburt der Tragödie aus dem Geist des Alten Testaments.
Autorenporträt
Botho Strauß, geboren 1944 in Naumburg/Saale, zählt zu den bedeutendsten Dramatikern und Essayisten unserer Zeit. Sein Werk wurde mit vielen Preisen gewürdigt, darunter auch mit dem Büchner-Preis. Er lebt in der Uckermark und in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.2019

Die Phantome des Zeichners

Was wäre wohl geschehen, wenn er den Nobelpreis bekommen hätte? Botho Strauß wird am Montag fünfundsiebzig. Und bringt zwei neue Bücher heraus

Von Andreas Kilb

In den letzten Wochen ertappte man sich manchmal bei dem Gedanken, was wohl passiert wäre, wenn anstelle von Peter Handke der andere große deutschsprachige Schriftsteller seiner Generation in diesem Jahr den Nobelpreis bekommen hätte: Botho Strauß. Hätten die Kritiker, die Kulturfunktionäre, die anderen Schriftsteller auch ihm den Prozess gemacht, politisch wie moralisch? Hätte man auch ihm vorgeworfen, was er vor fünf, vor zehn, vor fünfundzwanzig Jahren geschrieben hat?

Ja, doch, genau das wäre wohl passiert. Und es hätte keinen Mangel an Belegen gegeben, die gegen den in Alfred Nobels Testament geforderten Menschheitsnutzen und die "idealische Richtung" von Strauß' Büchern und Schriften gesprochen hätten. Denken wir nur an den inzwischen legendären, vor sechsundzwanzig Jahren im "Spiegel" erschienenen "Anschwellenden Bocksgesang" und seine Tiraden gegen "die Verhöhnung des Eros, die Verhöhnung des Soldaten, die Verhöhnung von Kirche, Tradition und Autorität", gegen die Intellektuellen, die "freundlich zum Fremden" und "grimmig gegen das Unsere" seien, gegen den "Demokratismus" der Demokratie. Oder die zwischen Klage und Philippika schwankende "Glosse" zum Flüchtlingsstrom - "die Flutung des Landes mit Fremden" - des Jahres 2015, in der Strauß die "politisierte Schmerzlosigkeit" anprangert, "mit der man die Selbstaufgabe befürwortet, zum Programm erhebt".

Und dann die Prosabände, die Erzählungen, von "Paare Passanten" bis "Wohnen, Dämmern, Lügen", von "Die Fehler des Kopisten" bis "Oniritti", mit ihren immer wiederkehrenden Nackenschlägen gegen die Mobilen und Beschleunigten, die Gegenwartsnarren, die Seinsvergessenen unserer Tage, gegen den Kritizismus, der alles Heilige und Große zum Talkshow-Thema macht, gegen Genderbeauftragte, Konsenswächter, Smartphone-Plapperer, die ganze miese Massenkonsumgesellschaft auf der Mattscheibe und auf den Straßen. Die Menschheit als Flachwasserschwarm: "Es verbuttet das Kind, das Tier, der Greis und das Liebespaar. Es verbutten die Onliner mit Übergewicht. Noch mehr mehlige Gesichter und Mehlspeisgelichter, flache Köpfe, Gründlinge kriechend."

Aber was hätten die Ankläger, ebenjene Kritikaster, denen Strauß alle Naselang seine Verachtung bezeugt, damit eigentlich bewiesen? Ziemlich wenig. Denn von politischer Parteinahme, gar von persönlicher Bekanntschaft mit Mordgesellen und Kriegstreibern wie bei Handke kann bei Strauß keine Rede sein. Nie hat er einem Höcke die Hand gereicht, nie sich von braunen Verlegern für deren Zwecke einspannen lassen. Strauß verteilt seinen Menschenhass gleichmäßig nach allen Seiten, und die Rechten mit ihrem Kantinenpatriotismus - "als gäbe es noch Deutsche und Deutsches außerhalb der oberflächlichsten sozialen Bestimmungen" - bekommen dabei ihr gerüttelt Maß ab. Über den gerade wieder auflebenden Antisemitismus hat er schon Anfang der achtziger Jahre das Nötige gesagt: "Wenn man die plötzliche Hassbelebung bemerkt, die bei den sehr jungen nicht seltener ist als bei den älteren, erprobten Rassisten, könnte man den Eindruck gewinnen, als habe das deutsche Gemütsleben seit langer Zeit im Wesentlichen aus einer Lücke bestanden; nichts vom bunten Allerlei, das hineintraf, konnte diese erfüllen, nichts regte sich; erst wenn der Fremdenhass hineintrifft, spürt man sofort: Passt!" Man liest "Paare, Passanten" und reibt sich die Augen: Damals schon? Damals schon!

Im politischen Spektrum der Gegenwart hat Botho Strauß also keinen Platz; im literarischen (jedenfalls wenn man die Long- und Shortlists der einschlägigen Buchpreise anschaut) genauso wenig. Vor vierzig Jahren hat Marcel Reich-Ranicki ihm vorhergesagt, er werde einmal den Roman seiner Generation schreiben, und dieser Satz ist bis heute an ihm hängengeblieben. Aber Strauß hat diesen Roman nicht geschrieben, nicht im "Jungen Mann" von 1984, der eine Sammlung von Romananfängen war, und auch in keinem anderen Buch seither. Aber die Erwartungen von einst wirken immer noch nach - wie stark, das zeigt das überschwängliche Lob, mit dem die Kritiker das Erinnerungsbuch "Herkunft" bedachten, Strauß' ersten längeren Prosatext seit drei Jahrzehnten. Es war, als wäre die Verheißung des Großschriftstellers noch einmal aufgeblitzt: kein Epochenroman, aber immerhin ein Abglanz davon.

Doch es hilft nichts: Die Form, mit der sich Botho Strauß in die Geschichte der deutschen Literatur eingeschrieben hat, die Form, die er beherrscht wie kein anderer vor ihm, ist nicht der Roman. Und es ist (trotz glanzvoller Beispiele in "Niemand anderes" oder in "Die Nacht mit Alice") auch nicht die Erzählung. Es ist der Schnappschuss, das Fragment.

Etwa dieses hier, aus seinem neuen Prosaband "zu oft umsonst gelächelt": "Fünfzehn Jahre lang verkehrte C. im Hause seines Kollegen P. und fand sich dort einmal die Woche zu einem jour fixe ein, zusammen mit anderen Mediävisten und Philologen, fünfzehn Jahre lang. Doch eines Tages erhob sich die Frau des Gastgebers mit einem vorher nie gezeigten Hüftschwung vom Tisch, worüber es zwischen ihr und C. zu einem gleichzeitigen Lächeln kam, und auf der Stelle verliebten sie sich ineinander. Nach fünfzehn Jahren des beiläufigsten Umgangs waren sie von einem Tag auf den anderen Jungverliebte und vergaßen beinahe alles, was sie voneinander gewohnt waren und was so lange die stabile Grundlage ihrer Gleichgültigkeit ausgemacht hatte. Wie es anders nicht kommen konnte, nahm C. P.s Frau zu sich, und der ganze Kreis fiel auseinander."

Oder noch kürzer: "Weißkamp, ein Liebestrottel. Er gibt einen Handkuss auf die Pfote einer korpulenten jungen Mitarbeiterin, die sogleich ihre geküsste Hand gegen ihn erhebt, indem sie zwei schlaffe Säckchen Tee in die Luft hält und sie zweideutig baumeln lässt vor seinen Augen."

Es ist nicht klar (und auch nicht wichtig), ob diese Miniaturen, von denen es in "Zu oft umsonst gelächelt" ungefähr fünfzig gibt, selbst beobachtete, von anderen erzählte oder erfundene Geschichten sind. Wichtig ist, dass sie im Augenblick des Erzählens bei Strauß zu beobachteten werden. Der Hüftschwung, das wechselseitige Lächeln, das kippende Machtverhältnis zwischen Chef und Mitarbeiterin - das alles ist so scharf gezeichnet, dass man es vor sich sieht wie eine Straßenszene von Cartier-Bresson.

Fortsetzung auf Seite 38

In der Geschichte von C. und der Frau seines Gastgebers füllt sich dieser Moment noch mit der Dauer der zuvor vergangenen und in ihm umgewendeten Zeit. Das Bild bekommt eine Tiefe, die es nur in der Literatur geben kann.

"Was bleibt mir von der Welt als nur die Episode?" So fragt in dem neuen Buch "der alte Romancier", dessen Auftritte eine Art Leitfaden durch das Labyrinth der Prosa bilden, seinen jüngeren Kollegen. Der Alte ist eine der vielen halb autobiographischen Spielfiguren, hinter denen sich Strauß gern in seinen Büchern versteckt. Hier ist das Spiel durchsichtig: Aus dem Romancier "mit dem dünnen rotblonden Haar" spricht Botho Strauß. "Der Menschen Kleinigkeiten musste ich erfinden." - "Erfolg brauche ich nicht mehr." - "Die späte Fantasie eines Zeichners . . . spielt zunächst im Rahmen dessen, was man seit jeher von ihm kennt - und entführt dann unverhofft aus diesem Rahmen hinaus. Auf jedem Blatt kommt nun ein tieferes zum Durchschein."

Dieses tiefere Blatt, das "Wasserzeichen" der Texte, wie es an anderer Stelle heißt, ist ein Memento mori, ein Symbol der Vergänglichkeit. Nicht wenige der neuen Erzählminiaturen handeln von Krankheit und Tod. Da ist der Mann, der das Sterben seiner Frau nicht wahrhaben will: "Sie liebt ihn aber um so mehr, je zärtlicher und unbeugsamer er ihre Lage verkennt." Und jener andere, der die Liebe, die er vor seiner Frau verbirgt, einem Tagebuch anvertraut, das er ihr vererben will, aber dann stirbt sie vor ihm, und er zerbricht an seinem Versäumnis: "Er krümmt sich betäubt in eine Kuhle am Strand, bis das Meer ihn hinwegspült."

In früheren Büchern, zuletzt in "Der Fortführer", wechselten sich solche glühenden Skizzen immer wieder mit Passagen ab, in denen Strauß seine Verachtung für Medien und Menschen in ätzende Prosa goss. Diesmal fehlen sie, von Ausnahmen wie der beinahe routinierten Spitze gegen die "Verglimpflichungstechnik" des Beziehungsgeredes abgesehen, fast ganz. Dem Straußschen Wimmelbild, könnte man sagen, ist die Grundierung abhandengekommen. Aber dieses Fehlen ist kein Verlust, sondern eine Befreiung. Es entlässt die Geschichten aus der Pflicht, irgendetwas beweisen zu müssen. Sie sind nur noch, was sie sind, Spuren des Daseins. Der Hotelbalkon in Granada, auf dem der Vater mit seinem kleinen Sohn das Feuerwerk über der Alhambra betrachtet, während seine fiebernde Frau im Bett nur an ihren Geliebten, einen "Radiomann", denkt, ist so real wie die Trennungsszene in der Parkbucht in Berlin, an deren Ende die Betrogene ihren gesamten Schmuck vom Körper zieht und ihn dem Betrüger wortlos auf den Beifahrersitz legt: "Schlägt die Tür zu und geht im Regen davon."

Man wird süchtig nach diesen Momentaufnahmen, gerade weil sie nie das vollständige Bild zeigen - an die leeren Stellen, die ausfransenden Ränder lagert sich die eigene Erfahrung an, so dass man beim Lesen auch immer sich selbst mitliest, aus dem Erinnerungsvorrat ergänzend, was der Autor ausgelassen hat. Man möchte dem "alten Romancier" deshalb widersprechen, wenn er am Anfang des Buchs die "Zeugschwäche der Worte" beklagt: "Dass sie nichts mehr hervorrufen, keine Farbe, keine Stimmung . . .; dass sie keinen Lichthof, keine Resonanz mehr haben." Das alles, Stimmung, Farbe und Licht, besitzt dieser Band wie sonst nur wenige unter den Neuerscheinungen der letzten Jahre.

Am Montag wird Strauß fünfundsiebzig Jahre alt. Vor einem Jahr ist er vom Hanser-Verlag zu Rowohlt gewechselt, darum erscheint sein zweites neues Werk "Saul" jetzt dort. Es ist ein Libretto über den biblischen König Saul, den Vorgänger Davids, geschrieben für den Komponisten Wolfgang Rihm, und was für die Prosastücke in "zu oft umsonst gelächelt" nicht gilt, das gilt hier: Man liest diese feinfühlig rhythmisierten Monologe und Wechselreden ohne Bewegung, ohne Resonanz. Sie sind kein "leeres, vergebliches Schattengetuschel", aber doch schattenhaft genug. Vielleicht fehlt ihnen auch nur die Musik.

Peter Handke übrigens weiß genau, wem außer sich selbst er den Nobelpreis gegönnt hätte. Von der "Zeit" befragt, antwortet er: "Mit Botho Strauß zum Beispiel wäre ich einverstanden gewesen." Einverstanden.

Botho Strauß: "zu oft umsonst gelächelt", Hanser, 220 Seiten, 22 Euro; "Saul", Rowohlt, 92 Seiten, 20 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
Botho Strauß ist ein Glück für alle wagemutigen Leser, die nicht bestätigt sehen möchten, was sie ohnehin denken. Ulrich Greiner Die Zeit