„Sonnenallee“ meets „Die Verschwörung“
„Wir gehen nicht weg. Wir bauen dieses Land um.“ (S. 88) ist das Credo der meisten Montagsdemonstranten im Herbst 1989. Zu ihnen gehört auch Nadja, die neu in Berlin ist und Journalistin werden will. Zur Zeit schreibt sie für die Untergrundzeitung „Die
Brücke“. Ihr letzter Artikel handelte von den verschwiegenen Mauertoten. Klar, dass die Brücke-Gruppe…mehr„Sonnenallee“ meets „Die Verschwörung“
„Wir gehen nicht weg. Wir bauen dieses Land um.“ (S. 88) ist das Credo der meisten Montagsdemonstranten im Herbst 1989. Zu ihnen gehört auch Nadja, die neu in Berlin ist und Journalistin werden will. Zur Zeit schreibt sie für die Untergrundzeitung „Die Brücke“. Ihr letzter Artikel handelte von den verschwiegenen Mauertoten. Klar, dass die Brücke-Gruppe Angst vor der Stasi hat. Als nach einer Demo Rene, ihr Fotograf, verschwunden ist, bittet Nadja Juri um Hilfe. Der ist Volkpolizist und wohnt in dem Haus, in dem sie gerade eine Wohnung besetzt hat. Juri sagt nein, doch dann wird Nadja beinahe überfahren ...
Stefan Keller erzählt in „Schabowskis Zettel“, wie es auch zur Öffnung der Grenze und damit zum Ende der DDR hätte kommen können.
Juri ist ein ganz normaler Volkpolizist. Seit seiner Kindheit hat er von diesem Beruf geträumt. Er sieht sich als „Freund und Helfer“ der Bürger seines Staates. Und auch wenn es in der DDR zur Zeit nicht so gut läuft und inzwischen Hunderttausende auf die Straße gehen, glaubt er doch an den Sozialismus.
Nadja wollte eigentlich Journalismus studieren und arbeitet jetzt in einem Chemiewerk. Sie träumt von einer Reise nach Paris und dass sie doch noch studieren kann. Dafür geht sie auf die Straße. Die wenigsten Demonstranten wollen das Ende der DDR, sie wollen nur mehr Freiheiten, Alternativen.
Bei einer Demo stehen sich Nadja und Juri plötzlich gegenüber.
Die Geschichte wird abwechselnd aus Nadjas und Juris Sicht erzählt, dadurch ist man immer ganz nah am Geschehen, spürt ihre Sehnsüchte und Ängste. Als Nadja ins Visier der Stasi rückt erkennt Juri, dass das System so nicht mehr funktioniert und seine Ansichten ändern sich rapide. „Der Sozialismus ... ist tot. ... Die DDR ist pleite und die Bosse raffen es nicht. Der ganze Karren fährt spätestens in drei Monaten gegen die Wand.“ (S. 103)
Stefan Keller schreibt sehr spannend und erhöht systematisch das Tempo. Juris Suche nach einem Ausweg für Nadja wird zum Wettlauf gegen die Suche der Stasi nach ihr. Wer ist schneller und wird am Ende gewinnen?
Ich bin in der DDR aufgewachsen und habe viele Situationen wiedererkannt. Meine Eltern haben z.B. genau wie Nadja ihre erste Wohnung nur dadurch bekommen, dass sie sie einfach besetzt haben. 1989 war ich 14 und habe Wendezeit bewusst erlebt. Die Gänsehaut von damals ist beim Lesen sofort wieder da.
Sehr spannender Wende-Roman (für mich schon ein Krimi ;-)) auch für alle, die diese Zeit damals nicht selbst miterlebt haben.