Eine der ersten Shakespeare-Gesamtausgaben. Der längste in Deutschland aufbewahrte Papyrus. Die älteste Hänneschen-Puppe. Das kleinste Buch der Antike. Die Universität Köln verfügt über zahlreiche Kostbarkeiten, von denen die wenigsten öffentlich bekannt sind. Dieses Buch schafft Abhilfe. Es ist ein Streifzug durch die Magazine und Sammlungen - und dabei spannend wie eine Schatzsuche. Man staunt, aber noch mehr wundert man sich. Ein Vogelnest aus der Sammlung von Ferdinand Franz Wallraf, ein Stück vom Mond, ein Ablassplakat aus Luthers Zeit und die gesamte Ausstattung der Gästetoilette des Kunstsammlers Wolfgang Hahn - wer hätte das hier vermutet? Und wer wollte nicht wissen, was sich hinter den "lügenden Steinen" und dem "Kettensägen-Controller" verbirgt? Mehr als 50 Objekte werden jeweils anhand einer farbigen Abbildung und eines pointierten Textes vorgestellt. So erweist sich der Blick hinter die Kulissen des akademischen Kosmos als ungemein anregend und unterhaltsam.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.01.2020Alter Kölner Liebeszauber
Eine Universität ist vieles, aber zunächst einmal ein ganz realer Ort, an dem Wissenschaft nicht nur praktiziert, sondern gelebt wird. Was man hier kennen muss, wird oft nur mündlich tradiert. Initiiert durch den Theaterwissenschaftler Peter W. Marx und den Direktor der Universitätsund Stadtbibliothek Köln, Hubertus Neuhausen, legt die größte deutsche Präsenzuniversität nun immerhin eine Art wilde Schatzkarte vor, die von Kostbarkeit zu Kostbarkeit führt.
Neben wertvoller Tresorware sind das Insignien akademischer Praxis, Rätselobjekte, Memorabilia und profane Wohlfühloasen wie die unverwüstliche italienische Kaffeebude auf dem Albertus-Magnus-Platz. Man erfährt Näheres über das 180 Millionen Jahre alte Ichthyosaurier-Fossil im Besitz des Geologischen Instituts, über Kölner Mundartbibeln, die noch vor Luthers Übersetzung gedruckt wurden, teure Teilchenbeschleuniger, ein altägyptisches Leinentuch mit Liebeszauber, eine Scheibe Mondgestein, die Basler Tauler-Ausgabe von 1521, ein unlängst (in einem Einband) entdecktes Ablassplakat aus dem Kölner Dom (um 1515), den von Konrad Adenauer gestifteten silbernen Rektorbecher (Mittelalterkitsch) oder ein frühneuzeitliches Kochbuch mit Bärenrezepten. Auch einen extrem langen Totenbuch-Papyrus aus dem Jahr 600 v. Chr. nennt die Universität ihr Eigen, ebenso eine der raren Erstausgaben von Shakespeares Gesamtwerk ("First Folio" von 1623) und das kleinste Buch der Antike, einen nur wenige Zentimeter messenden Codex über die Jugend des Religionsstifters Mani.
Nicht weniger interessant als all die Schriften, Skulpturen und Fossilien (darunter berühmte Fälschungen) sind Kuriosa wie ein rosenkranzartiges Orchidometer, das der Bestimmung der Hodengröße Heranwachsender diente, das Toilettenkabinett des Kölner Kunstsammlers Wolfgang Hahn oder ein Playstation-2-Controller in Kettensägenoptik. Jedes dieser Objekte erzählt eine Geschichte vom Staunen zum Wissen und zurück. Das bunte Durcheinander ist dabei eine schöne Zugabe. So zieht einen der großformatige Bildband nicht nur in ein universitäres Biotop hinein, sondern führt ganz plastisch vor Augen, wie sich Wissen innerhalb eines "Parcours von Anekdoten" verorten lässt.
OLIVER JUNGEN.
Peter W. Marx und Hubertus Neuhausen: "Schätze der Universität zu Köln". Greven Verlag, Köln 2019. 232 S., Abb., geb., 28,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Universität ist vieles, aber zunächst einmal ein ganz realer Ort, an dem Wissenschaft nicht nur praktiziert, sondern gelebt wird. Was man hier kennen muss, wird oft nur mündlich tradiert. Initiiert durch den Theaterwissenschaftler Peter W. Marx und den Direktor der Universitätsund Stadtbibliothek Köln, Hubertus Neuhausen, legt die größte deutsche Präsenzuniversität nun immerhin eine Art wilde Schatzkarte vor, die von Kostbarkeit zu Kostbarkeit führt.
Neben wertvoller Tresorware sind das Insignien akademischer Praxis, Rätselobjekte, Memorabilia und profane Wohlfühloasen wie die unverwüstliche italienische Kaffeebude auf dem Albertus-Magnus-Platz. Man erfährt Näheres über das 180 Millionen Jahre alte Ichthyosaurier-Fossil im Besitz des Geologischen Instituts, über Kölner Mundartbibeln, die noch vor Luthers Übersetzung gedruckt wurden, teure Teilchenbeschleuniger, ein altägyptisches Leinentuch mit Liebeszauber, eine Scheibe Mondgestein, die Basler Tauler-Ausgabe von 1521, ein unlängst (in einem Einband) entdecktes Ablassplakat aus dem Kölner Dom (um 1515), den von Konrad Adenauer gestifteten silbernen Rektorbecher (Mittelalterkitsch) oder ein frühneuzeitliches Kochbuch mit Bärenrezepten. Auch einen extrem langen Totenbuch-Papyrus aus dem Jahr 600 v. Chr. nennt die Universität ihr Eigen, ebenso eine der raren Erstausgaben von Shakespeares Gesamtwerk ("First Folio" von 1623) und das kleinste Buch der Antike, einen nur wenige Zentimeter messenden Codex über die Jugend des Religionsstifters Mani.
Nicht weniger interessant als all die Schriften, Skulpturen und Fossilien (darunter berühmte Fälschungen) sind Kuriosa wie ein rosenkranzartiges Orchidometer, das der Bestimmung der Hodengröße Heranwachsender diente, das Toilettenkabinett des Kölner Kunstsammlers Wolfgang Hahn oder ein Playstation-2-Controller in Kettensägenoptik. Jedes dieser Objekte erzählt eine Geschichte vom Staunen zum Wissen und zurück. Das bunte Durcheinander ist dabei eine schöne Zugabe. So zieht einen der großformatige Bildband nicht nur in ein universitäres Biotop hinein, sondern führt ganz plastisch vor Augen, wie sich Wissen innerhalb eines "Parcours von Anekdoten" verorten lässt.
OLIVER JUNGEN.
Peter W. Marx und Hubertus Neuhausen: "Schätze der Universität zu Köln". Greven Verlag, Köln 2019. 232 S., Abb., geb., 28,- [Euro].
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