"Scham ist der große Stillmacher", schreibt Lea Schneider, und arbeitet in ihrem Essay gegen die SCHAM, mit der SCHAM, trotz der SCHAM an Sprech- und Sprachfähigkeiten im Gedicht. "Scham ist ansteckend", schreibt Lea Schneider, und nähert sich ihr an. Der SCHAM und der Ansteckung. "Scham ist ein Wissen, das dem Körper gehört", schreibt Lea Schneider, und sie macht den Körper verhandelbar. Lea Schneider befragt die Scham als ein Machtinstrument, das domestiziert und unterdrückt - aber auch als ein Potenzial, das Werkzeug oder Waffe sein kann. Sie erkundet die Kompliz_innen der Scham: Gender, Sexualität, vor allem aber die Konvention, sich anderen gegenüber niemals bedürftig zu zeigen. In Gedichten findet Lea Schneider etwas anderes: Die Möglichkeit, Scham umzuformulieren, in Offenheit, Interesse und Begegnung mit dem eigenen Begehren und dem der anderen. Scham zu bewohnen, sich radikal verletzbar zu machen, wird zu einem Modus der Kritik, des Vertrauens und Zutrauens. Ein Plädoyer, die SCHAM neu zu denken, SCHAM überhaupt zu denken.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Fritz Göttler empfiehlt den kleinen Band der Lyrikerin Lea Schneider. Angehende Autoren etwa können laut Göttler hier lernen, den angelernten "Panzer" aus literarischer Ironie und Spielerei abzulegen und wieder schamvoll zu sein, Verletzlichkeit zu zeigen. Schneider berichtet von diesem Vorgang laut Rezensent als von einer Läuterung. Wie die Autorin selbst dem "Kanon der Konformität" entkam, zu dem man ihr riet und den sie im Buch noch einmal rekapituliert, berichtet Schneider laut Göttler mit besonderer Beachtung der Emotionen, des Körpers und der Sprache und durch die Zergliederung "fester" Begriffe wie Subjekt, Individuum und Rationalität.
© Perlentaucher Medien GmbH
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