Diese Studie behandelt ein kulturelles Phänomen in der südkoreanischen politischen Auseinandersetzung der 1970er und 1980er Jahre: Der Schamanismus, der bis dahin als Aberglaube für primitiv gehalten und in der Öffentlichkeit verschwiegen wurde, tauchte unerwartet in der studentischen Protestbewegung auf. Im kulturellen Diskurs und in angewandter theatralischer, tanzritueller Form wurde die religiöse Kultur als geistige Ideologie und als praktisches Mittel für Protestaktionen wiedergeboren. In diesem Band wird dem Leser der außergewöhnliche Zusammenhang zwischen dem Schamanismus und dem politischen Protest sowohl aus kulturideologischer als auch theatralisch-ritueller Perspektive verdeutlicht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.03.2010Ritualisierte Revolte
Hee Seok Park beleuchtet in seinem Buch die studentische Protestkultur als treibende Kraft der Demokratiebewegung Südkoreas unter den autoritären Regimes in den siebziger und achtziger Jahren. In ihr fanden sich Elemente des Schamanismus als Praxis rituell inszenierter Gesellschaftskritik wieder. Der Schamanismus fungierte als verbindende religiöse Formel der geteilten Nation. Aus dem alten Maskentanz entwickelte sich dabei das "Madang-Theater". Zu Beginn der Vorstellung wurde auf der offenen Bühne des Campus ein Schamanenritual aufgeführt, samt Geisteranrufung, Versuchung und Katharsis. So wurden die Geister von Anführern historischer Bauernaufstände beschworen, um ihnen das Leid der unter amerikanischen Importen und Preisstürzen leidenden Bauern zu klagen, oder Geister von Generälen, die ausländische Invasoren abgewehrt haben. Seit dem Massaker beim Aufstand in Kwangju 1980 vollzogen Studenten als Präludium der Proteste unbeirrt ein Ritual für Totenseelen. In einem Ritualtanz wurden dabei von einer als Schamanin auftretenden Schauspielerin mit Zuckungen und Windungen Schläge, Elektroschocks und der Tod, aber auch eine Wiederauferstehung angezeigt - und die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass die Seele des Verstorbenen den Kampf gegen Tyrannei unterstützen wird. (Hee Seok Park: "Schamanismus ohne Magie". Seine ideelle Rolle und praktische Funktion in der südkoreanischen Protestbewegung. Erfurter Reihe zur Geschichte Asiens, Band 9. Iudicium Verlag, München 2009. 213 S., br., 22,- [Euro].) sg
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Hee Seok Park beleuchtet in seinem Buch die studentische Protestkultur als treibende Kraft der Demokratiebewegung Südkoreas unter den autoritären Regimes in den siebziger und achtziger Jahren. In ihr fanden sich Elemente des Schamanismus als Praxis rituell inszenierter Gesellschaftskritik wieder. Der Schamanismus fungierte als verbindende religiöse Formel der geteilten Nation. Aus dem alten Maskentanz entwickelte sich dabei das "Madang-Theater". Zu Beginn der Vorstellung wurde auf der offenen Bühne des Campus ein Schamanenritual aufgeführt, samt Geisteranrufung, Versuchung und Katharsis. So wurden die Geister von Anführern historischer Bauernaufstände beschworen, um ihnen das Leid der unter amerikanischen Importen und Preisstürzen leidenden Bauern zu klagen, oder Geister von Generälen, die ausländische Invasoren abgewehrt haben. Seit dem Massaker beim Aufstand in Kwangju 1980 vollzogen Studenten als Präludium der Proteste unbeirrt ein Ritual für Totenseelen. In einem Ritualtanz wurden dabei von einer als Schamanin auftretenden Schauspielerin mit Zuckungen und Windungen Schläge, Elektroschocks und der Tod, aber auch eine Wiederauferstehung angezeigt - und die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass die Seele des Verstorbenen den Kampf gegen Tyrannei unterstützen wird. (Hee Seok Park: "Schamanismus ohne Magie". Seine ideelle Rolle und praktische Funktion in der südkoreanischen Protestbewegung. Erfurter Reihe zur Geschichte Asiens, Band 9. Iudicium Verlag, München 2009. 213 S., br., 22,- [Euro].) sg
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