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Kein Frontalangriff, Nebenschauplätze sind es, über denen sich etwas zusammenbraut: Scharmützelwetter. Angriffs- und streitlustig wird ein Fluch ausgestoßen, eine Verstrickung aufgetrennt, kranke Fürsorge abgewiesen - ein lyrisches Ich entledigt sich des Gehorsams und erklärt sich zur Herrin der Lage. Wortwechsel mit Folgen. Eine souveräne Ironie ist dabei Wortführerin der Verse, angetrieben vom Sehnen und Hadern einer ernüchtert Liebenden, die vom Paradiesapfel weiß: »Diese Frucht verführt zu nichts als dem Ende. / Eine simple Sorte Gala / eröffnete die Vertreibung.« Saskia Fischers Gedichte…mehr

Produktbeschreibung
Kein Frontalangriff, Nebenschauplätze sind es, über denen sich etwas zusammenbraut: Scharmützelwetter. Angriffs- und streitlustig wird ein Fluch ausgestoßen, eine Verstrickung aufgetrennt, kranke Fürsorge abgewiesen - ein lyrisches Ich entledigt sich des Gehorsams und erklärt sich zur Herrin der Lage. Wortwechsel mit Folgen. Eine souveräne Ironie ist dabei Wortführerin der Verse, angetrieben vom Sehnen und Hadern einer ernüchtert Liebenden, die vom Paradiesapfel weiß: »Diese Frucht verführt zu nichts als dem Ende. / Eine simple Sorte Gala / eröffnete die Vertreibung.« Saskia Fischers Gedichte sind erfahrungsgesättigt unsentimental, sehr gegenwärtig und unprätentiös.
Autorenporträt
Fischer, SaskiaSaskia Fischer wurde 1971 in Schlema im Erzgebirge geboren. 1986 übersiedelte sie mit ihrer Familie nach Nordrhein-Westfalen. Sie studierte kurzzeitig Germanistik und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften an der Ruhruniversität Bochum und war in verschiedenen literaturvermittelnden Institutionen tätig. Nach einem Aufenthaltsstipendium des Berliner Senats für Nicht-Berliner Autoren am Literarischen Colloquium zog sie 2006 nach Berlin um. Scharmützelwetter ist ihr erster Gedichtband im Suhrkamp Verlag.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.09.2009

Alles aus Puppe
Im Gemeinplatzregen: Saskia Fischers Lyrikband

Gefiederte Worte ließ Homer in seinen Werken die Helden wählen, wenn sie klug und mit Bedacht vom Wesentlichen sprechen. Die heute "geflügelten Worte" nannte er gefiedert, da sie treffsicher wie mit Federn versehene Pfeile fliegen, welche ihre Richtung lenken. Gezielt bringen sie die Dinge auf den Punkt - ganz wie das Bild von den gefiederten Sprachgeschossen selbst, das seinerseits zum geflügelten Wort wurde. Doch mit der Zeit haben diese an Genauigkeit verloren. Als gängige Redewendungen sind geflügelte Worte ins Sentenzhafte der Alltagssprache abgeglitten und gerade innerhalb einer auf Innovation bedachten Gegenwartslyrik als Gemeinplätze verrufen.

Auf diese ausgetretenen Sprachpfade wagt Saskia Fischer sich leichten Schrittes in ihrem Gedichtband "Scharmützelwetter". Mit reichlich Ironie bezieht die 1971 geborene Lyrikerin die potemkinschen Dörfer der Sprache, flaniert ungeniert auf Gemeinplätzen zwischen wörtlicher und übertragener Bedeutung und erweckt so die Pappfassaden zu neuem Leben: "Alles aus Puppe / an dieser Frau." Das Gedicht "Strohfeuer" etwa weiß vom Teufelsbraten übers Auflodern bis zum Abfackeln um alle Redewendungen vom zwischenmenschlichen Feuerfangen. Und "In Ekelhaft" verbaut Fischer den ursprünglich aus Schillers "Tell" stammenden Ausspruch "Die Axt im Haus ersetzt den Zimmermann" in sarkastischen Versen mit der Geschichte eines Mannes, der seine Frau erschlägt, so dass "die Axt im Haus / Die Scheidung hat erspart". Souverän arbeitet die Autorin mit Kompositionen, Neologismen, Homophonien und einer vieldeutigen Syntax: "Schriebe ich fest für ein Blatt ich fiel / von der Metapher entzündet her über / die heule heule Welt spuckte Feuer".

Thematisch kreisen Saskia Fischers literarische Handgemenge zunächst um das Hin und Her, Für und Wider der Liebe. In der Schwebe zwischen Erotik und Resignation stellt sie teils heiter, teils wütend ihre "Bettfallen" auf, um deren Untiefen das lyrische Ich genau weiß: "Diese Frucht verführt zu nichts als dem Ende. / Eine simple Sorte Gala / eröffnete die Vertreibung", heißt es in "Wegweisung Apfel". Zum Teil schlagen die Gedichte auch gesellschaftskritische Töne an, denn auch "die Wahrheit steht dir gut zu Gesicht". Die Autorin verdichtet die Skurrilitäten des täglichen Wahnsinns zu zynischen Bestandsaufnahmen. Sie schreibt über die Reparatur von Crashtest-Dummys, Unterwasserhochzeiten in Florida, den Erstickungstod zahlreicher Japaner beim traditionellen Reiskuchenessen zu Neujahr, Schönheitswahn und Werbemaschinerie oder die "Wohltäter / Rätä!", die zum Schutz der von einer Ölpest bedrohten australischen Zwergpinguine im Jahre 2001 Tausende Pinguin-Pullover strickten.

Der Gefahr des erhobenen Zeigefingers ist sich Fischer bei der Wahl dieser Themen durchaus bewusst und warnt: "Zu früh gefreut wir irren / Wenn wir gähnend glauben wieder / Ein weltweitverbreitetes Kinderarbeitsgedicht / Nach Ladenschluss." Dass poetische Bilder zugunsten gezielter Angriffe oft zurückstehen müssen, ist der Themenwahl angemessen. Fischer findet so manches "Haar in der Suppe" und verliert dabei weder Weitsicht noch den Boden unter den Füßen auf dem "gottgedrehten / Teller über dessen Rand niemand hinaus".

NADJA WÜNSCHE

Saskia Fischer: "Scharmützelwetter". Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 76 S., br., 8,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Schön findet Nadja Wünsche, wie leicht und doch schwer ironisch die Autorin Gemeinplätze neu belebt. Saskia Fischers Verse, erklärt Wünsche, balancieren souverän zwischen wörtlicher und übertragener Bedeutung, wälzen Neologismen und Homophonien und kreisen thematisch um die Liebe zwischen Erotik und Resignation und über Alltagsphänomene wie den Schönheitswahn. Die Gedichte klingen Wünsche mal heiter, mal wütend im Ohr. Deutlich vernimmt sie die gesellschaftskritischen Töne, den Zynismus, aber stets auch die Bodenhaftung und die Weitsicht der Autorin.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Mit Ironie bezieht die Lyrikerin die potemkinschen Dörfer der Sprache, flaniert ungeniert auf Gemeinplätzen ... und erweckt so die Pappfassaden zu neuem Leben.« Nadja Wünsche Frankfurter Allgemeine Zeitung 20090907