Produktdetails
- Verlag: Knaus
- Seitenzahl: 300
- Abmessung: 195mm
- Gewicht: 438g
- ISBN-13: 9783813553161
- ISBN-10: 3813553167
- Artikelnr.: 24143052
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.12.2009Schimmer von Blattgold
Willa Cathers Roman über Quebec spielt im siebzehnten Jahrhundert, und doch trägt er alles in sich, wofür diese Stadt über die Zeiten hinweg steht.
Es sollte wenig mehr als eine Stippvisite sein, der Aufenthalt der amerikanischen Schriftstellerin Willa Cather in Quebec, doch weil ihre Lebensgefährtin krank wurde, blieb sie zehn Tage. Drei Jahre und einige Recherchereisen später, im Sommer 1931, veröffentlichte sie dann einen Roman, dessen Schauplatz Quebec ist - oder, könnte man sagen, dessen Inhalt und einziger Zweck diese Stadt ist, ein Buch, das ohne Willa Cathers inzwischen erworbene intime Kenntnis der frankophonen Metropole nicht denkbar ist, ein historischer Roman, der im späten siebzehnten Jahrhundert angesiedelt ist und doch das in sich trägt, was Quebec in den Augen der Autorin über alle Zeiten hinweg ausmacht.
Denn mit irgendwelchen Dramen hält sie sich nicht auf, um eine nacherzählbare Handlung geht es ihr nicht. Zwölf Monate und knapp vierhundert Seiten lang folgt sie den Schritten der kleinen Cécile, die ihrem Vater, dem Apotheker von Quebec, nach dem Tod der Mutter den Haushalt führt. Sie besucht den alten Erzbischof und meidet den neuen, sie erbittet vom Gouverneur ein Paar Schuhe für ihren Schützling, den sechsjährigen Jacques, sie fährt Schlitten oder macht mit einem Waldläufer einen Ausflug auf eine der Stadt vorgelagerte Insel. Dann stirbt der Gouverneur, das Buch ist aus, bis auf einen Epilog, der dann gedrängt enthält, was den Protagonisten in den kommenden fünfzehn Jahren widerfahren ist, und nichts davon überrascht.
Überraschungsfrei ist das gesamte Buch, und dennoch liest man es mit jener Spannung, die sich immer einstellt, wenn man in eine Welt eintaucht, von der man nicht mehr lassen mag. Denn Cathers beharrlich gezogene Kreise um das Apothekerhaus auf halber Strecke zwischen Unter- und Oberstadt, ihre Deutung der steilen Anlage Quebecs und ihre feingezeichnete Siedlungsgeschichte als Versöhnung der Alten mit der Neuen Welt ist umso wirkungsvoller, je mehr sie sich eines dezidierten Urteils enthebt.
Nichts von dem, was eine politisch oder historisch motivierte Darstellung hervorheben würde, ist ihr auch nur entfernt so wichtig wie der Wind, der auf dem Wasser aufkommt, das Fallen der ersten Schneeflocken oder der Duft der Bäume auf der Ile d'Orleans. Wenn es ihr überhaupt um eine Art von Realismus geht, dann dort, wo die Natur ins Spiel kommt; die Menschen, die sich in und um Quebec bewegen, sind so schematisch und stilisiert wie die Protagonisten alter Legenden, und speziell um Cécile liegt ein Schimmer von Blattgold, den die sichtlich vom Katholizismus faszinierte Autorin liebevoll hingetupft hat.
Umso mehr wird man die dieser Ausgabe hinzugefügten Anmerkungen schätzen, die Anspielungen auf Historisches entschlüsseln oder den Hintergrund realer, im Roman auftretender Figuren ausleuchten. Quebec aber wird man unweigerlich mit den Augen Cathers sehen, ganz sicher jedenfalls, bis man die Stadt einmal besucht, unwillig über die Gegenwart, die sich vor den Roman stellen will. Kein schlechter Grund, um lieber hierzubleiben.
TILMAN SPRECKELSEN
Willa Cather: "Schatten auf dem Fels". Aus dem Englischen von Elisabeth Schnack. Manesse Verlag, Zürich 2009. 416 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Willa Cathers Roman über Quebec spielt im siebzehnten Jahrhundert, und doch trägt er alles in sich, wofür diese Stadt über die Zeiten hinweg steht.
Es sollte wenig mehr als eine Stippvisite sein, der Aufenthalt der amerikanischen Schriftstellerin Willa Cather in Quebec, doch weil ihre Lebensgefährtin krank wurde, blieb sie zehn Tage. Drei Jahre und einige Recherchereisen später, im Sommer 1931, veröffentlichte sie dann einen Roman, dessen Schauplatz Quebec ist - oder, könnte man sagen, dessen Inhalt und einziger Zweck diese Stadt ist, ein Buch, das ohne Willa Cathers inzwischen erworbene intime Kenntnis der frankophonen Metropole nicht denkbar ist, ein historischer Roman, der im späten siebzehnten Jahrhundert angesiedelt ist und doch das in sich trägt, was Quebec in den Augen der Autorin über alle Zeiten hinweg ausmacht.
Denn mit irgendwelchen Dramen hält sie sich nicht auf, um eine nacherzählbare Handlung geht es ihr nicht. Zwölf Monate und knapp vierhundert Seiten lang folgt sie den Schritten der kleinen Cécile, die ihrem Vater, dem Apotheker von Quebec, nach dem Tod der Mutter den Haushalt führt. Sie besucht den alten Erzbischof und meidet den neuen, sie erbittet vom Gouverneur ein Paar Schuhe für ihren Schützling, den sechsjährigen Jacques, sie fährt Schlitten oder macht mit einem Waldläufer einen Ausflug auf eine der Stadt vorgelagerte Insel. Dann stirbt der Gouverneur, das Buch ist aus, bis auf einen Epilog, der dann gedrängt enthält, was den Protagonisten in den kommenden fünfzehn Jahren widerfahren ist, und nichts davon überrascht.
Überraschungsfrei ist das gesamte Buch, und dennoch liest man es mit jener Spannung, die sich immer einstellt, wenn man in eine Welt eintaucht, von der man nicht mehr lassen mag. Denn Cathers beharrlich gezogene Kreise um das Apothekerhaus auf halber Strecke zwischen Unter- und Oberstadt, ihre Deutung der steilen Anlage Quebecs und ihre feingezeichnete Siedlungsgeschichte als Versöhnung der Alten mit der Neuen Welt ist umso wirkungsvoller, je mehr sie sich eines dezidierten Urteils enthebt.
Nichts von dem, was eine politisch oder historisch motivierte Darstellung hervorheben würde, ist ihr auch nur entfernt so wichtig wie der Wind, der auf dem Wasser aufkommt, das Fallen der ersten Schneeflocken oder der Duft der Bäume auf der Ile d'Orleans. Wenn es ihr überhaupt um eine Art von Realismus geht, dann dort, wo die Natur ins Spiel kommt; die Menschen, die sich in und um Quebec bewegen, sind so schematisch und stilisiert wie die Protagonisten alter Legenden, und speziell um Cécile liegt ein Schimmer von Blattgold, den die sichtlich vom Katholizismus faszinierte Autorin liebevoll hingetupft hat.
Umso mehr wird man die dieser Ausgabe hinzugefügten Anmerkungen schätzen, die Anspielungen auf Historisches entschlüsseln oder den Hintergrund realer, im Roman auftretender Figuren ausleuchten. Quebec aber wird man unweigerlich mit den Augen Cathers sehen, ganz sicher jedenfalls, bis man die Stadt einmal besucht, unwillig über die Gegenwart, die sich vor den Roman stellen will. Kein schlechter Grund, um lieber hierzubleiben.
TILMAN SPRECKELSEN
Willa Cather: "Schatten auf dem Fels". Aus dem Englischen von Elisabeth Schnack. Manesse Verlag, Zürich 2009. 416 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main