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Schattenparadies Patrick ist nach Irland gekommen, um über Silvester die Ferien mit seiner Freundin zu verbringen. Bald merkt er, wie sehr sie sich verändert hat. Bei einem Ausflug nach Dublin wird Patrick in Fionas schreckliches Geheimnis hineingezogen. Hansjörg Schertenleib erschuf eine atmosphärische Liebesgeschichte im faszinierenden Lokalkolorit Irlands.

Produktbeschreibung
Schattenparadies Patrick ist nach Irland gekommen, um über Silvester die Ferien mit seiner Freundin zu verbringen. Bald merkt er, wie sehr sie sich verändert hat. Bei einem Ausflug nach Dublin wird Patrick in Fionas schreckliches Geheimnis hineingezogen. Hansjörg Schertenleib erschuf eine atmosphärische Liebesgeschichte im faszinierenden Lokalkolorit Irlands.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2001

Dann spielte ich Luftgitarre
Hansjörg Schertenleib feiert die Tristesse des Abhauens

Jugendgeschichten, die vom Abhauen handeln, sind in der Regel grau grundiert: Nur ein trostloser und eintöniger Alltag taugt als Schwingboden für den ganz großen Absprung. Schlimme Verwandte oder öde Schulstunden - wer flieht, der läßt ein zum Klischee erstarrtes Leben hinter sich. Auch der in Zürich geborene und in Irland lebende Schriftsteller Hansjörg Schertenleib baut in seinem Jugendroman "Schattenparadies" solche Kulissen auf: Patrick aus der beschaulichen Schweiz hat gerade das Gymnasium geschmissen, Fiona aus Irland hält das albtraumhafte Zusammenleben mit ihrer resignierten Mutter und ihrem gruseligen Onkel nicht länger aus. Als Patrick in der winterlichen Zeit zwischen den Jahren zu Besuch bei Fiona ist, verlängern die beiden eine Einkaufsfahrt mit dem rostigen Opel Ascona einfach ins Ungewisse. Den Alltag - das ist das Überraschende an diesem Buch - hängen sie damit nicht ab. Denn auch für das Abhauen stehen Klischees bereit: Sie sind bloß ein wenig schöner als die anderen.

Es ist der Blick für die flüchtige Schönheit des Banalen, der Schertenleibs Roman doch ein wenig abseits der vorgezeichneten Wege führt. In einem täglichen Ritual berichten sich Fiona und Patrick von ihren "Lebensrettern" - sei es das Geräusch des Dynamos am Fahrrad oder das Blubbern der weißen Bohnen in der Pfanne. Das Ensemble aus Gaslampen, Kerzen, Muscheln, Treibholzstücken und ausgebleichten Schafsknochen, das Fionas Versteck in einem verschrotteten Campingbus schmückt, bezeugt dieselbe nüchterne Aufmerksamkeit für die Zeichensprache des Alltäglichen wie das Blinken der Spielautomaten auf der Fähre nach England. Gerade die Wiedererkennbarkeit solcher Umgebungen durchkreuzt das literarische Klischee von der völlig eigenen und völlig anderen Erfahrung, die es auf den Fluchtwegen der Pubertät zu erwerben gelte.

Überhaupt finden sich Fiona und Patrick eingebettet in eine - manchmal etwas zu dick geratene - Schicht aus Musik und Mode, welche die Ausreißer sowohl an die Gegenwart als auch an ihre Generation zurückbindet. Fiona trägt Puma-Turnschuhe und Kapuzensweater. Während Patrick ihr ein Tank Top schenkt, näht sie ihm einen hippen Wollpullover mit Stern auf der Brust und Tasche auf dem Bauch. Der in Handarbeit hergestellte Markenartikel verkörpert die Haltung der Heranwachsenden: Weniger um neue Formen als um die Möglichkeit, diese selbst in der Hand zu haben, ist es ihnen zu tun. Auch Bandnamen ziehen sich fast leitmotivisch durch den Text und helfen bei der schnellen Einordnung der Figuren: Fionas in seinem Jugendzimmer versunkener Bruder hört Pearl Jam und Soundgarden, der kauzige Pfarrer, der den beiden kurzfristig aus der Not hilft, legt Elton John und die Dire Straits auf, und der Lastwagenfahrer, der die Flüchtigen nach Dublin fährt, steht selbstredend auf Johnny Cash. Fiona hingegen mag Madonna, und Patrick bewundert den Sänger von R.E.M. Ein wenig gleicht auch die Geschichte, die der Junge in der Ichperspektive erzählt, einem Song dieser Popgruppe: atmosphärisch dicht, eingängig und melancholisch - aber ohne übertriebene Ansprüche auf Originalität. Sogar die abgedroschene Wendung "Irgendwo bellte ein Hund" taucht auf, als Patrick und Fiona heimlich in einem Boot übernachten. Man wird aber für die Phrase entschädigt, als das Paar, anfangs nur mit Widerwillen, einen Bluesclub in Dublin besucht: "Irgendwann ertappte ich mich dabei, daß ich zu den Gitarrensolos Luftgitarre spielte."

Während für Patrick, der in eine beunruhigend offene Zukunft blickt, die Erinnerung an seinen verunglückten kleinen Bruder fast das einzige Reisegepäck ist, ahnt der Leser schon bald, daß Fiona schwer an einem ganz anderen Ballast trägt und daß ihr schmieriger Onkel Tony irgend etwas damit zu tun hat. Auch die Teenagerliebe zwischen Patrick und Fiona, die fast wie Brüderchen und Schwesterchen auftreten, wird von der Hypothek dieser dunklen Vorgeschichte belastet. Ihre erste Liebesnacht erstickt in einer Dubliner Bruchbude unter stinkenden Wolldecken. Die Schneedecke in der Schweiz, wo die Geschichte endet, bringt das geschehene Unglück zwar nicht zum Verschwinden. Doch sie gibt immerhin einen weißen Hintergrund ab, vor dem auch die Liebe zwischen Patrick und Fiona neue Konturen gewinnen kann.

ANDREAS ROSENFELDER

Hansjörg Schertenleib: "Schattenparadies". Carlsen Verlag, Hamburg 2001. 196 S., geb., 26,- DM. Ab 12 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Zwei Bücher über das Erwachsenwerden will Tobias Rapp uns vorstellen ("Achtung, Fluchtgefahr!" von Hans Olsson, erschienen bei Oetinger, und Hansjörg Schertenleibs bei Carlsen verlegtes "Schattenparadies") und hat doch so wenig zu sagen. Zu Olssons Buch fällt ihm außer dem Plot des Ganzen gerade mal ein, dass das Leben des Helden, das der Autor "langsam auffächert," wie es heißt, auf eine "große und alles entscheidende Flucht" hinausläuft, die aber am Ende steht und dementsprechend offen ist.
Beim "Schattenparadies" ist es kaum mehr. Nur macht Rapp hier in wenigen Sätzen deutlich, dass die eigentlich "recht unterhaltsame und nachvollziehbare" Geschichte zweier jugendlicher Tramps in Irland irgendwann "abstürzt," weil nämlich der Autor schlicht zu dick aufträgt: "So holzschnittartig spielt das Leben einfach nicht." Und das ist immerhin eine Aussage.

© Perlentaucher Medien GmbH