In diesem Band geht es um den Zusammenhang zwischen einerseits der Globalisierung und andererseits dem Rechtsradikalismus, dem Rechtspopulismus sowie dem separatistischen Regionalismus in den westlichen Demokratien. Vor dem Hintergrund, dass die Weichen für die politischen Katastrophen im 20. Jahrhundert durch die gesellschaftlichen Umbrüche im 19.Jahrhunden gestellt worden sind, sollen diese Schattenseiten der Globalisierung näher beleuchtet werden. Die internationalen Beiträge analysieren die ökonomischen, kulturellen und politischen Globalisierungs- sowie Fragmentierungsprozesse, untersuchen in Fallbeispielen die autoritären Entwicklungen in Europa und den USA und fragen abschließend nach deren Zukunftschancen in der nationalstaatlich verfassten Demokratie.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.07.2001Licht und Schatten
GLOBALISIERUNG. Der Begriff wird häufig benutzt, aber selten definiert. Damit hat Alain Touraine bereits ein Problem auf den Punkt gebracht. Denn so abstrakt, komplex und unterschiedlich die Phänomene sind, die in dem Begriff stecken, so diffus wird er - oft gar schlagwortartig - eingesetzt. Seine Einsatzmöglichkeiten reichen vom Schreckgespenst bis zur Verheißung. Der Aufsatzband behandelt die "Schattenseiten der Globalisierung" und fokussiert die "Makrotrends von Globalisierung und Fragmentierung" sowie deren Auswirkungen auf die nationalstaatliche Demokratie. Das Problem ist klar: Durch die ökonomische Globalisierung und die politische Kompetenzverlagerung auf supra- und internationale Institutionen verliert der Nationalstaat an Steuerungsmöglichkeiten. Die Autoren setzen nun dieses Phänomen in Verbindung mit gesellschaftlichen Entwicklungen verschiedenster Art, wie etwa der Vertrauenskrise gegenüber den Parteien, dem Bedeutungszuwachs von rechtsradikalen Parteien, dem separatistischen Regionalismus und religiösen Fundamentalismus. Daß die Schärfe der Begrifflichkeiten bei diesem Thema Voraussetzung für weiterbringende Ergebnisse ist, zeigt der Beitrag von Michael Zürn, der den Begriff der Globalisierung als für zu weitgehend ablehnt. Er sieht eher eine "OECD-Zentriertheit" und ersetzt den Begriff durch "gesellschaftliche Denationalisierung". Damit ist die Ausweitung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Handlungszusammenhänge über die politischen Grenzen des Nationalstaates gemeint. Was aber bedeutet die von der Globalisierung verursachte soziale und politische Fragmentierung letztlich für den Staat? Ein interessantes Szenario zeichnet Helmuth Berking, der einen "Rekonfigurationsprozeß" in bezug auf Staat, Territorialität, Souveränität und Identität annimmt. Am Ende könnte der moderne Nationalstaat seine sozialintegrativen Funktionen verlieren und damit vom nation state zum state werden, indem er weiterhin funktioniere, aber nicht mehr integriere. Weitgehend sind sich alle Autoren darüber einig: Determinismus und Fatalismus sind fehl am Platze, und Globalisierungsprozesse und deren Schattenseiten sind grundsätzlich politisch beeinflußbar. (Dietmar Loch/Wilhelm Heitmeyer [Herausgeber]: Schattenseiten der Globalisierung. Rechtsradikalismus, Rechtspopulismus und separatistischer Regionalismus in westlichen Demokratien. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001. 535 Seiten, 33,90 Mark.)
MARIANNE KNEUER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
GLOBALISIERUNG. Der Begriff wird häufig benutzt, aber selten definiert. Damit hat Alain Touraine bereits ein Problem auf den Punkt gebracht. Denn so abstrakt, komplex und unterschiedlich die Phänomene sind, die in dem Begriff stecken, so diffus wird er - oft gar schlagwortartig - eingesetzt. Seine Einsatzmöglichkeiten reichen vom Schreckgespenst bis zur Verheißung. Der Aufsatzband behandelt die "Schattenseiten der Globalisierung" und fokussiert die "Makrotrends von Globalisierung und Fragmentierung" sowie deren Auswirkungen auf die nationalstaatliche Demokratie. Das Problem ist klar: Durch die ökonomische Globalisierung und die politische Kompetenzverlagerung auf supra- und internationale Institutionen verliert der Nationalstaat an Steuerungsmöglichkeiten. Die Autoren setzen nun dieses Phänomen in Verbindung mit gesellschaftlichen Entwicklungen verschiedenster Art, wie etwa der Vertrauenskrise gegenüber den Parteien, dem Bedeutungszuwachs von rechtsradikalen Parteien, dem separatistischen Regionalismus und religiösen Fundamentalismus. Daß die Schärfe der Begrifflichkeiten bei diesem Thema Voraussetzung für weiterbringende Ergebnisse ist, zeigt der Beitrag von Michael Zürn, der den Begriff der Globalisierung als für zu weitgehend ablehnt. Er sieht eher eine "OECD-Zentriertheit" und ersetzt den Begriff durch "gesellschaftliche Denationalisierung". Damit ist die Ausweitung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Handlungszusammenhänge über die politischen Grenzen des Nationalstaates gemeint. Was aber bedeutet die von der Globalisierung verursachte soziale und politische Fragmentierung letztlich für den Staat? Ein interessantes Szenario zeichnet Helmuth Berking, der einen "Rekonfigurationsprozeß" in bezug auf Staat, Territorialität, Souveränität und Identität annimmt. Am Ende könnte der moderne Nationalstaat seine sozialintegrativen Funktionen verlieren und damit vom nation state zum state werden, indem er weiterhin funktioniere, aber nicht mehr integriere. Weitgehend sind sich alle Autoren darüber einig: Determinismus und Fatalismus sind fehl am Platze, und Globalisierungsprozesse und deren Schattenseiten sind grundsätzlich politisch beeinflußbar. (Dietmar Loch/Wilhelm Heitmeyer [Herausgeber]: Schattenseiten der Globalisierung. Rechtsradikalismus, Rechtspopulismus und separatistischer Regionalismus in westlichen Demokratien. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001. 535 Seiten, 33,90 Mark.)
MARIANNE KNEUER
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Mehr Kritik als Zustimmung übt Gottfried Oy an den im vorliegenden Band zusammengetragenen Vorträgen, die auf einer Tagung des Bielefelder Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung gehalten wurden. Es geht um die Schattenseiten der Globalisierung, die die Autoren in Rechtsradikalismus, Rechtspopulismus und separatistischem Regionalismus verorten. Globalisierung werde von den Herausgebern ökonomisch, kulturell und politisch festgeschrieben, ohne dass sie überhaupt die schon länger diskutierte Frage erörtern, ob Globalisierung als Programm oder als Zustand zu verstehen sei, bemängelt Oy. Und so hat er auch Zweifel an den Schlüssen von Wilhelm Heitmeyer und Dietmar Loch. Er mutmaßt, dass diese Autoren griffiger und zeitgemäßer Formeln zuliebe theoretische Anstrengungen vermieden haben. Und besonders skandalös findet der Rezensent, dass einige Aufsätze rassistische Begründungszusammenhänge vertreten - etwa der von Detlef Oestereich, der von einem Asylbewerberproblem spricht. Das ist für den Rezensenten nicht nur Zeichen für ein nachlässiges Lektorat, sondern auch für die Theorieschwäche und Geschichtslosigkeit des Autors. Einzig die Ausführungen über den Rechtsruck der politischen Mitte von Peter Lösche und Ursula Birsl erscheinen dem Rezensenten interessant und wohl überdacht. Die Herausgeber hingegen sollten sich, rät Oy, weniger in sozialdemokratischer Sehnsucht nach dem "goldenen Zeitalter des Fordismus" üben, als vielmehr ihre plakativen Thesen besser überdenken.
© Perlentaucher Medien GmbH
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