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Dieses Buch zur Visualität von Krieg und Terror umfasst die Zeitspanne der terroristischen Anschläge in New York 2001,der anschließenden Militärinvasionen in Afghanistan und Irak, der Folterungen in Abu Ghraib 2004 bis zur Tötung Osama Bin Ladens 2011. Dafür verknüpft die Autorin in je einzelnen Kapiteln philosophische Positionen zu Macht, Gewalt und Kritik von Jacques Derrida, Michel Foucault, Judith Butler, Emmanuel Levinas und anderen mit aktuellen Kunst- und Bildtheorien zu Kriegsdarstellungen. In Zeiten, in denen Menschen gefoltert, vergewaltigt, enthauptet, erschossen werden, damit…mehr

Produktbeschreibung
Dieses Buch zur Visualität von Krieg und Terror umfasst die Zeitspanne der terroristischen Anschläge in New York 2001,der anschließenden Militärinvasionen in Afghanistan und Irak, der Folterungen in Abu Ghraib 2004 bis zur Tötung Osama Bin Ladens 2011. Dafür verknüpft die Autorin in je einzelnen Kapiteln philosophische Positionen zu Macht, Gewalt und Kritik von Jacques Derrida, Michel Foucault, Judith Butler, Emmanuel Levinas und anderen mit aktuellen Kunst- und Bildtheorien zu Kriegsdarstellungen. In Zeiten, in denen Menschen gefoltert, vergewaltigt, enthauptet, erschossen werden, damit Bilder davon zirkulieren und Karikaturen Leben kosten, steht eine Ethik des Visuellen im Zentrum der Diskussionen um politische Handlungsfähigkeit.In Schauen und Strafen geht es nicht nur um ethische und ästhetische Erniedrigungen in Bildern, sondern vor allem durch Bilder. Die Autorin richtet deshalb die Aufmerksamkeit sowohl auf explizite Darstellungen von Gewalt als auch auf die strukturelle Gewalt des westlichen Repräsentationssystems mit seinen sozialen Zirkulations- und Gebrauchsweisen und vor allem Betrachter_innenpositionen.
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Autorenporträt
Hentschel, LindaLinda Hentschel ist Kunst- und Kulturwissenschaftlerin. Sie studierte Kunstgeschichte, Kulturwissenschaften und Romanistik in Marburg und Montpellier. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Geschichte der optischen Medien und der visuellen Wahrnehmung, Foto- und Filmtheorie, Medien und Gewalt, Kulturwissenschaftliche Geschlechterforschung. Nach Stationen u.a. an der Universität der Künste Berlin, der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig sowie der Humboldt-Universität zu Berlin ist sie seit 2015 Professorin für Kunstbezogene Theorie an der Kunsthochschule Mainz an der Johannes Gutenberg-Universität.https://kunsthochschule-mainz.de/kunsthochschule/lehre/kunstbezogene-theorie/prof-dr-linda-hentschel
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Steffen Siegel liest den ersten Band der Studie der Kunstwissenschaftlerin Linda Hentschel mit einigem Horror. Die Fotos von Folter, Hinrichtung und Verstümmelung im Buch findet er nur schwer erträglich. Und er fragt sich, wieso die Autorin ihr Plädoyer zur Eingrenzung solcher Abbildungen nicht gleich mit einem Verzicht auf ebensolche Bilder unterstreicht. Lesenswert findet er das Buch aber allemal - als Geschichte eines "bildpolitisch bewegten Jahrzehnts" (von 2001-2011), die dazu auffordert, im Sinne einer visuellen Verantwortung das Spiel von Sicht- und Unsichtbarkeit immer wieder neu zu hinterfragen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.09.2020

Sehen müssen
Linda Hentschel über Bilder von Gewalt und Grausamkeit

"No se puede mirar" - "Man kann es nicht ansehen", so nannte Francisco de Goya ein Blatt seines Radier-Zyklus "Die Schrecken des Krieges". Unter der Hand formulierte der spanische Künstler damit ein Paradox. Denn wer etwas nicht ansehen kann, der sollte zunächst wissen, was er sehen könnte. Wer wegsehen will, muss vorher hingesehen haben. Goyas Blatt zeigt eine Gruppe von Zivilisten, die vergeblich versucht haben, sich in einer Höhle zu verstecken. Die am rechten Bildrand aufblitzenden Bajonette lassen keinen Zweifel daran, was im nächsten Augenblick zu sehen wäre.

Bilder transportieren weit mehr als nüchterne Fakten, sie anzusehen ist eine Form des Handelns, Augenzeugenschaft weit mehr als passive Kenntnisnahme. In ihrer lesenswerten Studie stellt die in Mainz lehrende Kunstwissenschaftlerin Linda Hentschel die Frage: Wer eigentlich ist der Souverän über unsere Blicke? Man kann zu wenig sehen, gewiss aber auch zu viel. Und längst nicht immer sind wir es selbst, die darüber bestimmen. Hentschel entfaltet im gerade erschienenen ersten Band ihrer Untersuchung (ein zweiter ist für das kommende Jahr angekündigt) die Geschichte eines bildpolitisch bewegten Jahrzehnts: vom 11. September 2001 bis zur Nacht vom 1. auf den 2. Mai 2011, in der Osama bin Laden erschossen wurde.

Während sich die Anschläge vom September 2001 in das kollektive Bildgedächtnis eingeschrieben haben, gibt es von den Ereignissen im pakistanischen Abbottabad zehn Jahre später keine Bilder. Oder vielmehr: Es gibt Bilder, aber wir haben sie nie zu sehen bekommen. Als Barack Obama öffentlich dazu Stellung nahm, weshalb sich seine Regierung entschlossen hatte, die Aufnahmen unter Verschluss zu halten, fasste er seine politischen Erwägungen in ethische Argumente: "That's not who we are." Zur Schau gestellte Trophäen durfte man von ihm nicht erwarten.

An ihre Stelle traten Supplemente in überreicher Zahl: Rasch waren gefälschte Bilder des erschossenen Terroristen in Umlauf, ein Jahr später kam Kathryn Bigelows Film "Zero Dark Thirty" in die Kinos, und berühmt wurde Pete Souzas Fotografie aus dem Situation Room. Seither hat vor allem Hillary Clintons Geste, ihre Hand vor dem Mund, die Interpreten immer wieder herausgefordert. Was sah sie, was wir nicht sehen können und sollen? Hentschel erinnert daran, dass es bereits vor Jahren eine heftige Debatte darüber gab, welchen Sinn es überhaupt haben kann, Greuelbilder massenmedial zu verbreiten. Damals hatte Horst Bredekamp darauf bestanden, dass das Zeigen und Betrachten von Hinrichtungsvideos, die gerade zu diesem Zweck des Zeigens und Betrachtens entstanden sind, einem Mit-Töten gleichkomme, uns also zu Komplizen der Attentäter mache.

Hentschel plädiert für eine Form der visuellen Verantwortung, die immer wieder neu das Spiel von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit befragt. Mit dieser Aufgabe werden wir schwerlich an ein Ende gelangen. Denn ohne Frage gehört es zu den dunkelsten Aspekten der zeitgenössischen Praxis von Bildmedien, dass Fotografie und Film es mühelos erlauben, ethische und ästhetische Erniedrigung zusammenzuzwingen. Im angekündigten zweiten Band will Hentschel dieses prekäre Verhältnis in historischer Perspektive betrachten und sich der Geschichte der Lynching-Fotografien zuwenden.

Darf sich der Rezensent für diesen zweiten Band ein Postskriptum wünschen? Als Susan Sontag im Jahr 2003 ihren Essay "Das Leiden anderer betrachten" veröffentlichte, legte sie einen wortmächtigen Beitrag zur Bildethik vor. Dabei konnte die von Sontag gewählte Umschlagabbildung in die Irre führen: Zwar zeigte sie dort eine Radierung aus Goyas "Desastres"-Serie, im Text jedoch bezog sie sich auf ihre unmittelbare Gegenwart. Sie schrieb ausführlich über fotografische Darstellungen voller Gewalt, doch zeigte sie nicht eines dieser Bilder. Einer solchen Bilddiätetik folgt Hentschel nicht. Von den über sechzig Abbildungen, die sie ausgewählt hat, zeigen nicht wenige drastische, zuweilen kaum erträgliche Szenen. Wie aber lässt sich die Bildmacht von Fotografien von Folter, Hinrichtung und grausamer Verstümmelung eingrenzen, aufheben und im besten Fall zurückweisen, wenn gerade diese Darstellungen zur Illustration des Arguments eingesetzt werden?

STEFFEN SIEGEL

Linda Hentschel: "Schauen und Strafen". Band 1: Nach 9/11.

Kulturverlag Kadmos,

Berlin 2020. 256 S., Abb., br., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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