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Susan Taubes gelingt das Portrait einer Frau während ihrer Scheidung in einer filmisch fließenden Erzählweise. Sie entwirft ein bewegtes, mitunter rätselhaftes, aber höchst originelles Drama einer Frau in der heutigen Zeit.Scheiden tut weh handelt von Sophie Blinds Scheidung - ein Ereignis, das sie in andere Abschnitte ihres Lebens zurückversetzt und ihr die Gegenwart unwirklich erscheinen lässt. Ihre Sichtweise gleitet dadurch ins Halluzinatorische, teils ins Phantastische.Dieses Buch erzählt auch von einem Kind, das in Budapest mit einem Psychoanalytiker als Vater und einer Mutter, deren…mehr

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Produktbeschreibung
Susan Taubes gelingt das Portrait einer Frau während ihrer Scheidung in einer filmisch fließenden Erzählweise. Sie entwirft ein bewegtes, mitunter rätselhaftes, aber höchst originelles Drama einer Frau in der heutigen Zeit.Scheiden tut weh handelt von Sophie Blinds Scheidung - ein Ereignis, das sie in andere Abschnitte ihres Lebens zurückversetzt und ihr die Gegenwart unwirklich erscheinen lässt. Ihre Sichtweise gleitet dadurch ins Halluzinatorische, teils ins Phantastische.Dieses Buch erzählt auch von einem Kind, das in Budapest mit einem Psychoanalytiker als Vater und einer Mutter, deren Affairen mit anderen Männern von der Familie als "klassische Symptome" abgetan werden.Das Buch handelt aber auch von der Emigration nach Amerika im Jahre 1939, von der Erinnerung und vom vergessen, sowie von den zeitgeschichtlichen Zusammenhängen einer jüdischen Emigrantin aus Europa in den USA.
Autorenporträt
Taubes, Susan§Susan Taubes wurde 1928 in Budapest geboren und beging mit 41 Jahren Selbstmord, kurz nachdem ihr autobiographischer Roman Scheiden tut weh in New York herauskam. Sie war die geschiedene Frau des Religionsphilosophen Jacob Taubes. Sie lehrte Religionsgeschichte an der Colombia University, spielte auf der Bühne und lebte mit ihren beiden Kindern zusammen. Scheiden tut weh ist Susan Taubes´ Testament.

Miller, Nadine§Nadine Miller, in New York geboren, aufgewachsen in Deutschland, übersetzt seit 1980 literarische und wissenschaftliche Texte aus dem Französischen und Englischen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.1995

Vater spricht nur mit sich selbst
Susan Taubes beschreitet das Schlachtfeld des Lebens

Der historische Bruch, der das zwanzigste Jahrhundert kennzeichnet, tritt nirgends schärfer hervor als im Schicksal des mitteleuropäischen Judentums. Zum größten Teil wurde es von Hitler vernichtet, und in den wenigen Überlebenden lassen sich die Spuren eines katastrophalen Untergangs verfolgen. Zu diesen Überlebenden gehörte Jacob Taubes. 1923 in Wien zur Welt gekommen, stammte er in direkter Linie von Ba'al Schem Tov ab, dem Begründer des Chassidismus. Den Zweiten Weltkrieg überstand Taubes in der Schweiz, wo er neben einer streng orthodoxen auch eine weltliche Ausbildung erhielt. 1946, kaum dreiundzwanzig Jahre alt, promovierte er mit einer Arbeit über "Abendländische Eschatologie", und 1965, am merkwürdigen Ziel eines Lebensweges, der über Jerusalem und die Vereinigten Staaten geführt hatte und 1987 endete, wurde er an der Freien Universität Berlin Ordinarius für Judaistik.

Die Tragik dieser Position als geistiger Sachwalter eines in Deutschland ausgerotteten Judentums unterstreicht vielleicht nichts deutlicher als sein verborgenes Gespräch mit Carl Schmitt, mit dem ihn ein von völlig verschiedenen Prämissen ausgehendes apokalyptisches Denken verband. Eine tiefe Zerrissenheit lag über seiner Gestalt. Jetzt wird der deutsche Leser mit weiteren Facetten eines dunklen Hintergrundes bekannt: mit dem kaum verschlüsselten Lebensbericht, den seine erste Frau, Susan, schon 1969 in Amerika veröffentlichte - eine Woche, bevor sie Selbstmord beging.

Susan Feldman, 1928 in Budapest geboren, wanderte vor Kriegsausbruch mit ihrem Vater nach Amerika aus, heiratete Taubes dort 1949 und war später, an der Columbia University in New York, selbst als Religionswissenschaftlerin tätig. Bezeichnend ist ihre intensive Beschäftigung mit Simone Weil, der französischen Jüdin und Mystikerin, die in Zeiten der Katastrophe eine religionsübergreifende Heilserfahrung mitzuteilen suchte: Medium einer metaphysischen Erlebnisfähigkeit, die für Susan Taubes Modellcharakter hatte.

Ihr selbst freilich - daran läßt das Buch keinen Zweifel - blieb alle Heilsgewißheit nur ein unerreichtes Ziel. In der Dialektik von Eschatologie und Apokalypse, die Jacob Taubes' Denken bestimmt, muß einer der Quellpunkte ihrer Beziehung gelegen haben; nur konnte er nicht fruchtbar werden, weil der in der jüdischen Orthodoxie aufgewachsene Mann einen Patriarchalismus an den Tag legte, der die Frau zugrunde richtete.

Ihr Werk, mit dem sie Abschied nimmt von der Welt, schreibt Susan Taubes nicht als Wissenschaftlerin, sondern als Künstlerin. Sie bezeichnet es als Roman und ändert die Namen: Jacob Taubes zum Beispiel heißt Ezra Blind, eine Veränderung, die nicht nur symbolisch, sondern sicher auch parodistisch zu lesen ist - intellektuelle Verzweiflung, die sich in die ironische Pointe rettet.

So, als Zeugnis einer intellektuellen Verzweiflung, liest sich der Roman auch fünfundzwanzig Jahre nach seinem ersten Erscheinen. Jacob Taubes lebte damals in Berlin schon mit seiner zweiten, nichtjüdischen Frau, der Linksradikalen Margarete von Brentano, mit der er einem anderen unerfüllbaren Traum nachhing. Und während man in Deutschland glaubte, die Revolution sei ausgebrochen, beging eine ganze Reihe mitteleuropäischer Juden - Paul Celan, Peter Szondi, und in Jerusalem auch der Vater Jacob Taubes', der Rabbiner Chaim Zwi Taubes, - ihre Selbstmorde.

Susan Taubes schreibt zu diesem Freitod der Opfer ihre eigene, von der weiblichen Perspektive geprägte Vorgeschichte. Sie kommt aus einem assimilierten Judentum Ungarns, das seinen Traditionen schon sehr entfremdet gegenübersteht. Unübersehbar schlägt sich die Identitätskrise in der labilen Familiensituation nieder, in der das Einzelkind heranwächst. Die Mutter, vor der Ehe mit dem Vater schon einmal verheiratet, ist in Susans frühen Jahren abwesend, sie hat sich vom Vater bereits getrennt, als er mit seiner Tochter nach Amerika auswandert; und aufschlußreich ist die Erklärung, die uns die erwachsene Erzählerin in einem ironisch gebrochenen Gespräch mit der Mutter nachliefert: Mit ihrer Geburt habe sie alle Liebe des Vaters auf sich gezogen und die Mutter verdrängt.

Ödipus in der Umkehrung also - der ausgelebte Elektra-Komplex. Und in der Tat: Susans Vater ist Psychoanalytiker, orthodoxer Freudianer, ein frühes Mitglied der Bewegung. In der amerikanischen Kleinstadt wird er dann - wie viele andere mitteleuropäische Emigranten - zum Vorkämpfer Freuds auf dem neuen Kontinent.

Für die heranwachsende Erzählerin ist das fatal. Im dominanten Vater, der alles weiß, alles erklärt, alles schon analysiert hat, bevor es geschieht, wird das Grundmuster der patriarchalen Unterwerfung geprobt, das sich in Susan Taubes' Ehe später wiederholen wird. Die geistesgeschichtliche Problematik, die darin ihren Ausdruck findet, ist in beiden Fällen die gleiche. Der Vater zieht mit der Psychoanalyse gegen ein ausgehöhltes Judentum zu Felde, das ihm im eigenen Elternhaus keinen Halt mehr bietet; und der Schriftgelehrte Jacob Taubes denkt sich nach Auschwitz noch einmal eine apokalyptische Eschatologie aus, in der die Gewalt zum Mittel der Theodizee wird: Spiegelbilder einer Ausweglosigkeit, vor denen Susan Taubes in die Sackgasse geraten muß.

Denn die unterworfene Frau glaubt ihren männlichen Peinigern natürlich kein Wort mehr. "Die meiste Zeit redete Papi mit sich selbst", heißt es in unüberhörbarer Ironie. Und dann bringt sie ihr Schweigen zur Sprache, die Strategie, mit der sie sich dem Erzieher verweigert: "Er stellte ihr eine Frage und beantwortete sie sich alleine. Manchmal führte er etwas an, das sie als Drei- oder Vierjährige gesagt oder getan habe, so daß es so aussah, als habe sie geantwortet. Er sagte im vorhinein, daß sie dies bestreiten würde, also mußte sie sich nicht die Mühe machen, dies zu tun."

Als ihre Ehe sie zum zweitenmal in die Falle lockt, verteidigt sie sich mit dem Prozeß, der ihrem Buch seinen Namen gegeben hat: mit der Scheidung. "Mit erstarrter Miene" (so lesen wir, als sie ihrem Mann eröffnet, daß sie genug hat von ihm), "den Pfeifenstiel zwischen den Zähnen, kämpft er mit sich um Gelassenheit. Ein gebrochener Mann, noch hat er seinen Stolz." Das Leben, so sieht Susan Taubes es am Ende, ist ein Schlachtfeld, auf dem es keine Sieger gibt. Nadine Miller hat dieser Geschichte einer Verzweiflung ihre schöne, vieldeutige deutsche Fassung gegeben: Das "Scheiden" des Titels meint mehr als nur die Auflösung einer Ehe - es ist der letzte, endgültige Abschied vom Leben selbst. JAKOB HESSING

Susan Taubes: "Scheiden tut weh". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Nadine Miller. Verlag Matthes & Seitz, München 1995. 360 Seiten, geb., 49,80 DM.

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