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In seinem vielgelesenen und vielgepriesenen Buch Du mußt dein Leben ändern hat Peter Sloterdijk das Üben als entscheidende conditio humana herausgestellt. In seinem neuen Buch analysiert er die von dieser neuen Perspektive auf menschliches Denken und Handeln grundlegend verändernde Beobachtung auf Wissenschaft und das Tun des Wissenschaftlers. Peter Sloterdijk begreift Wissenschaft als eine Art und Weise, mit Hilfe von wissenschaftserzeugenden Übungsverfahren den Wissenschaftler selber ins Leben zu rufen.Diese Geschichte umspannt eine mehr als 2000 Jahre währende Entwicklung. Sie setzt ein mit…mehr

Produktbeschreibung
In seinem vielgelesenen und vielgepriesenen Buch Du mußt dein Leben ändern hat Peter Sloterdijk das Üben als entscheidende conditio humana herausgestellt. In seinem neuen Buch analysiert er die von dieser neuen Perspektive auf menschliches Denken und Handeln grundlegend verändernde Beobachtung auf Wissenschaft und das Tun des Wissenschaftlers. Peter Sloterdijk begreift Wissenschaft als eine Art und Weise, mit Hilfe von wissenschaftserzeugenden Übungsverfahren den Wissenschaftler selber ins Leben zu rufen.Diese Geschichte umspannt eine mehr als 2000 Jahre währende Entwicklung. Sie setzt ein mit Platons Berichten über seinen athenischen Lehrer: Der litt darunter, daß er einen starken inneren Monolog mit sich führte, der ihn disponierte, in der Akademie einfach stehenzubleiben. Die ursprüngliche Akademie ist also ein Übungszentrum, in dem die Menschen es lernen, der Welt nach den Regeln der Kunst abhanden zu kommen. Selbst die heutigen Universitäten haben auf diesem Gebiet einiges geleistet. Auch sie stehen in der Tradition dieser platonischen »Absencenbeherbergungen«, auch sie stellen die Liaison her zwischen der Andersartigkeit des Denkens und der Andersortigkeit des Denkens, welche die Einübung der Wissenschaft allererst ermöglicht.
Autorenporträt
Sloterdijk, PeterPeter Sloterdijk wurde am 26. Juni 1947 als Sohn einer Deutschen und eines Niederländers geboren. Von 1968 bis 1974 studierte er in München und an der Universität Hamburg Philosophie, Geschichte und Germanistik. 1971 erstellte Sloterdijk seine Magisterarbeit mit dem Titel Strukturalismus als poetische Hermeneutik. In den Jahren 1972/73 folgten ein Essay über Michel Foucaults strukturale Theorie der Geschichte sowie eine Studie mit dem Titel Die Ökonomie der Sprachspiele. Zur Kritik der linguistischen Gegenstandskonstitution. Im Jahre 1976 wurde Peter Sloterdijk von Professor Klaus Briegleb zum Thema Literatur und Organisation von Lebenserfahrung. Gattungstheorie und Gattungsgeschichte der Autobiographie der Weimarer Republik 1918-1933 promoviert. Zwischen 1978 und 1980 hielt sich Sloterdijk im Ashram von Bhagwan Shree Rajneesh (später Osho) im indischen Pune auf. Seit den 1980er Jahren arbeitet Sloterdijk als freier Schriftsteller. Das 1983 im Suhrkamp Verlag publ

izierte Buch Kritik der zynischen Vernunft zählt zu den meistverkauften philosophischen Büchern des 20. Jahrhunderts. 1987 legte er seinen ersten Roman Der Zauberbaum vor. Sloterdijk ist emeritierter Professor für Philosophie und Ästhetik der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe und war in Nachfolge von Heinrich Klotz von 2001 bis 2015 deren Rektor.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.08.2010

Sloterdijks Fußnote

Gut zehn Jahre nach den "Regeln für den Menschenpark", die Peter Sloterdijk in der "Elmauer Rede" und in nachfolgenden Interviews aufgestellt hatte, ist der Autor offenbar noch immer bemüht, seine damaligen Spekulationen über mögliche eugenische und genetische Manipulationen, die er unter dem Stichwort der Anthropotechnik verbreitete, vergessen zu machen. In der nun als schmaler Band vorliegenden Unseld Lecture erklärt Sloterdijk: "Unser Thema lautet: Wissenschaft als Übung - alternativ: Wissenschaft als Anthropotechnik, wobei der letztere Begriff hier nur insofern ins Spiel kommt, als er Menschenformung durch übende Selbsteinwirkung bedeutet - unter Absehung von Spekulationen über mögliche eugenische und genetische Manipulationen, wie sie von Platon bis Trotzki mit wechselnden Graden der Ernsthaftigkeit erörtert wurden." Anthropotechnik, so legt Sloterdijk an dieser Stelle nahe, habe er selbst nie anders denn als harmlose intellektuelle Übung, das Beste aus sich zu machen, verstanden. Doch weit gefehlt: Dass der Ausdruck Anthropotechnik erstmals als Eintrag in der großen Sowjetischen Enzyklopädie von 1926 erschien und insoweit auf eine eugenische Bedeutung festgelegt ist, stellt Sloterdijk auf derselben Seite esoterisch, also für den eingeweihten Kreis der Zwischen-den-Zeilen-Leser, in einer Fußnote fest. Sloterdijks exoterischer, für den Leserkreis der Vielen vollzogener Rückzug vom Züchterimage scheint sich zu einer lebenslangen Aufgabe mit immer neuen Finessen zu entwickeln. (Peter Sloterdijk: "Scheintod im Denken". Von Philosophie und Wissenschaft als Übung. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2010. 148 S., br., 10,- [Euro].) gey

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.08.2010

Kann keine Trauer sein
Peter Sloterdijks Nachruf auf den theoretischen Menschen
Der Philosoph, der theoretische Mensch, der im Stande ist, sich aus der unmittelbaren sinnlichen Erfahrung zurückzuziehen und sich der reinen Bewegung der Begriffe oder dem unhaufhaltsamen Gang der Logik zu überlassen, der auf die Welt möglichst interesselos, wenn auch an allem interessiert, nämlich nur betrachtend, frei von Gier und Lust, blickt – dieser Mensch ist, vor allem in seiner Gestalt als Metaphysiker oder Transzendentalphilosoph, eine denkbar unwahrscheinliche Figur. Seine Sonderbarkeit bringt die antike Anekdote vom Philosophen Thales ins Bild, der bei Betrachtung des Sternenhimmels einen Brunnen vor seinen Füßen übersieht und hinunterstürzt, wofür er sich von seiner thrakischen Magd auslachen lassen muss.
Über das Lachen der Thrakerin hat Hans Blumenberg einst ein ironisches Buch geschrieben, in dem das Stolpern der Philosophen im Diesseits bis zu Heidegger nachskizziert wurde. Peter Sloterdijk tritt nun noch einen Schritt zurück und fragt, wie es zu so unpraktisch taumelnden Menschen in der abendländischen Überlieferung überhaupt kommen konnte.
Einleitend exponiert er sein Thema als Teil der umfassenden Untersuchung von Übungskulturen, die sein Buch „Du musst dein Leben ändern“ ( Über Religion, Artistik und Anthropotechnik, Suhrkamp Verlag 2009, SZ vom 21. März 2009 ) begonnen hatte. Es geht um Askesen in mehrfachem Sinne, als Enthaltsamkeit und Spezialisierung, als Steigerung des Könnens durch Übung und Training. Ein Pointe dieser Fragestellung besteht darin, Religion, Kultur und Wissenschaften nicht als Glaubenslehre, Doktrin, Wertesystem oder Erkenntnis zu behandeln, sondern als Praxis bis in ihre leiblich-seelischen Voraussetzungen zu verfolgen.
Der Philosoph ist in diesem Zusammenhang der Athlet der Entleiblichung, der Virtuose der Körperlosigkeit. Fürs Denken nimmt er eine Art „Scheintod“ in Kauf, die Herauslösung nicht nur aus sozialen Zusammenhängen mit ihren Liebes-, Macht- und Geldinteressen, sondern sogar die Trennung von ablenkenden körperlichen Begierden oder Schmerzempfindungen. So isoliert er in sich die „Seele“, das intellektuelle Vermögen bis zu dem Grade, den Edmund Husserl anstrebte: Er wollte sich selbst gegenüber seinen eigenen psychischen Zuständen nur noch als Betrachter verhalten.
Wann fand dieser Schritt zurück von allen Dingen und Fühlbarkeiten, also das, was Sloterdijk mit Husserl die „Epoché“ nennt, der definitive Schnitt von der Welt, zuerst statt? Natürlich bei Sokrates. Nicht nur sein gelassen ertragenes Martyrium als Opfer in einem politischen Prozess, sondern davor schon trancehafte Abwesenheiten in Momenten konzentrierter Gedankentätigkeit, dazu seine merkwürdig scheinnaive Fragetechnik zeigen ihn als den ersten theoretisch entrückten Menschen in voller Symptomatik. Daraus wurde dann jener ewige Idealismus, der nicht mehr einzelne Tische sieht, sondern nur noch die Idee der Tischheit, und die sich bis zu Johann Gottlieb Fichte in dem bizarren Konzept steigert, das ein Wissen „ohne Träger“ vorsieht. Der Philosoph als Wesen – Mensch will man ihn kaum noch nennen –, der bestimmt nicht „next door“ zu Hause ist, sondern eher einem „Untoten“ gleicht, wie Sloterdijk gewohnt metaphernselig formuliert.
Woher kommt er? Das will Sloterdijk im Sinne Nietzsches „genealogisch“ aufklären, also auch nach versteckten, möglicherweise nicht ganz reinlichen Motiven fragen. Und so wie Nietzsche die asketischen Ideale des Christentums aus dem Ressentiment des unterworfenen jüdischen Volks erwachsen sieht, so erkennt Sloterdijk den Ursprung der weltabgewandten Theorie bei den Griechen im Zusammenbruch der Polis nach dem Peloponnesischen Krieg. Platons Akademie vor den athenischen Mauern sei gebaute „Epoché“ aus „Verliererromantik“, nachdem die Polis erst zum Spielball von Affekten und Demagogien geworden und dann von einem äußeren Feind unterworfen worden sei. Aus dem Zusammenbruch des Politischen bei den Griechen erwächst die reine Philosophie, mit Folgen bis zum Ende der abendländischen Metaphysik im 20. Jahrhundert.
Weitere Entstehungsbedingungen – die psychische Ausdifferenzierung des melancholischen Menschen, die Verselbständigung von Pädagogik und Erziehung, die Verschriftlichung des Wissens – treten demgegenüber in den Hintergrund, obwohl sie für die jahrhundertelange Kontinuität der von Sloterdijk beschriebenen Askeseförmigkeit der Theorie entscheidend sind. Diese Geschichte ist eher farbig als überraschend, allzu nah liegt sie an der von Nietzsche entworfenen Urszene, in der ein in den Staub gedrücktes orientalisches Wüstenvolk seinen alten Kriegergott in ein weltentrücktes Opfertier mit unendlichem Vorwurfspotential und jenseitiger Erlösungskraft verwandelte.
Kurz gerät dann der Abspann, in dem der Zusammenbruch der theoretischen Askese, oder, in Sloterdijks blumiger Bildsprache, die Reanimation der Scheintoten skizziert wird: Zehn Faktoren zählt er in aller Eile auf, sie gehen vom junghegelianischen Postulat des Praxisbezugs über Nietzsches Vernunftkritik zur spätmarxistischen Parteilichkeit, dazu kommen die Metaphysikkritik der Phänomenologie, der Zusammenbruch naturwissenschaftlicher „Objektivität“ durch Atombomben und Quantenphysik, die Wissenssoziologie, die Gender- Theorien des Feminismus und die Auflösung der Expertenrolle in der auch sozial globalisierten „Wissensgesellschaft“.
All das betet Sloterdijk nun seinerseits eher teilnahmslos her, sodass nicht recht deutlich wird, ob er der erhabenen, höchst produktiven Kauzigkeit, die da aus unserem Leben verschwindet, überhaupt nachtrauert. Wir würden das unbedingt tun, weil der kleine Gewinn des Hybrisverzichts mit allherrschender Aalglätte bei nur noch feinen Unterschieden ziemlich teuer erkauft wird. Sich über Askese lustig zu machen, bleibt immer noch die leichteste aller Übungen.
GUSTAV SEIBT
PETER SLOTERDIJK: Scheintod im Denken. Von Philosophie und Wissenschaft als Übung. Edition Unseld im Suhrkamp Verlag, Berlin 2010. 147 Seiten, 10 Euro.
Der Philosoph ist der
Virtuose der Körperlosigkeit.
Fürs Denken nimmt er eine
Art „Scheintod“ in Kauf.
Ziemlich teilnahmslos berichtet Peter Sloterdijk vom Zusammenbruch der theoretischen Askese, als würde er dem Ende der produktiven Kauzigkeit kaum nachtrauern.
Foto: Pascal Bastien / Fedephoto / StudioX
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Tja, da stellt mal wieder ein Philosoph die Frage aller Fragen, nämlich die, wie es überhaupt zu einer Figur wie ihm höchstselbst kommen konnte. Gustav Seibt bespricht den erstaunlich schmalen neuen Band des "gewohnt Metaphernseligen" in aller Kürze und vom Gestus her eher paraphrasierend und weiterphilosophierend als klassisch rezensierend. Die Lösung von Welt und Körper, das reine Spiel der Begriffe und dann natürlich das kümmerliche Ende der Metaphysik in Gender Studies und dem Expertentum in der Wissensgesellschaft: All dies scheint - gewürzt mit viel Nietzsche - der Inhalt des Bändchens zu sein. Sowohl die Erfindung des abstrakten und noch nicht recht lieben Herrgotts bei den Juden, als auch die Erfindung der Metaphysik bei den Griechen, so erfährt man nebenbei, rechnet Sloterdijk der Erfahrung politischer Niederlagen zu.

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»Das moralisch Schöne, das Erbauliche an Sloterdijks Buch ist, dass er die alte theoretische Haltung, die so leicht zu verspotten wäre, achtet.« Franz Schuh DIE ZEIT 20100826