Frankfurt am Main 1974. Ein Anwalt wird tot in seiner Kanzlei aufgefunden. Die Umstände seines Todes sind ungeklärt. Die Polizei ermittelt: Er war Anwalt der linken Szene, zu seiner Klientel gehörten RAF-Mitglieder, Rocker, Junkies und Strichjungen.
Seine Frau, die seit drei Jahren von ihm getrennt lebt, beginnt, sich noch einmal mit ihm auseinanderzusetzen: mit seiner Arbeit, seinem Leben - und ihrer Liebe. Was weiß sie eigentlich von diesem Mann, den sie einmal geliebt hat, der ihr so vertraut war?
Bald gerät die Witwe selbst ins Visier der polizeilichen Ermittlungen, wird der Mitwisserschaft an politischen Aktivitäten verdächtigt, während sie verschlüsselte Botschaften aus dem politischen Untergrund erhält. Um zu begreifen, sucht sie seine Kollegen auf, Mandanten aus der Halbwelt, Genossen und ehemalige Revolutionäre und kehrt in dunklen Spelunken ein. Immer tiefer wird sie in ein verborgenes Leben des Toten hineingezogen, der ihr gleichzeitig immer fremder wird.
Scheintod ist der Roman einer Liebe zu Zeiten großer politischer Unruhen. Eva Demski erzählt unsentimental, doch mit feinem Gespür von einer Frau, die vor die Herausforderung gestellt wird, ein Leben im Tod zu ergründen und dabei Erinnerungen und Zweifel, Trauer und Verlust zu bewältigen.
Seine Frau, die seit drei Jahren von ihm getrennt lebt, beginnt, sich noch einmal mit ihm auseinanderzusetzen: mit seiner Arbeit, seinem Leben - und ihrer Liebe. Was weiß sie eigentlich von diesem Mann, den sie einmal geliebt hat, der ihr so vertraut war?
Bald gerät die Witwe selbst ins Visier der polizeilichen Ermittlungen, wird der Mitwisserschaft an politischen Aktivitäten verdächtigt, während sie verschlüsselte Botschaften aus dem politischen Untergrund erhält. Um zu begreifen, sucht sie seine Kollegen auf, Mandanten aus der Halbwelt, Genossen und ehemalige Revolutionäre und kehrt in dunklen Spelunken ein. Immer tiefer wird sie in ein verborgenes Leben des Toten hineingezogen, der ihr gleichzeitig immer fremder wird.
Scheintod ist der Roman einer Liebe zu Zeiten großer politischer Unruhen. Eva Demski erzählt unsentimental, doch mit feinem Gespür von einer Frau, die vor die Herausforderung gestellt wird, ein Leben im Tod zu ergründen und dabei Erinnerungen und Zweifel, Trauer und Verlust zu bewältigen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2021Liebe, Verrat und Verlust
Frankfurt liest ein Buch: Zwei Wochen lang geht es um Eva Demski, ihren Roman "Scheintod" und die politisch aufgewühlte Mainmetropole des Jahres 1974. Und es zeigt sich: Das Private ist noch immer politisch, das Politische aber vor allem privat.
Von Florian Balke
Er ist Rechtsanwalt, schwul, aber mit einer Frau verheiratet und verteidigt Lederkerle und Sympathisanten der Roten Armee Fraktion. Die Terrorgruppe hat ihre Brandanschläge auf zwei Kaufhäuser an der Zeil im April 1968 zu diesem Zeitpunkt schon hinter sich, ebenso die tödlichen Bombenanschläge im Mai 1972. Noch bevor stehen die Entführungen und Morde zur Freipressung der inhaftierten Anführer zwischen April und Oktober 1977.
Sie, dem Anwalt nach wie vor in Freundschaft verbunden, teilt sein im breitesten Sinne politisches Engagement und seine anarchisch-individualistische Ablehnung linksextremer Orthodoxien, schreibt für Theater und Rundfunk und hat sich drei Jahre zuvor von ihrem Mann getrennt.
Nun ist er tot. Und sie muss seine Wohnung und Kanzlei auflösen. Dabei wird sie von der Polizei befragt, von "der Gruppe" bedrängt, wirft eine Tasche mit Munition in den Main, die weder dem Umfeld der Terroristen noch den Sicherheitsbehörden in die Hände fallen soll, und arbeitet sich durch die Erinnerung an den Toten.
Zwölf Tage im Frühjahr 1974 schildert Eva Demskis Roman "Scheintod", dem in diesem Jahr das Festival "Frankfurt liest ein Buch" gewidmet ist. Er setzt am Karsamstag ein, in jenem Jahr der 13. April, an dem der nach einem starken Asthma-Anfall Gestorbene in seiner auch beruflich genutzten Wohnung an der Elbestraße im Bahnhofsviertel gefunden wird, und endet mit der Beisetzung des Toten am 24. April auf dem Hauptfriedhof.
Zwölf Roman-Tage bieten Stoff genug für 15 Festival-Tage mit mehr als 70 Lesungen, Gesprächen und Führungen, die vom 4. bis 18. Juli unter Einhaltung sämtlicher dann zu beachtender Corona-Auflagen Besucher anziehen sollen. Nicht nur digital, sondern auch mit Präsenzveranstaltungen, in Parks, Cafés und Buchhandlungen, draußen vor allem, aber auch in Innenräumen. 2020 hatte das Festival in den Herbst verschoben werden müssen, wo es knapp vor der allmählichen Verschärfung der Bestimmungen zur Pandemie-Bekämpfung gerade noch rechtzeitig zu Ende geführt werden konnte. Auch in diesem Jahr war es für Ende April geplant, den Handlungszeitraum des Romans. Da fällt das Ausweichen in den Frühsommer kaum ins Gewicht. Bei der Vorstellung des Programms am Mittwoch freute Sonja Vandenrath, Literaturreferentin der Stadt, die das von einem Verein ausgerichtete Festival seit seiner Gründung im Jahr 2010 fördert, sich vielmehr darüber, dass es persönliche Begegnungen anbieten kann. Das sei das Besondere am Lesefest: "Es bringt die Menschen miteinander ins Gespräch." Zwölf Jahre habe es gedauert, bis Demski an die Reihe gekommen sei: "Das zeigt, wie groß der Fundus ist, aus dem ,Frankfurt liest ein Buch' schöpfen kann."
Mitgenommen haben die Veranstalter die Leser in diesen zwölf Jahren auf eine literarische Stadtrundfahrt einmal quer durch das 20. Jahrhundert. Um den Ersten Weltkrieg und die Weimarer Republik ging es in Siegfried Kracauers "Ginster" und Herbert Heckmanns "Benjamin und seine Väter", um die nationalsozialistische Herrschaft im zuvor vergriffenen Auftakttitel, Valentin Sengers "Kaiserhofstraße 12", und einem Klassiker der Weltliteratur, "Das siebte Kreuz" von Anna Seghers. In die Nachkriegszeit führten Erich Kubys Nitribitt-Roman "Rosemarie - Des deutschen Wunders liebstes Kind" und Martin Mosebachs "Westend".
Wo sein Roman aufhört, kurz vor dem Häuserkampf und der Studentenrevolution, setzt Demskis ein. Die Stadt ihres Buches ist das, was sie seinerzeit war: einer der zentralen deutschen Orte linker Selbstfindungsprozesse zwischen Gefühl, Gedanke, Wort und Gewalttat.
Die bewegten Siebziger haben ihren Auftritt bei "Frankfurt liest ein Buch" dabei schon zweimal gehabt. In Wilhelm Genazinos Angestelltenroman "Abschaffel" schlurften sie dystopisch am Leser vorbei, Eckhard Henscheid präsentierte sie in "Die Vollidioten" als satirischen Schlüsselroman. Nun geht es ernster zur Sache, dabei abwechselnd lyrisch, trocken, ironisch und zärtlich, mit rund 100 Figuren und mehreren Dutzend Schauplätzen, kunstvoll gegeneinander geschnitten, so wie die 1944 geborene Autorin es als Journalistin beim Hessischen Rundfunk gelernt hatte, knapp und reichhaltig. "Der Mann" und "die Frau", so heißen die abwesende und die anwesende Hauptfigur von Demskis drittem Roman, einem Text voller Erfindungen, Verschiebungen und Verdichtungen. Aber der Mann und die Frau sind auch der 1974 gestorbene Anwalt Reiner Demski und seine 1979 als Schriftstellerin debütierende Frau Eva, die den Namen des Toten bis heute führt.
"Es geht um alles", sagt Wolfgang Schopf, der das Nachwort zur Neuausgabe beigesteuert hat: "Um Liebe, Verrat und Verlust." Aber auch um Geschlecht, Sexualität, Kultur und Subkultur, Kunst und Wirklichkeit sowie die Bundesrepublik in der Auseinandersetzung mit dem Linksterrorismus und dem Erbe des Nationalsozialismus. "Verzichten Sie auf die Mühe, das Buch als Schlüsselroman zu lesen", sagt Schopf. Das habe schon dem Staatsschutz nichts genutzt, der den Roman nach seinem Erscheinen 1984 ebenso las wie Demskis Kollegin Katja Lange-Müller, die in jenem Jahr aus der DDR in den Westen übersiedelte und dort als erstes Buch "Scheintod" in Händen hielt. Sie unterhält sich am 6. Juli mit Demski, die bei 15 Terminen auftritt.
Eröffnet wird das Festival am 4. Juli im Sendesaal des Hessischen Rundfunks, wie üblich mit prominenten Vorlesern wie Jutta Ebeling, Elsemarie Maletzke, Martin Mosebach und Rupert von Plottnitz. Wer eine der begehrten Karten haben will, sollte sich sputen, der Vorverkauf hat begonnen. Karten für sämtliche Termine gibt es bei den einzelnen Veranstaltern, das Festivalprogramm findet sich unter frankfurt-liest-ein-buch.de, vom 25. Juni an liegt es gedruckt aus.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Frankfurt liest ein Buch: Zwei Wochen lang geht es um Eva Demski, ihren Roman "Scheintod" und die politisch aufgewühlte Mainmetropole des Jahres 1974. Und es zeigt sich: Das Private ist noch immer politisch, das Politische aber vor allem privat.
Von Florian Balke
Er ist Rechtsanwalt, schwul, aber mit einer Frau verheiratet und verteidigt Lederkerle und Sympathisanten der Roten Armee Fraktion. Die Terrorgruppe hat ihre Brandanschläge auf zwei Kaufhäuser an der Zeil im April 1968 zu diesem Zeitpunkt schon hinter sich, ebenso die tödlichen Bombenanschläge im Mai 1972. Noch bevor stehen die Entführungen und Morde zur Freipressung der inhaftierten Anführer zwischen April und Oktober 1977.
Sie, dem Anwalt nach wie vor in Freundschaft verbunden, teilt sein im breitesten Sinne politisches Engagement und seine anarchisch-individualistische Ablehnung linksextremer Orthodoxien, schreibt für Theater und Rundfunk und hat sich drei Jahre zuvor von ihrem Mann getrennt.
Nun ist er tot. Und sie muss seine Wohnung und Kanzlei auflösen. Dabei wird sie von der Polizei befragt, von "der Gruppe" bedrängt, wirft eine Tasche mit Munition in den Main, die weder dem Umfeld der Terroristen noch den Sicherheitsbehörden in die Hände fallen soll, und arbeitet sich durch die Erinnerung an den Toten.
Zwölf Tage im Frühjahr 1974 schildert Eva Demskis Roman "Scheintod", dem in diesem Jahr das Festival "Frankfurt liest ein Buch" gewidmet ist. Er setzt am Karsamstag ein, in jenem Jahr der 13. April, an dem der nach einem starken Asthma-Anfall Gestorbene in seiner auch beruflich genutzten Wohnung an der Elbestraße im Bahnhofsviertel gefunden wird, und endet mit der Beisetzung des Toten am 24. April auf dem Hauptfriedhof.
Zwölf Roman-Tage bieten Stoff genug für 15 Festival-Tage mit mehr als 70 Lesungen, Gesprächen und Führungen, die vom 4. bis 18. Juli unter Einhaltung sämtlicher dann zu beachtender Corona-Auflagen Besucher anziehen sollen. Nicht nur digital, sondern auch mit Präsenzveranstaltungen, in Parks, Cafés und Buchhandlungen, draußen vor allem, aber auch in Innenräumen. 2020 hatte das Festival in den Herbst verschoben werden müssen, wo es knapp vor der allmählichen Verschärfung der Bestimmungen zur Pandemie-Bekämpfung gerade noch rechtzeitig zu Ende geführt werden konnte. Auch in diesem Jahr war es für Ende April geplant, den Handlungszeitraum des Romans. Da fällt das Ausweichen in den Frühsommer kaum ins Gewicht. Bei der Vorstellung des Programms am Mittwoch freute Sonja Vandenrath, Literaturreferentin der Stadt, die das von einem Verein ausgerichtete Festival seit seiner Gründung im Jahr 2010 fördert, sich vielmehr darüber, dass es persönliche Begegnungen anbieten kann. Das sei das Besondere am Lesefest: "Es bringt die Menschen miteinander ins Gespräch." Zwölf Jahre habe es gedauert, bis Demski an die Reihe gekommen sei: "Das zeigt, wie groß der Fundus ist, aus dem ,Frankfurt liest ein Buch' schöpfen kann."
Mitgenommen haben die Veranstalter die Leser in diesen zwölf Jahren auf eine literarische Stadtrundfahrt einmal quer durch das 20. Jahrhundert. Um den Ersten Weltkrieg und die Weimarer Republik ging es in Siegfried Kracauers "Ginster" und Herbert Heckmanns "Benjamin und seine Väter", um die nationalsozialistische Herrschaft im zuvor vergriffenen Auftakttitel, Valentin Sengers "Kaiserhofstraße 12", und einem Klassiker der Weltliteratur, "Das siebte Kreuz" von Anna Seghers. In die Nachkriegszeit führten Erich Kubys Nitribitt-Roman "Rosemarie - Des deutschen Wunders liebstes Kind" und Martin Mosebachs "Westend".
Wo sein Roman aufhört, kurz vor dem Häuserkampf und der Studentenrevolution, setzt Demskis ein. Die Stadt ihres Buches ist das, was sie seinerzeit war: einer der zentralen deutschen Orte linker Selbstfindungsprozesse zwischen Gefühl, Gedanke, Wort und Gewalttat.
Die bewegten Siebziger haben ihren Auftritt bei "Frankfurt liest ein Buch" dabei schon zweimal gehabt. In Wilhelm Genazinos Angestelltenroman "Abschaffel" schlurften sie dystopisch am Leser vorbei, Eckhard Henscheid präsentierte sie in "Die Vollidioten" als satirischen Schlüsselroman. Nun geht es ernster zur Sache, dabei abwechselnd lyrisch, trocken, ironisch und zärtlich, mit rund 100 Figuren und mehreren Dutzend Schauplätzen, kunstvoll gegeneinander geschnitten, so wie die 1944 geborene Autorin es als Journalistin beim Hessischen Rundfunk gelernt hatte, knapp und reichhaltig. "Der Mann" und "die Frau", so heißen die abwesende und die anwesende Hauptfigur von Demskis drittem Roman, einem Text voller Erfindungen, Verschiebungen und Verdichtungen. Aber der Mann und die Frau sind auch der 1974 gestorbene Anwalt Reiner Demski und seine 1979 als Schriftstellerin debütierende Frau Eva, die den Namen des Toten bis heute führt.
"Es geht um alles", sagt Wolfgang Schopf, der das Nachwort zur Neuausgabe beigesteuert hat: "Um Liebe, Verrat und Verlust." Aber auch um Geschlecht, Sexualität, Kultur und Subkultur, Kunst und Wirklichkeit sowie die Bundesrepublik in der Auseinandersetzung mit dem Linksterrorismus und dem Erbe des Nationalsozialismus. "Verzichten Sie auf die Mühe, das Buch als Schlüsselroman zu lesen", sagt Schopf. Das habe schon dem Staatsschutz nichts genutzt, der den Roman nach seinem Erscheinen 1984 ebenso las wie Demskis Kollegin Katja Lange-Müller, die in jenem Jahr aus der DDR in den Westen übersiedelte und dort als erstes Buch "Scheintod" in Händen hielt. Sie unterhält sich am 6. Juli mit Demski, die bei 15 Terminen auftritt.
Eröffnet wird das Festival am 4. Juli im Sendesaal des Hessischen Rundfunks, wie üblich mit prominenten Vorlesern wie Jutta Ebeling, Elsemarie Maletzke, Martin Mosebach und Rupert von Plottnitz. Wer eine der begehrten Karten haben will, sollte sich sputen, der Vorverkauf hat begonnen. Karten für sämtliche Termine gibt es bei den einzelnen Veranstaltern, das Festivalprogramm findet sich unter frankfurt-liest-ein-buch.de, vom 25. Juni an liegt es gedruckt aus.
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»Scheintod von Eva Demski - das ist ein Politkrimi, eine Liebesgeschichte und eine sehr intime Chronik der politisch turbulenten 1970er Jahre. In ihrem dritten - und nun neu aufgelegten - Roman erzählt die Schriftstellerin von den inneren Widersprüchen eines Menschen, seinem Streben nach Freigeistigkeit und dem gleichzeitigen Verfangen-Sein in den katholisch-konservativen Wurzeln der Kindheit.« Philippa Schindler aviva-berlin.de 20140713