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»Wir haben nicht alles gehört, dafür das meiste gesehen, denn immer war einer von uns dabei. Ein Kommissar, der tödliches Kopfweh hat, eine physikalische Theorie liebt und nicht an den Zufall glaubt, löst seinen letzten Fall. Ein Kind wird entführt und weiß nichts davon. Ein Arzt tut, was er nicht soll. Ein Mann stirbt, zwei Physiker streiten, ein Polizeiobermeister ist verliebt. Am Ende scheint alles anders, als der Kommissar gedacht hat - und doch genau so. Die Ideen des Menschen sind die Partitur, sein Leben ist eine schräge Musik. So ist es, denken wir, in etwa gewesen.«
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Produktbeschreibung
»Wir haben nicht alles gehört, dafür das meiste gesehen, denn immer war einer von uns dabei. Ein Kommissar, der tödliches Kopfweh hat, eine physikalische Theorie liebt und nicht an den Zufall glaubt, löst seinen letzten Fall. Ein Kind wird entführt und weiß nichts davon. Ein Arzt tut, was er nicht soll. Ein Mann stirbt, zwei Physiker streiten, ein Polizeiobermeister ist verliebt. Am Ende scheint alles anders, als der Kommissar gedacht hat - und doch genau so. Die Ideen des Menschen sind die Partitur, sein Leben ist eine schräge Musik. So ist es, denken wir, in etwa gewesen.«

Mit diesen Worten beginnt eine unerhörte Kriminalgeschichte, die der Gegenwart und dem Leser alles abverlangt. Juli Zeh, eine der aufregendsten und intelligentesten Autorinnen ihrer Generation, entwirft in ihrem dritten Roman das Szenario eines Mordes, wie wir es uns bisher nicht vorstellen konnten. Virtuos, sinnlich, rasant, erbarmungslos und scharfsinnig treibt sie ihre Geschichte bis zum grotesken Finale und erklärt ganz nebenbei das physikalische Phänomen der Zeit.

Autorenporträt
Zeh, Juli
Juli Zeh, geboren 1974 in Bonn, wurde für ihre Bücher, die inzwischen in 28 Sprachen übersetzt sind, vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Deutschen Bücherpreis (2002), dem Rauriser Literaturpreis (2002), dem Hölderlin-Förderpreis (2003) und zuletzt mit dem Per Olov Enquist-Preis (2005). Sie lebt und arbeitet als Autorin und freie Juristin in Leipzig. Ihr Werk bei Schöffling & Co.: Adler und Engel (2001), Die Stille ist ein Geräusch (2002), Ein Hund läuft durch die Republik (2004), Spieltrieb (2004), Kleines Konversationslexikon für Haushunde (2005), Alles auf dem Rasen (2006) sowie eine Bühnenfassung ihres Romans Spieltrieb (2006).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sehr von oben herab kanzelt Rezensent Tilmann Lahme die Autorin ab. Man ahnt es schon, wenn er anfangs nicht nur zitiert, was die Frauenzeitschrift "Brigitte" Positives über sie sagt, sondern wiedergibt, wie sie einst schon von "Titanic" abgewatscht wurde ("annähernd apokalyptische altkluge Angeberin und Schwallmadame"). Hoppla, was wird das? Ein Schlachtfest. In dem Roman geht es um die Jugendfreunde Oskar und Sebastian, alle beide "physikalische Genies", die durch die Entführung des Sohnes von Sebastian in einen Schlagabtausch über "Kausalität und Zeit" geraten; einer wird zum Mörder und ein Kommissar namens Schilf dröselt den Fall am Ende auf. Was ist Lahmes Problem? Insgesamt wirft er der Autorin vor, zu ehrgeizig zu große Themen ins Visier zu nehmen, und dann, insbesondere bei diesem Roman, die Figuren zu hölzernen Charakteren zu degradieren, die akademische Themen abhandeln müssen. Der Plot sei "mühsam konstruiert", einiges "krampfhaft selbstironisch" und viele Metaphern findet Lahme einfach nur scheußlich daneben. Und dann freut sich Lahme doch noch über Juli Zeh, - genauer darüber, dass sich die studierte Juristin als nächstes, wie er gehört habe, ihrer Doktorarbeit widmen wolle. Da ist er froh, dass er die nicht lesen muss.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2007

Überall Vögel, aber wo ist Hitchcock?
Vom Adler zum Papagei: Juli Zeh spannt auf die Krimi-Folter / Von Tilmann Lahme

Zuerst das Gute: Der neue Roman von Juli Zeh ist weniger lang als seine Vorgänger. Mit knapp vierhundert Seiten kommt sie in "Schilf" aus.

Und nun zum anderen.

Juli Zeh, 33 Jahre alt, beladen mit Preisen und Stipendien, Lob ("ein Roman von Juli Zeh ist immer ein Abenteuer" - "Brigitte") und Ablehnung ("annähernd apokalyptisch altkluge Angeberin und Schwallmadame" - "Titanic"), hat noch in jedem ihrer drei Romane aufs Große geschielt. Bedeutungsschwer, tiefschürfend und theoriebefrachtet sollen sie sein, und so geht es nach Rechtsphilosophischem ("Adler und Engel"), Spieltheoretischem ("Spieltrieb") jetzt um Zeit und Raum.

Oskar und Sebastian sind physikalische Genies, arrogant und um sich selbst kreisend, vor denen schon im Studium alle ehrerbietig auf die Knie sanken. Jahre später haben sich ihre Wege getrennt, persönlich und wissenschaftlich. Sebastian ist verheiratet und Vater eines zehnjährigen Jungen, Liam, und vertritt als Professor in Freiburg die "Viele-Welten-Interpretation", nach der es parallele Welten neben der von uns wahrgenommenen gibt. "Alles, was möglich ist, geschieht", überschreibt er einen populärwissenschaftlichen Artikel hierzu. Oskar hingegen hält die Welt für ein "Feingespinst aus Kausalität" und strebt danach, die Quantenmechanik mit der Allgemeinen Relativitätstheorie zu vereinigen.

Juli Zeh zwingt ihre Leser in ein Proseminar über das Wesen der Zeit und lässt die beiden ihre Ansichten in hölzernen Dialogen vortragen. Dann kommt die Praxis. Sebastians Sohn wird entführt, er selbst muss, um Liams Leben zu retten, einen Mord begehen. Ein Kommissar namens Schilf, der an Columbo erinnert und todkrank ist, betritt die Bühne, beteiligt sich am Schwadronieren über Kausalität und Zeit und löst schließlich den Fall, der sich als großes Missverständnis herausstellt. Und nicht nur das, Schilf rettet auch den armen Mörder, indem er dessen "Nötigungsnotstand" nachweist. Warum er das tut? Weil die "Vielen Welten" ihm Trost im Angesicht des Todes spenden.

Das ist alles so fürchterlich, wie es klingt, und matt der Trost, dass das Geschehen gar nicht im Zentrum des Romans steht. Die Figuren, die allesamt blass und blutleer bleiben, sind lediglich Thesenträger. Und Juli Zeh führt vor, wie sie ihr angelesenes Wissen vorzutragen weiß. Der mühsam konstruierte Kriminalfall interessiert sie wenig. Ja, sie signalisiert laufend: Dies ist nicht leichte U-Kost, sondern schwere E-Speise. "Höchste Zeit für den Mord" heißt es in der Kapitelüberschrift vor der Tat, krampfhaft selbstironisch. Und Schilf, der erst nach hundertfünfzig Seiten auftaucht, wird so angekündigt: "Mit Verspätung kommt der Kommissar ins Spiel."

Dann verteilt Juli Zeh noch ein paar Hiebe aufs Krimigenre, etwa auf die "vom deutschen Realismus zu Tode bürokratisierten Fernsehkrimis". Wobei das mit dem Bürokratismus seltsam ist angesichts einer Autorin, die ihren Protagonisten, die Nase in den Waldboden gedrückt, darüber sinnieren lässt, ob er "einen Aufnahmeantrag bei den Ameisen" stellen solle. Oder der die Wirklichkeit als "Vertrag zwischen sechs Milliarden Menschen" definiert, den er einseitig habe kündigen müssen, so dass sein Tag nun kein "Echtheitszertifikat" mehr aufweise.

Hinzu kommt Juli Zehs unerwiderte Liebe zur Metapher. Laternen tragen "weite Röcke aus Licht", Strommasten stehen "neben ihren langgezogenen Schatten stramm", der Wind "jongliert am Himmel mit Schwalben" und immer so weiter. Zudem wimmelt es von literarischen Kratzfüßen und von Tieren - es ist ein bemühtes Spiel mit allerlei, der Erzählperspektive etwa. Überall Vögel, aber von Hitchcock keine Spur.

Die "Viele Welten"-Debatte verkommt schließlich, nach so viel spickzettelraschelnder Mühe und marternder Geschwätzigkeit, zum Anlass für eine Beziehungstat. Kurios, wie genretypisch das ist. Während Sebastian sich nicht für eine seiner Welten entscheiden kann, die der Familie oder die seiner Homo-Beziehung zu Oskar, bleibt von all den physikalisch-philosophischen Debatten nur ein lauer Hauch von Eskapismus übrig.

Juli Zeh will sich nun, hört man, ihrer juristischen Doktorarbeit zuwenden. Da kann sie weiter Thesenklappriges stapeln. Und das Beste: Lesen muss es nur einer.

Juli Zeh: "Schilf". Roman. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2007. 383 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Man hält das Buch in den Händen wie ein kostbares Kleinod, so prall gefüllt ist es mit überraschenden Erkenntnissen, schönen Sätzen, poetischen Bildern und kunstvollen Dialogen. Kein Zweifel: Juli Zeh schreibt ganz wunderbar." Amelie Fried