Volker Sommers neues Buch ist nicht nur eine wortgewaltige grüne Kampfschrift für den Naturschutz, sondern ebenso ein eindrucksvolles Zeugnis des faszinierenden Abenteuers Wissenschaft in einer der letzten Wildnisse auf unserem Planeten.
Daß in Afrika noch Abenteuer zu erleben sind, davon erzählt einer der führenden Primatenforscher unserer Zeit. Engagiert und informativ berichtet Volker Sommer von seinem Kampf für den Erhalt der seltensten Schimpansen. Die erst kürzlich entdeckte vierte Unterart hat nur im entlegenen Gashaka-Wald von Nigeria eine Chance auf Fortbestand - umlagert von Wilderern und Waldvernichtern. Sommer erforscht unsere allernächsten Verwandten als Evolutionsbiologe. Ökologie, Sozialverhalten, Werkzeuggebrauch und Naturmedizin der Schimpansen entpuppen sich dabei als feine Anpassung an einen schwierigen Lebensraum. Nur dank einer über Urzeiten gewachsenen Kultur können die Menschenaffen in diesem Dschungel am Rande der Savanne überleben. Werden sie ausgerottet, verliert unser Planet nicht nur Biodiversität, sondern auch kulturelle Vielfalt.
Daß in Afrika noch Abenteuer zu erleben sind, davon erzählt einer der führenden Primatenforscher unserer Zeit. Engagiert und informativ berichtet Volker Sommer von seinem Kampf für den Erhalt der seltensten Schimpansen. Die erst kürzlich entdeckte vierte Unterart hat nur im entlegenen Gashaka-Wald von Nigeria eine Chance auf Fortbestand - umlagert von Wilderern und Waldvernichtern. Sommer erforscht unsere allernächsten Verwandten als Evolutionsbiologe. Ökologie, Sozialverhalten, Werkzeuggebrauch und Naturmedizin der Schimpansen entpuppen sich dabei als feine Anpassung an einen schwierigen Lebensraum. Nur dank einer über Urzeiten gewachsenen Kultur können die Menschenaffen in diesem Dschungel am Rande der Savanne überleben. Werden sie ausgerottet, verliert unser Planet nicht nur Biodiversität, sondern auch kulturelle Vielfalt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2008Es sieht schlecht aus für den Schimpansen
Volker Sommer verschafft sich im Dschungel Klarheit über den Menschen / Von Helmut Mayer
Schimpansen sind unsere nächsten Verwandten. Vor fünf oder sechs Millionen Jahren erst, in evolutionsgeschichtlichen Zeiträumen eine äußerst kurze Zeitspanne, zweigte vom gemeinsamen Stammbaum die auf den modernen Menschen zulaufende Linie ab. Von anderen Primaten wie Gorilla und Orang-Utan sind die Schimpansen stammesgeschichtlich weiter entfernt als von uns. Wir teilen mit ihnen je nach Abschätzung 98 oder 99 Prozent der genetischen Ausstattung. Vor kurzem kam ein Forscher gar auf 99,4 Prozent. Er leitete daraus die Empfehlung ab, uns selbst als weitere Schimpansenart zu klassifizieren.
Eine solche Umbenennung änderte freilich an der Frage nichts, die der Befund aufwirft: Wie kam es bei derart geringer genetischer Differenz zur Entstehung von Mechanismen kultureller Evolution, die den Menschen über die Welt seiner nächsten biologischen Verwandten hinauskatapultierten? In dieser Perspektive ist die enge Verwandtschaft nicht zuletzt deshalb von Interesse, weil sie die Frage nach Unterschieden zu behandeln gestattet, die für die Herausbildung des Menschen entscheidend gewesen sein mögen. Die evolutionäre Anthropologie beschäftigt sich deshalb naturgemäß recht eingehend mit unseren nächsten Verwandten.
Beobachtungen in Zoos und Forschungsinstitutionen haben dabei in den letzten Jahren zu manch überraschenden Einsichten in Verhalten und Fähigkeiten von Menschenaffen geführt. Aber um zu verstehen, worin wir anderen Primaten ähneln und wo die Unterschiede ins Spiel kommen, sind Studien im Freiland von besonderer Bedeutung. Mit ihnen lässt sich der Frage nachgehen, unter welchen natürlichen Bedingungen bestimmte Verhaltensmerkmale ausgebildet werden.
Volker Sommer, Professor für evolutionäre Anthropologie am Londoner University College, widmet sich mit seinen Mitarbeitern seit einigen Jahren der Erforschung der Schimpansen des in Nigeria an der Grenze zu Kamerun gelegenen Gashaka-Gumti-Nationalparks. Sein Buch ist nicht nur und nicht einmal in der Hauptsache eine Darstellung von Forschungsergebnissen über diese westafrikanische Schimpansenunterart. Es ist vor allem ein entschiedenes Plädoyer für den notwendigen Kampf um deren Fortbestand und damit um die Bewahrung zumindest einiger Inseln afrikanischer Wildnis, in denen die Schimpansen überhaupt eine Chance auf Überleben haben werden. Und es ist ein Bericht darüber, welche Schwierigkeiten eine solche mit Naturschutz verknüpfte Forschung in einem afrikanischen Nationalpark jenseits akademischer Elfenbeintürme und abgeschotteter Forschungsstationen zu bewältigen hat.
Denn gut stehen die Chancen weder für die Menschenaffen insgesamt noch für die Schimpansen im Gashaka-Regenwald. Holzeinschlag, Vieheintrieb, Rodungen für Feldwirtschaft, Suche nach Bodenschätzen, Seuchen, Kriege und Flüchtlingsströme lassen die Biotope insgesamt schrumpfen. Selbst wenn sich in den Schutzzonen einige dieser Gefahren eindämmen lassen sollten, reicht dort schon die gnadenlose Wilderei auf der Suche nach "Buschfleisch", um die Bestände in Gefahr zu bringen. Sommers Hochrechnungen ergeben maximal fünfzig Jahre bis zum Verschwinden der Population bei gegenwärtig geltenden Verlustraten.
Verhindern kann diese Entwicklung nur der wirksame Schutz in den Reservaten, der wiederum realistisch nur zu erreichen ist, wenn er lokal verankert werden kann. Zu optimistischen Prognosen ist kein Anlass, doch aussichtslos ist das Unterfangen nicht. Zumal wenn man wie Sommer Hartnäckigkeit mit einem gediegenen, an afrikanischen Verhältnissen geschulten Pragmatismus verbindet.
Ein Ziel des Gashaka-Projekts ist es, die Schimpansen so weit an den Anblick von Beobachtern zu gewöhnen, dass sie sich von Menschen auf ihren Zügen durch den Regenwald begleiten lassen. Das wird noch einige Zeit dauern. Aber wie vieles sich über die Schimpansen lernen lässt selbst dann, wenn man sie nur selten zu Gesicht bekommt, schildert Sommer eindrucksvoll. Zum Beispiel bei der Untersuchung ihrer Schlafnester, die sie jeden Abend schnell und geschickt zu bauen wissen. Oder bei Sichtung der Stecken und Gräser, die sie zum Ameisenfang benutzen und dabei lokale Eigenheiten solchen Werkzeuggebrauchs erkennen lassen. Und erst recht sind ihre Exkremente den Wissenschaftlern in Zeiten hochmoderner Labordiagnostik ein offenes Buch, aus dem sich von Ernährungsweisen bis zum Verzehr bestimmter Pflanzen zum Zweck der Parasitenbekämpfung eine Menge ablesen lässt.
Um die Schimpansen dreht sich letztlich zwar alles. Aber der Weg zu ihnen ist gepflastert mit Mühen, Überraschungen und manchen Erfahrungen mit lokalen afrikanischen Gepflogenheiten. Natürlich gehören Machetentechnik, erschöpfende Regenwaldwanderungen und das Schlafzelt überschwärmende Treiberameisen nebst manch anderem unangenehmen Getier zum Bestand einer solchen Abenteuererzählung.
Aber interessanter ist doch, was Sommer beiläufig an kleinen Begebenheiten im Umgang mit einheimischen Helfern, dörflichen Zulieferern und diversen "Chefs" festhält.
Wenn er etwa Dorfbewohner zur Produktion von Gegenständen animieren will, die sich an westliche Besucher verkaufen lassen, mag man vielleicht schon ahnen, dass seine nigerianischen Gesprächspartner gleich an chinesische Aluminiumtabletts oder pastellblaue Kunststoffkörbe in Herzform denken, die ihnen auf den Märkten der Umgebung ins Auge stechen. Weniger leicht ist die Wendung zu erraten, als der Autor in einer Garküche aus dem Kassettengerät "I'm dreaming of a white christmas" hört und sich beim Kellner danach erkundigt, ob er denn verstehe, wovon dieses Lied handle. Klar, ist die Antwort, zu Weihnachten darf man sich etwas wünschen, und hier träume jeder davon, weiß zu sein.
Wie immer die Wege und Umwege der Verständigung ausfallen, einige große Unternehmungen werden mit der Unterstützung von westlichen Sponsoren und nachdrücklichem Einsatz bewältigt: Aufbau einer Stromerzeugungsanlage, Installation eines Funkmasts und das deutliche Markieren der Grenzen des Nationalparks. Zum überzeugenden Plädoyer gehören auch diese Erfolgsgeschichten. Sie lassen ein wenig hoffen für die Schimpansen des Gashaka-Walds.
Ob der Kampf für ihr Überleben an die dem Autor einleuchtende Forderung geknüpft werden sollte, in ihnen Personen zu sehen, steht auf einem anderen Blatt. Aber solche Fragen kann man wohl auf sich beruhen lassen. Überzeugungsarbeit zählt, und wie die aussieht, hat Sommer mit seinem Bericht schön vorgeführt.
Volker Sommer: "Schimpansenland". Wildes Leben in Afrika. Verlag C. H. Beck, München 2008. 251 S., 14 Farbabb., 1 Karte, geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Volker Sommer verschafft sich im Dschungel Klarheit über den Menschen / Von Helmut Mayer
Schimpansen sind unsere nächsten Verwandten. Vor fünf oder sechs Millionen Jahren erst, in evolutionsgeschichtlichen Zeiträumen eine äußerst kurze Zeitspanne, zweigte vom gemeinsamen Stammbaum die auf den modernen Menschen zulaufende Linie ab. Von anderen Primaten wie Gorilla und Orang-Utan sind die Schimpansen stammesgeschichtlich weiter entfernt als von uns. Wir teilen mit ihnen je nach Abschätzung 98 oder 99 Prozent der genetischen Ausstattung. Vor kurzem kam ein Forscher gar auf 99,4 Prozent. Er leitete daraus die Empfehlung ab, uns selbst als weitere Schimpansenart zu klassifizieren.
Eine solche Umbenennung änderte freilich an der Frage nichts, die der Befund aufwirft: Wie kam es bei derart geringer genetischer Differenz zur Entstehung von Mechanismen kultureller Evolution, die den Menschen über die Welt seiner nächsten biologischen Verwandten hinauskatapultierten? In dieser Perspektive ist die enge Verwandtschaft nicht zuletzt deshalb von Interesse, weil sie die Frage nach Unterschieden zu behandeln gestattet, die für die Herausbildung des Menschen entscheidend gewesen sein mögen. Die evolutionäre Anthropologie beschäftigt sich deshalb naturgemäß recht eingehend mit unseren nächsten Verwandten.
Beobachtungen in Zoos und Forschungsinstitutionen haben dabei in den letzten Jahren zu manch überraschenden Einsichten in Verhalten und Fähigkeiten von Menschenaffen geführt. Aber um zu verstehen, worin wir anderen Primaten ähneln und wo die Unterschiede ins Spiel kommen, sind Studien im Freiland von besonderer Bedeutung. Mit ihnen lässt sich der Frage nachgehen, unter welchen natürlichen Bedingungen bestimmte Verhaltensmerkmale ausgebildet werden.
Volker Sommer, Professor für evolutionäre Anthropologie am Londoner University College, widmet sich mit seinen Mitarbeitern seit einigen Jahren der Erforschung der Schimpansen des in Nigeria an der Grenze zu Kamerun gelegenen Gashaka-Gumti-Nationalparks. Sein Buch ist nicht nur und nicht einmal in der Hauptsache eine Darstellung von Forschungsergebnissen über diese westafrikanische Schimpansenunterart. Es ist vor allem ein entschiedenes Plädoyer für den notwendigen Kampf um deren Fortbestand und damit um die Bewahrung zumindest einiger Inseln afrikanischer Wildnis, in denen die Schimpansen überhaupt eine Chance auf Überleben haben werden. Und es ist ein Bericht darüber, welche Schwierigkeiten eine solche mit Naturschutz verknüpfte Forschung in einem afrikanischen Nationalpark jenseits akademischer Elfenbeintürme und abgeschotteter Forschungsstationen zu bewältigen hat.
Denn gut stehen die Chancen weder für die Menschenaffen insgesamt noch für die Schimpansen im Gashaka-Regenwald. Holzeinschlag, Vieheintrieb, Rodungen für Feldwirtschaft, Suche nach Bodenschätzen, Seuchen, Kriege und Flüchtlingsströme lassen die Biotope insgesamt schrumpfen. Selbst wenn sich in den Schutzzonen einige dieser Gefahren eindämmen lassen sollten, reicht dort schon die gnadenlose Wilderei auf der Suche nach "Buschfleisch", um die Bestände in Gefahr zu bringen. Sommers Hochrechnungen ergeben maximal fünfzig Jahre bis zum Verschwinden der Population bei gegenwärtig geltenden Verlustraten.
Verhindern kann diese Entwicklung nur der wirksame Schutz in den Reservaten, der wiederum realistisch nur zu erreichen ist, wenn er lokal verankert werden kann. Zu optimistischen Prognosen ist kein Anlass, doch aussichtslos ist das Unterfangen nicht. Zumal wenn man wie Sommer Hartnäckigkeit mit einem gediegenen, an afrikanischen Verhältnissen geschulten Pragmatismus verbindet.
Ein Ziel des Gashaka-Projekts ist es, die Schimpansen so weit an den Anblick von Beobachtern zu gewöhnen, dass sie sich von Menschen auf ihren Zügen durch den Regenwald begleiten lassen. Das wird noch einige Zeit dauern. Aber wie vieles sich über die Schimpansen lernen lässt selbst dann, wenn man sie nur selten zu Gesicht bekommt, schildert Sommer eindrucksvoll. Zum Beispiel bei der Untersuchung ihrer Schlafnester, die sie jeden Abend schnell und geschickt zu bauen wissen. Oder bei Sichtung der Stecken und Gräser, die sie zum Ameisenfang benutzen und dabei lokale Eigenheiten solchen Werkzeuggebrauchs erkennen lassen. Und erst recht sind ihre Exkremente den Wissenschaftlern in Zeiten hochmoderner Labordiagnostik ein offenes Buch, aus dem sich von Ernährungsweisen bis zum Verzehr bestimmter Pflanzen zum Zweck der Parasitenbekämpfung eine Menge ablesen lässt.
Um die Schimpansen dreht sich letztlich zwar alles. Aber der Weg zu ihnen ist gepflastert mit Mühen, Überraschungen und manchen Erfahrungen mit lokalen afrikanischen Gepflogenheiten. Natürlich gehören Machetentechnik, erschöpfende Regenwaldwanderungen und das Schlafzelt überschwärmende Treiberameisen nebst manch anderem unangenehmen Getier zum Bestand einer solchen Abenteuererzählung.
Aber interessanter ist doch, was Sommer beiläufig an kleinen Begebenheiten im Umgang mit einheimischen Helfern, dörflichen Zulieferern und diversen "Chefs" festhält.
Wenn er etwa Dorfbewohner zur Produktion von Gegenständen animieren will, die sich an westliche Besucher verkaufen lassen, mag man vielleicht schon ahnen, dass seine nigerianischen Gesprächspartner gleich an chinesische Aluminiumtabletts oder pastellblaue Kunststoffkörbe in Herzform denken, die ihnen auf den Märkten der Umgebung ins Auge stechen. Weniger leicht ist die Wendung zu erraten, als der Autor in einer Garküche aus dem Kassettengerät "I'm dreaming of a white christmas" hört und sich beim Kellner danach erkundigt, ob er denn verstehe, wovon dieses Lied handle. Klar, ist die Antwort, zu Weihnachten darf man sich etwas wünschen, und hier träume jeder davon, weiß zu sein.
Wie immer die Wege und Umwege der Verständigung ausfallen, einige große Unternehmungen werden mit der Unterstützung von westlichen Sponsoren und nachdrücklichem Einsatz bewältigt: Aufbau einer Stromerzeugungsanlage, Installation eines Funkmasts und das deutliche Markieren der Grenzen des Nationalparks. Zum überzeugenden Plädoyer gehören auch diese Erfolgsgeschichten. Sie lassen ein wenig hoffen für die Schimpansen des Gashaka-Walds.
Ob der Kampf für ihr Überleben an die dem Autor einleuchtende Forderung geknüpft werden sollte, in ihnen Personen zu sehen, steht auf einem anderen Blatt. Aber solche Fragen kann man wohl auf sich beruhen lassen. Überzeugungsarbeit zählt, und wie die aussieht, hat Sommer mit seinem Bericht schön vorgeführt.
Volker Sommer: "Schimpansenland". Wildes Leben in Afrika. Verlag C. H. Beck, München 2008. 251 S., 14 Farbabb., 1 Karte, geb., 19,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Helmut Mayer begrüßt Volker Sommers Buch über die Erforschung der Schimpansen im Gashaka-Wald von Nigeria. Er hebt hervor, dass Sommer, Professor für evolutionäre Biologie, nicht nur die Ergebnisse seiner Schimpansenforschung präsentiert, sondern auch ein starkes Plädoyer für den Erhalt dieser Tiere abliefert, deren Überleben wegen Rodungen, der Jagd nach Bodenschätzen, Kriegen, Seuchen, Flüchtlingsströmen gefährdet sei. Zudem berichte der Autor informativ über die Schwierigkeiten der Forschung in freier Wildbahn und die oft abenteuerlichen Erfahrungen, die er und sein Team dabei gemacht haben. Erhellend findet Mayer zudem die beiläufig erzählten Begebenheiten im Umgang mit Einheimischen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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