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Schipino: vier Datschen in der Nähe einer maroden Kolchose. Eine Handvoll Menschen, ein Klavier und ein Gasherd auf einem Hügel mitten im Wald, umringt von Sümpfen und Seen. Jan Riba ist aus seiner Welt gefallen und hier gelandet. Er hat sein Büro in Deutschland abgeschlossen und ist in den Zug nach Moskau gestiegen, zu seinem Freund Viktor, der ihm den russischen Sommer zeigen will. Zusammen sind sie nach Schipino gekommen, haben sich auf dem Heuboden eingerichtet und sich in das Leben der anderen gefügt.Da sind Wassili, der launische Forscher, schön wie eine Frau; der glatzköpfige Pawel und…mehr

Produktbeschreibung
Schipino: vier Datschen in der Nähe einer maroden Kolchose. Eine Handvoll Menschen, ein Klavier und ein Gasherd auf einem Hügel mitten im Wald, umringt von Sümpfen und Seen. Jan Riba ist aus seiner Welt gefallen und hier gelandet. Er hat sein Büro in Deutschland abgeschlossen und ist in den Zug nach Moskau gestiegen, zu seinem Freund Viktor, der ihm den russischen Sommer zeigen will. Zusammen sind sie nach Schipino gekommen, haben sich auf dem Heuboden eingerichtet und sich in das Leben der anderen gefügt.Da sind Wassili, der launische Forscher, schön wie eine Frau; der glatzköpfige Pawel und die dünne Anna. Tolik mit dem Klavier. Darja, die in ihrem Kummer Kleider näht, und die geheimnisvolle Lilja, die wie ein flüchtiger Gast in den Holzhäusern ein und aus geht und sich nach Moskau träumt.Und ganz Schipino wartet auf Mascha, deren Schicksal untrennbar mit diesem Ort und seinem Sterben verknüpft scheint.Svenja Leiber ist eine Erzählkünstlerin, die Landschaften, Stimmungen und Situationen aus wenigen Worten entstehen lässt und ihren Figuren tief ins Herz schaut. "Schipino" ein ist Roman von geradezu magischer Sprachkraft über die Suche nach Atem in einer atemlosen Zeit.
Autorenporträt
Svenja Leiber, 1975 in Hamburg geboren, wuchs in Norddeutschland auf und lebte einige Zeit in Saudi-Arabien. Sie studierte Literaturwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte in Berlin und gewann 2003 den "Literaturpreis Prenzlauer Berg". 2005 erschien der Erzählungsband Büchsenlicht, für den sie 2006 den "Bremer Förderpreis" und 2009 den "Werner-Bergengruen-Preis" erhielt. Für einen Auszug aus "Schipino" wurde sie 2007 mit dem "Kranichsteiner Förderpreis" ausgezeichnet. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2011

Demut vor dem Leben
Svenja Leiber in der Frankfurter Literatur-Lounge

Seit ihrer Kindheit hat sie sich nach Russland gesehnt. Doch: "Denk ich an Russland, denke ich an zerstörte Menschen", sagt Svenja Leiber. Die Schriftstellerin, 1975 in Hamburg geboren, aufgewachsen nahe Lübeck und heute wohnhaft in Berlin, ist entsetzt darüber, wie sich der Kapitalismus im Land ihrer Träume auslebt.

Dabei hatte sie doch in Russland immer nur tiefgründige Menschen kennengelernt, denen es ums Wesentliche ging. 1991 hatte sie zum ersten Mal Russland besucht. Seitdem bewundert sie die Demut, mit der die Russen dem Leben begegnen. "Mein Kompass zeigte immer nach Osten", gestand sie jetzt im "Cosmopolitan"-Restaurant des Frankfurter Hauptbahnhofs, wo Martin Maria Schwarz vom Sender HR 2 Kultur die Autorin als Gast der Literatur-Lounge begrüßte.

Svenja Leiber hatte ihren ersten Roman mitgebracht. "Schipino" (Schöffling) ist ein Buch über Russland aus der Perspektive eines lebensmüden Deutschen. Jan Riba hat seine gescheiterte Ehe und seinen Job hinter sich gelassen, um bei seinem russischen Freund Viktor gesund zu werden. Mit allen Anzeichen einer Erschöpfungsdepression sitzt er im Zug nach Moskau und verweigert sich jedwedem Gespräch. Von der Metropole sieht er nichts, weil er den elften Stock des Hochhauses, in dem Viktor wohnt, nicht verlässt. Angst überwältigt ihn, er fühlt sich wie ein krüppliger Apfelbaum in einem wuchernden Weidenwald. Der Zugfahrt durch endlose Wälder und einem Zusammenbruch im Dickicht der Großstadt folgt der Aufbruch nach Schipino, einem - fiktiven - Weiler zwischen Moskau und Sankt Petersburg. "Riba landet zitternd in der Natur wie ein frisch geborenes Kitz." Zwei Stunden lang schlägt er sich mit Viktor durch den Sumpf und Saft einer übergriffigen Natur zwischen dem Provinzbahnhof und den vier Datschen, in denen eine Handvoll "Übriggebliebener" der alten russischen Kultur ihr Dasein fristen. In dieser gebrochenen Idylle begegnet der Protagonist Lilja, einer Frau mit Hund und einem Vorleben unter dem Namen Mascha. Ihr verdankt sich der ganze Roman, der aus einem Nachruf Leibers auf eine Verstorbene hervorging.

Lilja erscheint in einer Spiegelscherbe, mit der sich Riba rasiert, und sie taucht ab wie eine Nixe im Schwarzen See, in dem Riba badet. Wie diese Figur, so verschwebt auch der Roman im Ungefähren zwischen Schachtelhalmfeldern und "stummen Tieren im Gestrüpp". Svenja Leiber wollte einen "Aventüren-Roman" schreiben. Das ist ihr gelungen. Wie Wolframs reiner Tor Parzival findet Riba erst zu sich selbst zurück, als er den Panzer seiner Indifferenz sprengt und die eigene Not zur Empathie hin überschreitet. Mit plastischen, unverbrauchten Bildern und unerwarteten Volten und Wendungen weckt ihn die Autorin aus seiner Abgestumpftheit, schärft seine Wahrnehmung und zugleich die Sinne des Lesers für dieses literarische Gemälde. "Schipino ist kein Ort der Glückseligkeit", resümierte Schwarz. Aber doch ein "Kunstort", an dem sich die geistige Unruhe des Einzelnen, seine Suche nach Sinn, von der Demut vor dem Ganzen des Daseins bezwingen lässt. "Schipino" ist auch eine Hommage an eine Kultur, deren Wurzeln vom Stalinismus ausgerissen wurden.

c.s.

Bei der nächsten Literatur-Lounge am 4. September um 11 Uhr stellt Gabriele Kögl ihr Buch "Vorstadthimmel" im "Cosmopolitan" vor.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eine Art absichtsvolle Ratlosigkeit hinterlässt der erste Roman der 1975 geborenen Svenja Leiber bei der Rezensentin Meike Fessmann. Falls es so etwas wie ein Zentrum gibt, sind es die Erlebnisse des deutschen Anwalts Jan, der, aus einer Ehe- und Lebenskrise flüchtend, nach Moskau und von dort weiter ins ländliche und sommerliche Schipino reist, unterdessen männliche und weibliche Bekanntschaften macht, im Laufe der Erzählung immer weiter in Zeit und Raum versackt und sich schließlich, wie die Figuren und Orte um ihn herum, Seite für Seite entmaterialisiert, bis sich auf ihn die Wortbildung "Nichts-Nichts" applizieren lässt. Kafka und Tschechow lassen grüßen, so Fessmann, die sich kein abschließendes Urteil erlauben möchte, außer diesem, dass der auf keine Höhepunkte zusteuernde Roman einen Nachruf auf die früher übliche "Sommerfrische" enthält, "eine Auszeit, bei der man wieder zu Kräften kommen" konnte.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Leiber hat einen scharfen Blick für die städtischen und ländlichen Alltagsdetails eines Landes, das die permanente Katastrophe mit ungeheurer Vitalität vereint.« Florian Balke, Frankfurter Allgemeine Zeitung »Am ehesten lässt sich Schipino als Nachruf auf jenes Phänomen lesen, das man einmal 'Sommerfrische' nannte: eine Auszeit, bei der man wieder zu Kräften kommt.« Meike Feßmann, Süddeutsche Zeitung »Schipino ist ein couragiert und intensiv erzählter Roman, dessen Stärke seine unverbrauchte Sprache ist.« Rainer Moritz, Neue Zürcher Zeitung »Sie ist lakonisch, treffsicher und, als wäre dies eine Selbstverständlichkeit, kitsch- und klischeefrei.« Katrin Schings, Berliner Zeitung »Denn dieser Roman ist nicht romanhaft im herkömmlichen Sinne, sondern ein perfekt gearbeitetes Tableau.« Susann Rehlein, der Freitag »Ein gelungenes Buch über Menschen am Ende der Welt und ein grossartiges Buch über die lebendigen Widersprüche im heutigen Russland!« Oliver Seppelfricke, Saarländischer Rundfunk »In knappen und doch bildstarken Sätzen macht sie das Gefühl von Vergeblichkeit greifbar.« Karin Grossmann, Sächsische Zeitung »Man kann nicht verhehlen, dass diese Geschichte einen ganz starken Sog entwickelt.« Sigrid Löffler, Deutsche Welle »Sie schafft es mit einer ganz einfachen Sprache, ohne Schnörkel, Landschaften zu entwerfen, oder auch Licht und Stimmungen. Es ist faszinierend.« Buchhändlerin Ramona Hönke (Buchbox, Berlin), RBB Radio eins »Ein Text, der auch das mehrfache Lesen verträgt, ja, sogar danach ruft, und der dennoch seine Geheimnisse nicht in Gänze offenlegt.« Badische Zeitung »Mit 'magischer Sprachkraft' erzählt die Autorin von einem verlorenen Flecken Erde an der Peripherie der Welt.« Südhessen Woche…mehr