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'Die Lektüre von Marko Martins Büchern erzeugt einen Sog, dem sich Leser nur schwer entziehen können.' Hans Christoph Buch Motivisch verbundene Geschichten aus Teheran, Prag, Mexico-City, Nizza, Israel, dem Kongo und anderswo: Liebe, Sex und Leben in einer globalisierten Welt. Junge Männer aus der iranischen Upper-Class, die sich aus der Enge einer geschlossenen Gesellschaft in eine nicht weniger formierte Privatexistenz flüchten; junge Israelis, die sich plötzlich in die Realität von Terroranschlägen und zweiter Intifada katapultiert sehen; ein homosexueller Museumsführer aus Berlin, der…mehr

Produktbeschreibung
'Die Lektüre von Marko Martins Büchern erzeugt einen Sog, dem sich Leser nur schwer entziehen können.' Hans Christoph Buch Motivisch verbundene Geschichten aus Teheran, Prag, Mexico-City, Nizza, Israel, dem Kongo und anderswo: Liebe, Sex und Leben in einer globalisierten Welt. Junge Männer aus der iranischen Upper-Class, die sich aus der Enge einer geschlossenen Gesellschaft in eine nicht weniger formierte Privatexistenz flüchten; junge Israelis, die sich plötzlich in die Realität von Terroranschlägen und zweiter Intifada katapultiert sehen; ein homosexueller Museumsführer aus Berlin, der seine traumatische DDR-Vergangenheit Jahr für Jahr in zwei glamourösen Urlaubswochen an der Côte d'Azur vergessen will: Marko Martins Erzählungen demonstrieren eine hierzulande seltene Welthaftigkeit und eine unerschöpfliche Neugier, die aus der Faszination des Erotischen nicht das geringste Geheimnis macht. Selten dominierte sie ein Buch mit solch souveräner Selbstverständlichkeit: Liebe istLiebe, ob in England, in Mexiko, in Israel oder in Deutschland, im Glück, im Unglück. Keine der Amouren, die so unterschiedliche und bunte Gesellschaften durchdringen, schließt sich in abgeschiedenen Zirkeln ein: im Gegenteil, sie öffnen die Fremde - auch dank des mitreißenden Temperaments der Sprache Marko Martins.
Autorenporträt
Marko Martin, geboren 1970 in Burgstädt/Sachsen, erhielt aus politischen Gründen in der DDR Hochschulverbot. Im Mai 1989 Ausreise in die Bundesrepublik aus. Ab 2000 Veröffentlichungen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.01.2010

Jenseits des fundamentalistischen Getuckes
„Es sind die Körper, die zählen, nicht die Ideen” – Marko Martins Reiseerzählungen „Schlafende Hunde”
Wenn man in Mexico-City dem Zusammentreiben der Kulturbetriebsleute und Bedeutungshuber entwischt, um ein oder zwei nächtliche Abenteuer zu suchen, dann kann es, wenn man die richtigen Bücher schon gelesen hat, unversehens passieren, dass man einen Dichter trifft, der all die deutschen Emigranten, die Renegaten und die Feiglinge und die Gläubigen, kannte, der aus seinem und ihrem Leben so lebendig berichtet, als wären die Toten vor kurzem erst für einen Augenblick bloß vor die Tür gegangen. Er redet in einem fort, plappert über die Verklemmten und die Hoffnungslosen, über Trotzki und junge Mexikaner, über Stalinismus und Tuntentum.
Wäre er wieder jung, würde er über diesen viel zu wenig beachteten Zusammenhang eine kleine Kulturgeschichte entwickeln: „Denken Sie nur an Ulbrichts und Honeckers Gekeife, das Getucke von Maurice Thorez, das hormonelle Umwandlungsgebrumm von Breschnew, Andropow und Tschernenko, die unter ihren medaillenbehängten Jäckchen schlaffe Frauenbrüste spazieren führten und bei all den Panzeraufmärschen und Demonstrationen die unbestrittenen Queens waren! Und dazu dieses dauernde Beleidigtsein . . . ”.
Gegen dieses falsche, mörderische Getucke setzt Marko Martin in seinen Erzählungen das „richtig Schwule”: Ungebundenheit, Sex und Zusammenhalt. Es seien, heißt es in dem anti-stalinistischen Erinnerungsmonolog aus Mexiko-City, „die Körper, die zählen, nicht die Ideen.” Vom Kampf zwischen Körpern und Ideen berichtet jede der acht Geschichten Marko Martins. Sie spielen in Teheran, Israel, Prag, im Kongo oder in Nizza. Wo auch immer: es müssen die Freiheitsfreunde sich totalitärer Zumutungen erwehren, sich gegen terroristische Bedrohungen wappnen, das Geschwätz „nützlicher Idioten” ertragen.
Marko Martin weiß, wovon er spricht. Er hat als junger Mann, geboren 1970, die DDR durchlitten, in ihr, was nur wenige taten, den Wehrdienst verweigert. Im Mai 1989 reiste er aus. Er hat lange in Paris gewohnt und mehr von der Welt gesehen als die meisten seiner Generationsgenossen. Seine Reportagen erschienen im Jahr 2008 unter dem Titel „Sonderzone”.
Seine Erzählungen sind Kabinettstücke engagierter Literatur, aie fordern den Leser heraus, sich auf die Seite des Erzählers zu stellen, dessen Partei zu ergreifen. Neben dem wuchtigen Mexico-Monolog des schwulen Dichters überzeugen vor allem zwei kleinere Erzählungen, die dem Alltäglichen näher stehen als dem großen historischen Ereignis oder dem menschheitlichen Rundumschlag.
Da ist zum einen „Cocaine”, der Bericht über einen älteren Schwulen, der in jedem Jahr für kurze Zeit dem Berliner Treiben und seiner Herkunft aus der DDR entflieht, um in einem Club in Nizza das Paradies zu finden – oder doch so viel davon, wie ihm möglich ist. Jedes Mal vollzieht er den Augenblick der Befreiung nach, den Augenblick des Entkommens.
Hier ist eine ostdeutsche Erfahrung still, deutlich, suggestiv gestaltet. Wären die Schulen, wie sie sein sollten, dies wäre ein Text fürs Schulbuch. Daneben steht als Erzählung von Trotz und Widerstandskraft „Vater schreibt einen Brief”: Szenen einer Kindheit in einer Gegend, in der man von „Schlüppern” spricht, unter Leuten, die gern tückisch werden.
Leider verdirbt Martin diese Erzählung halb, indem er seiner journalistischen Leidenschaft freien Lauf und Sätze stehen lässt, die jeden Leitartikel zieren würden, aber hier bloß verdeutlichen, was vorher erzählt worden ist, als sei der Leser zu dumm, die Summe selbst zu ziehen. Diese Eigenart wie der verhängnisvolle Hang zur Tirade stören den sorgfältigen Bau der Erzählungen, machen sie platter. Man spürt erzieherische Absicht und möchte sich dem entziehen. Dabei wäre es schade, „Schlafende Hunde” nicht zu kennen: acht Hohelieder auf Seelenstärke, Freundschaft und Freiheitsliebe. JENS BISKY
MARKO MARTIN: Schlafende Hunde. Erzählungen. Die Andere Bibliothek. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2009., 382 Seiten, 32 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.05.2010

Nur keine falsche Bewegung machen
Topographie des Zutrauens: "Schlafende Hunde" heißen die Erzählungen des Berliner Autors Marko Martin, die Meisterwerke der Intensität sind

Etwas geht hier vor. Obwohl doch gerade nichts vor sich geht, ein langsames Aufblenden zwar, doch was sichtbar wird, ist ein Stillleben: eine farbenreiche Studie über die Liebe, welche diese aber nicht wie üblicherweise in ihrem Ablauf abbildet, sondern gewissermaßen räumlich verortet, als gigantisches Kraftfeld präsentiert.

Und auch stilistisch greift dieser Autor souverän über weite Zeiträume hinweg: In der Antike kannte die Literaturtheorie nur zwei Möglichkeiten des Erzählens, vom weit entfernten Anfang her oder mitten aus dem Schlachtgetümmel der Ereignisse heraus, wobei schon Horaz keinen Zweifel daran ließ, wie sehr das zweite, in Homers Epos "Ilias" zur Meisterschaft geführte Modell der deduktiven Poesie überlegen sei. Die Moderne fügte diesen beiden Perspektiven die testimoniale hinzu, die Narration vom Ende her, eine ungeheure Aufwertung des Erzählers auf Kosten des Geschehens, das schließlich nicht mehr himmlisch approbiert war.

Nur selten noch, in der Neuen Sachlichkeit zum Beispiel, trat man hinter dieses kartesianische Modell zurück, um auf die Dinge und Personen selbst zu hören. Im Erzähler hatte der Autor das Objekt seiner Begierde gefunden: Die moderne Literatur ist vor allem ein narzisstisches Liebes- und Machtspiel zwischen diesen beiden Instanzen.

Nur eines war dabei aus dem Blick geraten: So ist das Leben nicht und schon gar nicht die Liebe. Weder vom Ende noch vom Anfang her findet all das statt, sondern immer in medias res, chaotisch, unvernünftig in ihrem Zutrauen, zersplittert in unvereinbare Perspektiven. Dem aber wird ein extrem personales Erzählen, wie es die dialogische und verdichtete Prosa des Berliner Autors Marko Martin, Jahrgang 1970, prägt, viel besser gerecht als jedes auktoriale Psychologisieren. Kopfüber stürzt der Leser sämtlicher Erzählungen des nun erschienen Bandes "Schlafende Hunde" ins Geschehen, das oft gar keine Handlung im klassischen Sinn ist, sondern eher poetisches Präsens oder Erinnerungserkundung.

Mitten in den Sachen: ",Etwas geht hier vor', sagte Florent", so beispielsweise beginnt die besonders eindrucksstarke Titelgeschichte, eine andere: "Der Junge hofft, dass es nicht funktioniert." Was dieses "es", was jenes "etwas" ist, das erschließt sich bald, aber zugleich kommt noch vieles hinzu, das zunächst einmal nur den Protagonisten durchsichtig zu sein scheint.

Ein wenig fühlt man sich bei Marko Martin wie der zu Freunden mitgenommene Gast, um den kein großes Aufhebens gemacht wird. Wir sind auf vertrauliche Weise involviert, nehmen teil an diesen Begegnungen, in deren Zentrum immer die Liebe steht, auch die körperliche - homosexuell zumeist -, wobei das erst nach und nach sichtbar werdende Netzwerk die verschiedensten Orte überspannt: Israel, Somalia, Mexiko, Berlin, London, Barcelona, Iran, immer wieder auch die DDR, die der Autor - als Kriegsdienstverweigerer - noch kurz vor ihrem Ende verließ.

Dass man sich als Leser nicht entmutigen lässt davon, dass die Erzählungen ein ums andere Mal einfach ruhig auslaufen, ohne finalen Knalleffekt, ohne Abschluss, dass man diese kontemplative, meist leicht melancholische Stimmung sogar sehr genießt, liegt vor allem an der Meisterschaft der sprachlichen Form: Marko Martin, der seit vielen Jahren als Reporter die Welt bereist und in vielen Essays und bereits mehreren, stärker autobiographisch gefärbten Romanen seinen Stil perfektioniert hat, gelingt das Kunststück der Einfühlung, ohne manieriert zu wirken. Dieser Autor nämlich erklärt nicht, sondern stellt dar, schiebt sich nicht vor seine Gegenstände, sondern nimmt sich zurück, hat ein seltenes Zutrauen zu Figuren und Lesern.

Die vermeintliche Fremde spielt eine wichtige Rolle in allen Erzählungen, wobei die Helden hier in der Regel auch auf Bekanntes treffen. Ein geschickter Schachzug ist es, der Exotik der Orte die weltumspannende Einheit der Homosexuellenszene zu kontrastieren: Interessen, die sich gleichen, ob in Berlin oder in Iran. So treffen wir etwa auf Babak, einen Iraner aus der Oberschicht, der den Leser gleich zu Beginn des Buches in eine orgiastische Szenerie führt, in der es aber doch feste Regeln gibt, da die erotischen Partner aus der Unterschicht stammen. Dass der scheinbare Rückzug ins Private nur über Bestechung "der Typen vom Komiteh" funktioniert, erfahren wir nur in einem Nebensatz.

So anrührend die Schilderung der Beziehungen und Befindlichkeiten aber auch ist - ob die letztlich befreiende Konfrontation des sensiblen Gemüts eines intelligenten Jungen in der DDR mit der rüden Maskulinität beim aufgedrückten Reitunterricht oder die Versuche eines Berliners, bei alljährlichen Nizza-Besuchen zu vergessen, dass ihm die DDR seine besten Jahre genommen hat -, dies allein würde schwerlich über die knapp vierhundert Seiten tragen. Was also ist das Geheimnis von Marko Martins Poetik? Es ist ihre Realitätssättigung, so sehr, dass man bei dieser Prosa beinahe von subkutanen Reportagen sprechen könnte. Was wir über die verschiedenen Gesellschaften und Subkulturen bei ihm erfahren, ist nicht einfach bloß das Setting für eine Handlung, kein reines Beiwerk, sondern eben genau recherchierte und souverän eingefangene Atmosphäre, historisch und mentalitätsgeschichtlich belastbar. Daraus entsteht eine authentische Intensität, der nicht zu entkommen ist, auch die Figuren erliegen ihr.

In den drei längsten Erzählungen des Bandes wird dies auf wunderbare Weise deutlich. Einmal durchkreuzen wir mit dem Protagonisten die so verschiedenartigen und doch einander bedingenden Schichten der jüngeren Geschichte Prags, ein anderes Mal erleben wir den israelisch-palästinensischen Konflikt aus intimer Nähe, da sich Benny, ein deutscher Fotograf, als Medium körperlicher Art betätigt und mit Männern beider Seiten Verhältnisse eingeht.

Die detaillierte Erzählung dieser sexuellen Abenteuer spendet nun wiederum dem jungen Israeli Reuven Trost, der soeben seinen Bruder verloren hat, allerdings nicht im Krieg, sondern - bittere Ironie - bei einem schnöden Verkehrsunfall. Die Titelgeschichte wiederum handelt von einem schwulen Pärchen, das ein befreundetes, nicht schwules Pärchen in Somalia besucht: Und auch dieses aus der Geschichte gefallene, traumatisierte Land, in dem ständig die Gefahr besteht, mit einer falschen Bewegung schlafende Hunde zu wecken und den Tod zu riskieren, kommt uns an der Seite des amerikanischen Journalisten Jason so nah wie nur selten.

Das alles erfreut so sehr, wie es lehrreich ist, um auf Horaz zurückzukommen. Marko Martin erinnert uns auf schönste Weise daran, was oft dem Narzissmus geopfert wurde: dass der Gehalt der Literatur die Welt ist.

OLIVER JUNGEN

Marko Martin: "Schlafende Hunde". Erzählungen. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2009. 384 S., gebunden, 32,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Jens Bisky ist im Großen und Ganzen sehr angetan von diesen Geschichten Marko Martins, die seiner Meinung nach "Kabinettstücke engagierter Literatur" sind und trotz ihrer kosmopolitischen Ausrichtung auch die Erfahrungen reflektieren, die der Autor durch seine Jugend in der DDR gemacht hat: Wären Schulen, was sie sein sollten - "dies wäre ein Text fürs Schulbuch", ruft Bisky. Besonders die "kleineren Erzählungen", die fernab des großen historischen Ereignissen stattfinden, findet Bisky gelungen. Doch so sehr ihm die Substanz der Geschichten gefällt - mit ihrer Präsentationsform ist der Rezensent nicht so recht zufrieden. Zu journalistisch findet Bisky Martins Tonfall, zu oft zieht der Autor ein Fazit, das die Geschichte in solcher Deutlichkeit gar nicht bräuchte - "als wäre der Leser zu dumm". Das, wie auch ein mitunter "verhängnisvoller Hang zur Tirade" lassen die Geschichten "platter" wirken, als sie eigentlich sind.

© Perlentaucher Medien GmbH