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»Eines der beeindruckendsten Debüts der Saison.« Die literarische Welt
Sein Vater, ein windiger Halodri, hat sich aus dem Staub gemacht, die Mutter verdient ihr Geld in der Stadt, heilfroh, der ländlichen Enge Kärntens und vor allem des Elternhauses entkommen zu sein. Ihren Sohn, den Ich-Erzähler, besucht sie nur gelegentlich auf dem langsam verfallenden Bauernhof. Dort wächst er bei den Großeltern auf, umsorgt von der Zuneigung der arbeitsamen, frommen Großmutter, magisch angezogen und abgestoßen zugleich von der rauhen Körperlichkeit des impulsiven Großvaters.
Entbehrung und Armut
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Produktbeschreibung
»Eines der beeindruckendsten Debüts der Saison.« Die literarische Welt

Sein Vater, ein windiger Halodri, hat sich aus dem Staub gemacht, die Mutter verdient ihr Geld in der Stadt, heilfroh, der ländlichen Enge Kärntens und vor allem des Elternhauses entkommen zu sein. Ihren Sohn, den Ich-Erzähler, besucht sie nur gelegentlich auf dem langsam verfallenden Bauernhof. Dort wächst er bei den Großeltern auf, umsorgt von der Zuneigung der arbeitsamen, frommen Großmutter, magisch angezogen und abgestoßen zugleich von der rauhen Körperlichkeit des impulsiven Großvaters.

Entbehrung und Armut kennzeichnen diese Kindheit in der österreichischen Provinz ebenso wie die spielerische Lust an der Entdeckung des anderen Geschlechts und das Gefühl mangelnder familiärer Geborgenheit. Erst im Schulalter reißt die Mutter den Buben aus dieser bäuerlichen Welt heraus. Spät, aber dafür um so nachdrücklicher, verlagert die Mutter ihre Aufmerksamkeit von diversen Männerbekanntschaften auf ihren Sohn. Die Nähe der zuvor schmerzlich Vermißten weckt bei ihm allerdings nur mehr das Bedürfnis nach Abgrenzung. Es fällt ihm nicht leicht, sich aus der mütterlichen Umklammerung zu befreien. Doch so wie die Schlange sich häutet, läßt er schließlich Altes hinter sich.
Autorenporträt
Truschner, Peter
Peter Truschner, 1967 in Klagenfurt geboren, ist in Maria Saal aufgewachsen. Nach dem Studium der Kommunikationswissenschaften und Philosophie in Salzburg lebt er heute in Berlin. Seit 1990 Veröffentlichungen in Kultur- und Literaturzeitschriften, 1997 Aufführung des Stücks 'Plexiglaswelten', 2000 Dramolett 'Fasching' für das Kinder- und Jugendtheaterfestival Teatro im Toihaus-Theater in Salzburg. 1999 Österreichisches Staatsstipendium für Literatur. 'Schlangenkind' ist sein erster Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2002

In Großmutters Armen
Kein Erbe Leberts: Peter Truschners ungehobeltes Paradies

Ein junger Österreicher, der seinen ersten Roman mit der Schilderung seines Kindheitsdorfes und des dort ansässigen ländlich-furchterregenden Personals beginnt? Und das im Jahr 2001? Das klingt so altbekannt wie anachronistisch. Denn wenn auch, mit einem spöttischen Wort des Germanisten Wendelin Schmidt-Dengler, der "Reiz der Frage" nach den Besonderheiten der österreichischen Literatur seit jeher "wesentlich in der Gereiztheit der Disputanten" lag, so ist die österreichische Literatur nach 1945 trotzdem vor allem für eines weithin bekannt geworden: für die gnadenlose literarische Attacke auf die Provinz, für die Schilderung der physischen und psychischen Brutalität einer immer allzu engen Heimat.

"Anti-Heimat-Literatur" hat man mit Recht genannt, was bei Hans Lebert und Gerhard Fritsch begann, sich fortsetzte bei Innerhofer und Wolfgruber, seinen unerreichten Höhepunkt fand bei Thomas Bernhard und woraus der schwer zugängliche, die Heimathölle besessen exorzierende Josef Winkler als letzte, späte Blüte bis heute seine literarische Energie bezieht.

Auf dieses bereits hinlänglich bestellte Feld begibt sich nun scheinbar Peter Truschner, ein unerwarteter Enkel aus einem längst für unfruchtbar gehaltenen Stamm. Doch läßt er einem wenig Zeit, sich über die ländliche Umgebung, über das übliche Kärntner Dorf zu ärgern, in das man da ungewollt aufs neue hineingerät, denn flugs überwältigt er einen mit seiner kräftigen Sprache: "Eines Tages war das Leben auf meinen Großvater herabgefallen wie ein Tropfen Harz auf eine Fliege. Wer ihn kannte, schwor, daß er sich im Harz bewegte, als wäre nichts weiter geschehen." Peripher beginnt Truschner eine Kindheit zu erzählen, vom Großvater her, der in der Folge nicht wichtiger ist als eben ein zufälliger Großvater, doch tut er das mit derselben liebevollen Genauigkeit und analytischen Schärfe wie bei den anderen, für das "Ich", das Kind, bedeutsameren Personen. So entstehen überaus plastische Porträts bei gleichzeitig beeindruckender ironischer Distanz. Der Großvater also, das ist einer, der den Besitz verspielt, der raucht und säuft und im unappetitlichsten Wirtshaus-Zustand das Kind nächtens aus dem Bett der Großmutter vertreibt, wenn er versucht, sich einmal mehr über seine Frau zu werfen.

Die Großmutter dagegen, eine typische alte Bäuerin, der ganzen Familie unterworfen bis zur totalen Selbstaufgabe, ist die erste große, instinktive Liebe dieses Kindes. Truschner beschreibt diese Beziehung auf mutige und souveräne Weise vom Körper her - dem alternden Körper der Großmutter, einer in manchem abstoßenden, doch jederzeit verläßlichen Heimat: "die Gerüche, die wir absondern, wenn wir nach dem Mittagessen in Löffelstellung auf der Polsterbank liegen, uns dann umarmen, ich mit meiner Nase in deiner Achselhöhle, am Rande deines fleischigen, mit einem Mückenschwarm von Sommersprossen gesprenkelten Oberarms".

Vor allem in den ersten, kraftvoll-bildmächtig auf dem Dorf spielenden Kapiteln lassen sich die beiden wichtigsten und interessantesten Eigenschaften dieses Buches erkennen. Erstens: "Schlangenkind" gehört, wie es die Jugend des Autors letztlich gebietet, keineswegs zur typisch österreichischen Anti-Heimat-Literatur. Denn es macht die Provinz nicht zum Tatort, zu einem Ort des Schreckens und auch nicht zum Schuldigen an den eigenen Neurosen. Truschner scheut sich zwar nicht, deutlich zu werden, wenn es um das Grausame und Abstoßende, um das Gewalttätige und das Körperliche geht, dennoch bleibt sein kärntnerisches "Poppichl" ein ungehobeltes Paradies, jenes Paradies, das man so zwangsläufig verliert wie die Kindheit. Zweitens: Truschners größtes und überraschendes Talent ist seine Sprache - doch gleichzeitig bringt gerade diese Begabung ihn ständig in Gefahr, überzulaufen, sich zu verschätzen, danebenzugreifen. In manchen Passagen erinnert Truschner an einen Opernsänger, der so lange Koloraturen geübt hat, bis sie ihm auch an den falschen Stellen geschmäcklerisch passieren: "Die Stationen ihres Lebenswegs erscheinen mir so lückenlos aneinandergereiht wie die Perlen an ihrem Rosenkranz" - "Seine Augen hafteten an Traudis nacktem Unterleib, als wären sie die dazugehörige Unterhose". Ein Computersuchprogramm, das bloß das Wörtchen "wie" aufspürt und dann die Hälfte der vom Autor überbordend verwendeten Vergleiche im Text eliminiert, hätte geholfen.

Trotzdem: Hier kann einer wahrlich schreiben, und er riskiert dabei alles, eben auch den einen oder anderen Fehlgriff. Beeindruckend kraft- und kunstvoll sind etwa jene Szenen, in denen Großvater und Mutter ihre traditionellen Auseinandersetzungen aufführen wie ein hundertmal gespieltes Bühnenstück. Es ist das uralte Kräftemessen zwischen einem naturwüchsig autoritären Vater und der weitaus gebildeteren Tochter, die im Streit dennoch immer unterliegt, weil sie von ebenjenem väterlichen Denksystem, das sie wütend besiegen will, von klein auf geschult und abgerichtet wurde.

"Schlangenkind" ist in vieler Hinsicht ein erstaunliches Debüt. Anders als manche Autoren der jungen deutschen Literatur, die sich sprachlich auf einen trocken-distanzierten, eher auf Rhythmik denn auf plastischen Ausdruck bedachten Stil zurückziehen, schreibt Truschner barock und risikoreich wie lange keiner mehr. Distanz und Klugheit bewahrt er dennoch: auf der nächsten Ebene nämlich, in der Erzähler-Haltung zu den Figuren einerseits, andrerseits mit einer höchst ökonomischen Dramaturgie der Szenen und Dialoge, die nie zu lang geraten, den Leser im Gegenteil manchmal heilsam hungrig lassen. Truschner, Jahrgang 1967, hat in "Schlangenkind" dennoch genau dasselbe Problem wie viele seiner Altersgenossen: Ihm fehlt noch ein Stoff, der diesen Namen verdient. Wäre er ein junger Maler, würde man ihm fürs kreative Modellzeichnen, für die kräftigen talentierten Skizzen seiner Kindheit nur die besten Noten geben. Der Strich, der Stil stimmen schon genau, das eigene Thema, die runde ganze Geschichte, die so aufregend ist wie seine Sprache, kommt hoffentlich noch.

EVA MENASSE

Peter Truschner: "Schlangenkind". Roman. Zsolnay Verlag, Wien und München 2001. 175 S., geb., 17,90 [Euro].

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"Peter Truschner fügt dem Leben seine unverwechselbare Poesie hinzu." Peter Turrini