"Mehr Menschen als das Schwert tötet der Fraß", meinte der griechische Arzt Galenus vor 2000 Jahren. Und er hat bis heute recht: Zu fettes Essen und Bewegungsarmut sind die größten Gesundheitsgefährdungen unserer Gesellschaft. Das Ideal unserer Zeit aber ist es, schlank zu sein. Der Boom von Diäten, Fitnessgurus und Ernährungsratgebern legt davon Zeugnis ab. Die schlanke Linie entscheidet mit über gesellschaftliche Anerkennung und beruflichen Erfolg, und der Kult um die Figur prägt unser Bewusstsein - bis hin zu Ernährungsstörungen. Sabine Merta geht diesen Widersprüchen nach und findet den Ursprung der modernen Körperästhetik in der Lebensreformbewegung um 1900, die Schlanksein zum Sinnbild eines Lebensstils überhöhte: Weit mehr als nur um den Gedanken an die Gesundheit ging es bei der neuen Beschäftigung mit dem Körper um die Umgestaltung ganzer Lebensbereiche - von der Kleidung und Erziehung bis hin zur Sexualmoral."... gelehrt, aber zugleich auch charmant geschrieben ist Sabine Mertas Studie, die uns tief in die Geschichte des Schlankkörperkultes ... einführt." Süddeutsche Zeitung"Das akribisch recherchierte Werk bietet eine Fülle interessanter Informationen und teilweise überraschender Erkenntnisse..." Lesart"... Sabine Merta betreibt Ursachenforschung rund um unser Schlankheitsideal - und findet Amüsantes und Skurriles, womit seit der Antike ein perfektes Bild geformt wurde." MYSELF"Ein aufschlussreiches Buch ..." Tages-Anzeiger"Diese Studie führt uns tief in die Geschichte des Schlankheitskörperkults - lesenswert für die, die betroffen sind, in der Familie, im Freundeskreis [...] ein Geschenk an sich selbst oder für die vorgenannten Betroffenen." Natur-Heilkunde Journal
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.09.2008Weg mit dem Körperfett!
Sind Sachbuch-Leser die Dummen? Sind sie Leser zweiter Klasse, denen man olle Kamellen als neue Bücher andrehen darf? Olle Kamellen soll hier heißen: unkorrigierte, mit veralteten Literaturverzeichnissen ausgestattete, gekürzte Kopien bereits erschienener Bücher, die man lediglich in neuem Kleid und mit anderem Titel noch einmal auf den Markt wirft. Gegebenenfalls ohne auf die Erstausgabe hinzuweisen.
Nach eigenen Angaben zählt der Franz Steiner Verlag "zu den profiliertesten geisteswissenschaftlichen Fachverlagen". Umso mehr wundert man sich, wie leichtfertig man dort mit "Sachbuchausgaben" (!) wissenschaftlicher Werke umgeht. Auf der Homepage des Verlags werden zwei Bücher der Autorin Sabine Merta angeboten, die von der Schlankheit handeln. Ein seltsamer Zufall, der philologische Instinkte weckt. Die Umschläge könnten unterschiedlicher nicht sein. Das eine Buch kommt im typischen Stil einer wissenschaftlichen Veröffentlichung daher. Es handelt sich um Mertas Dissertation aus dem Jahre 2003, die den umständlich-detaillistischen Titel trägt: "Wege und Irrwege zum modernen Schlankheitskult. Diätkost und Körperkultur als Suche nach neuen Lebensstilformen 1880-1930". Die Farbgebung ist in schlichtem Beige-Orange gehalten. Neben dem verschlungenen Titel die Abbildung eines Schlankheitsratgebers: Eine dicke Frau schaut gierig in eine Tasse - vermutlich mit Kakao und Sahne gefüllt -, darunter in Fraktur der Slogan "Weg mit dem Körperfett!".
Ganz anders das zweite, vorgeblich neue Buch von Sabine Merta. In großen Lettern heißt es dort prägnant und schnittig auf dem Umschlag: "Schlank! Ein Körperkult der Moderne" (Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2008. 421 S., geb., Abb., 29,50 [Euro]). In eleganten Blautönen ist das Bildnis einer äußerst schlanken und anmutigen Dame zu sehen, die sich im eng anliegenden Fähnchen auf einer Chaiselongue räkelt. Mit dem Einworttitel "Schlank!" und dem Stichwort "Moderne" sind erkennbar die Signale fürs Massenpublikum gesetzt. Bei einem Blick in das Innere der beiden Schriften traut man jedoch seinen Augen kaum. Es handelt sich um dasselbe Buch. Doppeldruck oder Plagiat? Vermutlich keines von beidem. Die Autorin wird um die Neuveröffentlichung ihrer Dissertation wissen.
Prinzipiell hat es nichts Anrüchiges, eine gute wissenschaftliche Arbeit mit entsprechender Werbung einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Das machen andere Verlage auch. Sie tun es allerdings mit einem Verweis auf den ursprünglichen wissenschaftlichen Zusammenhang. Zudem hat eine solide Programmpolitik schon bei der Vorbereitung ihrer Titel vor Augen, welcher von ihnen sich eignet, aus der wissenschaftlichen Ecke herausgeholt und gleich von Anfang an einem breiten Markt vorgesetzt zu werden. Das ist ein übliches Verfahren, um Zielgruppen zu erweitern und Käuferschichten zu erschließen. Beim Franz Steiner Verlag stehen jetzt aber einfach beide Bücher nebeneinander, ohne Hinweis auf den weitgehend identischen Inhalt.
Angesprochen auf das merkwürdige Verfahren, kündigt der Verlag zwar an, demnächst im Werbematerial auf die "Erstfassung" hinweisen zu wollen, reagiert in der Sache aber mit Unverständnis: Der Text sei einer "grundlegenden Neubearbeitung" unterzogen worden. Es handele sich um die "Sachbuchausgabe" der ursprünglichen Dissertation. Fokus sei diesmal "nicht die ,scientific community', sondern die breitere Öffentlichkeit". Man wolle mit der neuen Gestalt neue "Käuferschichten" erreichen. Von einer grundlegenden Neubearbeitung kann indessen kaum die Rede sein. Der Text des neuen Buches ist bestenfalls eine abgespeckte Version des Vorgängers. Hier schlägt sich der Inhalt in der Form nieder: Die sogenannte "Sachbuchausgabe" ist deutlich schlanker. Die grundlegende Neubearbeitung besteht in der Auslassung von Kapiteln, der Kürzung einiger Passagen und einer Neuformulierung der Übergänge. Auch die Fußnoten haben Federn gelassen. Sie müssen im neuen Buch ohne Kommentare auskommen.
Gespart hat der Verlag zudem beim Bildmaterial, nur wenige der amüsanten Abbildungen von sonnen- und lichtbadenden Gesundheitsaposteln und Muskelprotzen haben es in die "Sachbuchausgabe" geschafft. Aus Alt mach Neu heißt im vorliegenden Fall: Dem Leser wird die light-Version einer wissenschaftlichen Arbeit kredenzt, inklusive aller Textverderbnisse, die sich mit der Zeit einstellen, wenn bei der Bearbeitung der neueste Stand der Forschung nicht berücksichtigt wird.
Sabine Mertas Dissertation geht eine kleine Vorrede ihres Doktorvaters Hans-Jürgen Teuteberg voran. Der lobt bei aller Dickleibigkeit der Ausführungen - die Dissertation sei recht voluminös geraten - vor allem die akribische und detailreiche Ausarbeitung. In ihr liegt in der Tat der Wert der Arbeit. Der Verlag zieht es unredlicherweise vor, Geschichte im Handtaschenformat anzubieten, veraltet und fehlerhaft. So kommt es, dass das breite Publikum mit der ursprünglichen Version besser beraten ist.
GESINE HINDEMITH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sind Sachbuch-Leser die Dummen? Sind sie Leser zweiter Klasse, denen man olle Kamellen als neue Bücher andrehen darf? Olle Kamellen soll hier heißen: unkorrigierte, mit veralteten Literaturverzeichnissen ausgestattete, gekürzte Kopien bereits erschienener Bücher, die man lediglich in neuem Kleid und mit anderem Titel noch einmal auf den Markt wirft. Gegebenenfalls ohne auf die Erstausgabe hinzuweisen.
Nach eigenen Angaben zählt der Franz Steiner Verlag "zu den profiliertesten geisteswissenschaftlichen Fachverlagen". Umso mehr wundert man sich, wie leichtfertig man dort mit "Sachbuchausgaben" (!) wissenschaftlicher Werke umgeht. Auf der Homepage des Verlags werden zwei Bücher der Autorin Sabine Merta angeboten, die von der Schlankheit handeln. Ein seltsamer Zufall, der philologische Instinkte weckt. Die Umschläge könnten unterschiedlicher nicht sein. Das eine Buch kommt im typischen Stil einer wissenschaftlichen Veröffentlichung daher. Es handelt sich um Mertas Dissertation aus dem Jahre 2003, die den umständlich-detaillistischen Titel trägt: "Wege und Irrwege zum modernen Schlankheitskult. Diätkost und Körperkultur als Suche nach neuen Lebensstilformen 1880-1930". Die Farbgebung ist in schlichtem Beige-Orange gehalten. Neben dem verschlungenen Titel die Abbildung eines Schlankheitsratgebers: Eine dicke Frau schaut gierig in eine Tasse - vermutlich mit Kakao und Sahne gefüllt -, darunter in Fraktur der Slogan "Weg mit dem Körperfett!".
Ganz anders das zweite, vorgeblich neue Buch von Sabine Merta. In großen Lettern heißt es dort prägnant und schnittig auf dem Umschlag: "Schlank! Ein Körperkult der Moderne" (Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2008. 421 S., geb., Abb., 29,50 [Euro]). In eleganten Blautönen ist das Bildnis einer äußerst schlanken und anmutigen Dame zu sehen, die sich im eng anliegenden Fähnchen auf einer Chaiselongue räkelt. Mit dem Einworttitel "Schlank!" und dem Stichwort "Moderne" sind erkennbar die Signale fürs Massenpublikum gesetzt. Bei einem Blick in das Innere der beiden Schriften traut man jedoch seinen Augen kaum. Es handelt sich um dasselbe Buch. Doppeldruck oder Plagiat? Vermutlich keines von beidem. Die Autorin wird um die Neuveröffentlichung ihrer Dissertation wissen.
Prinzipiell hat es nichts Anrüchiges, eine gute wissenschaftliche Arbeit mit entsprechender Werbung einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Das machen andere Verlage auch. Sie tun es allerdings mit einem Verweis auf den ursprünglichen wissenschaftlichen Zusammenhang. Zudem hat eine solide Programmpolitik schon bei der Vorbereitung ihrer Titel vor Augen, welcher von ihnen sich eignet, aus der wissenschaftlichen Ecke herausgeholt und gleich von Anfang an einem breiten Markt vorgesetzt zu werden. Das ist ein übliches Verfahren, um Zielgruppen zu erweitern und Käuferschichten zu erschließen. Beim Franz Steiner Verlag stehen jetzt aber einfach beide Bücher nebeneinander, ohne Hinweis auf den weitgehend identischen Inhalt.
Angesprochen auf das merkwürdige Verfahren, kündigt der Verlag zwar an, demnächst im Werbematerial auf die "Erstfassung" hinweisen zu wollen, reagiert in der Sache aber mit Unverständnis: Der Text sei einer "grundlegenden Neubearbeitung" unterzogen worden. Es handele sich um die "Sachbuchausgabe" der ursprünglichen Dissertation. Fokus sei diesmal "nicht die ,scientific community', sondern die breitere Öffentlichkeit". Man wolle mit der neuen Gestalt neue "Käuferschichten" erreichen. Von einer grundlegenden Neubearbeitung kann indessen kaum die Rede sein. Der Text des neuen Buches ist bestenfalls eine abgespeckte Version des Vorgängers. Hier schlägt sich der Inhalt in der Form nieder: Die sogenannte "Sachbuchausgabe" ist deutlich schlanker. Die grundlegende Neubearbeitung besteht in der Auslassung von Kapiteln, der Kürzung einiger Passagen und einer Neuformulierung der Übergänge. Auch die Fußnoten haben Federn gelassen. Sie müssen im neuen Buch ohne Kommentare auskommen.
Gespart hat der Verlag zudem beim Bildmaterial, nur wenige der amüsanten Abbildungen von sonnen- und lichtbadenden Gesundheitsaposteln und Muskelprotzen haben es in die "Sachbuchausgabe" geschafft. Aus Alt mach Neu heißt im vorliegenden Fall: Dem Leser wird die light-Version einer wissenschaftlichen Arbeit kredenzt, inklusive aller Textverderbnisse, die sich mit der Zeit einstellen, wenn bei der Bearbeitung der neueste Stand der Forschung nicht berücksichtigt wird.
Sabine Mertas Dissertation geht eine kleine Vorrede ihres Doktorvaters Hans-Jürgen Teuteberg voran. Der lobt bei aller Dickleibigkeit der Ausführungen - die Dissertation sei recht voluminös geraten - vor allem die akribische und detailreiche Ausarbeitung. In ihr liegt in der Tat der Wert der Arbeit. Der Verlag zieht es unredlicherweise vor, Geschichte im Handtaschenformat anzubieten, veraltet und fehlerhaft. So kommt es, dass das breite Publikum mit der ursprünglichen Version besser beraten ist.
GESINE HINDEMITH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Wolfgang U. Eckart begrüßt Sabine Mertas Buch über den Schlankheitskult der Moderne. Dass das Buch die Neuauflage von Mertas Dissertation unter einem neuen Titel und einer ansprechenden Aufmachung ist, stört ihn nicht, im Gegenteil, er empfindet es als Gewinn, schließlich seien "unscheinbare Dissertationsreihen" oft die "Massengräber der Gelehrsamkeit". Er findet in der Studie eine profunde historische Darstellung der Wurzeln der herrschenden Körperästhetik und des Mythos der Schlankheit in der Lebensreformbewegung um 1900, die Schlanksein zum Lebensstil überhöhte. Dabei schätzt er das Buch als ebenso "gelehrt" wie "charmant".
© Perlentaucher Medien GmbH
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"... gelehrt, aber zugleich auch charmant geschrieben ist Sabine Mertas Studie, die uns tief in die Geschichte des Schlankkörperkultes ... einführt." Süddeutsche Zeitung, 14.10.2008