Schleiermachers „Dialektik“ besteht aus Entwürfen und Nachschriften der inzwischen vollständig edierten, nach wie vor aber schwer zu erschließenden Vorlesungen aus den Jahren 1811, 1814/15, 1818/19 und 1822 sowie einer Einleitung zur geplanten Drucklegung aus dem Jahre 1833. Schleiermacher verknüpft darin die Frage nach den logischen und anthropologischen Grundlagen der Erkenntnis mit der Frage nach dem absoluten Grund des Wissens, mit Bezug auf den allein die Frage nach der Wahrheit so beantwortet werden kann, daß sie der skeptischen Destruktion standhält, ohne daß man gezwungen wäre, „Welt“ als Be-zugsrahmen der Erkenntnis zu verlassen. Der absolute Grund des Wissens fällt nicht selber ins Wissen, und doch bleibt ohne den Rückbezug auf ihn das Wissen ununterscheidbar von den Meinungen, die der Mensch sich über die Dinge und über sich selbst gebildet hat. Ein vorangestellter Prolog skizziert kurz die damit umrissene erkenntnistheoretische Problematik, die angesichts der modernen Skeptizismen noch keine befriedigende Lösung gefunden hat. Deutlich ist jedoch, daß es einer komplexeren, nicht mehr in der Alternative von Rationalismus oder Empirismus bzw. Idealismus oder Positivismus hängen bleibenden Logik bedarf, um absolute und relative Gesichtspunkte der Erkenntnis so ins Verhältnis setzen zu können, daß das eine das andere nicht negiert. Wenn nun aber auch kein Vermitt-lungsdenken hier weiterführt, dringt Schleiermacher mit seiner „Dialektik“ in logisch-erkenntnis¬theoretisches Neuland vor, das zu betreten im Zeichen der Moderne unabdingbar wird.