Die Menge an Bullshit, die täglich auf uns einprasselt, nimmt zu. Die Autoindustrie preist ihre Geländewagen als umweltfreundlich, Politiker sprechen von alternativlosem Handeln, Bäckereien backen Brötchen mit energetisiertem Wasser. Wir hören und sehen inzwischen so viel Bullshit, dass wir ihn oft gar nicht mehr bemerken. Im Selbstversuch erkunden Tobias Hürter und Max Rauner den alltäglichen Blödsinn. Sie absolvieren ein Training zum Eliteverkäufer, machen die Grundausbildung in Chakren-Heilung, besuchen eine Familientherapie und testen ihre eigene Blödsinns-Quote. Sie beschreiben die aktuellen Bullshit-Strömungen und hinterfragen die Ursachen und die Bedürfnisse dahinter. Eine unterhaltsame Lektüre mit Streifzügen durch die philosophische Geschichte des Bullshits. Mit konkreten Tipps, wie man Blödsinn erkennt und vermeidet - und wann es besser ist, selbst zu bullshitten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2014Mit dem Papst gegen Bullshit
Unfug ist nicht auszurotten, dafür funktioniert er zu gut: Der Philosoph Tobias Hürter und der Wissenschaftsjournalist Max Rauner sehen sich an, wo überall die Produktion von Unsinn floriert.
Von Joachim Müller-Jung
Die Welt ist voll von verbalem und verschriftetem Unfug. Das ist die bedauerliche, aber auch nicht ganz originelle These dieses Buches. Sein Titel allerdings weist in eine Richtung, die von den beiden Autoren nicht nur sprachlich beabsichtigt ist, sondern die neue Dimension der kulturellen Vermüllung auch auf den Punkt bringt: Bullshit. Genauer: "Schluss mit dem Bullshit". Es geht um Humbug - nicht um Lügen wohlgemerkt, denn dem Lügner geht es eigentlich auch um die Wahrheit; er verdreht sie nur zu seinem Nutzen. Wer Bullshit redet, verzapft jedoch Blödsinn und muss dabei nicht einmal soziale Sanktionierung befürchten.
Diese weitverbreitete Verharmlosung des Unwahrhaftigen durch den Bullshit, die "Pseudo-Tiefgründigkeit", halten der Philosoph Tobias Hürter und der Wissenschaftsjournalist Max Rauner für die eigentliche Bedrohung vor allem der kulturellen und politischen Sphären. Gefährlich, weil die Verbraucher täuschend; und doch haben wir uns daran gewöhnt, mit ihr zu leben. Jeder kennt solche Fälle: der Finanzcoach, der einem virtuelle Gewinnmargen vorrechnet, der Heilpraktiker, der mit "Quantenhumbug" zu heilen vorgibt, oder der Wissenschaftler, der seine Grafik frisiert, um eine saubere Kurve zu kriegen. Keine Frage: Den Blödsinn zu versilbern und damit die Leute an der Nase herumzuführen, das ist der Punkt, an dem die Toleranz von Zeitgenossen immer wieder überstrapaziert wird.
Im Kern ist das auch, aber nicht nur, das Problem des Journalismus und des Bücherschreibens. Hürter und Rauner haben aus den diversen kulturellen Ökosystemen, in denen gerne und oft Blödsinn verzapft wird, eine durchaus süffisante, erhellende Sammlung wunderbarer Beispiele extrahiert - und nicht nur gesammelt, sondern auch Lösungsvorschläge formuliert. Papst Franziskus haben sie dabei eine besondere Rolle zugedacht. Er ist mit seiner im Sommer 2013 formulierten Feststellung vertreten, dass es keinen "unschuldigen Klatsch" gebe, also niemand Bullshit über seine Nachbarn verbreiten solle: der Pontifex als Vorbild für die Bullshit-Bekämpfung. Deren erkenntnistheoretische Grundlagen hat schon vor vielen Jahren der amerikanische Philosoph Harry G. Frankfurt gelegt. Sein Fazit über den kommunikativen Blödsinn auf der Welt haben Hürter und Rauner auf einen einfachen Punkt gebracht: "Wer etwas behauptet, muss es belegen können."
In dieser Quintessenz der Bullshit-Jägerei wird auch deutlich, was die Basis dieses lehrreichen Bandes ist: Wer Bullshit redet, untergräbt die Grundlagen einer zivilisierten Kommunikation. Dass daran einiges hängt, wird nicht nur an wissenschaftsaffinen Themen wie Elektrosmog, Wunderheilern oder der Psychotherapie deutlich. Die Autoren führen es auch mit Besichtigungen der Alltagswelt, der Medien, der Politik, der Werbung und Esoterik vor Augen.
Tobias Hürter, Max Rauner: "Schluss mit dem Bullshit!" Auf der Suche nach dem verlorenen Verstand.
Piper Verlag, München 2014. 304 S., br., 16,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Unfug ist nicht auszurotten, dafür funktioniert er zu gut: Der Philosoph Tobias Hürter und der Wissenschaftsjournalist Max Rauner sehen sich an, wo überall die Produktion von Unsinn floriert.
Von Joachim Müller-Jung
Die Welt ist voll von verbalem und verschriftetem Unfug. Das ist die bedauerliche, aber auch nicht ganz originelle These dieses Buches. Sein Titel allerdings weist in eine Richtung, die von den beiden Autoren nicht nur sprachlich beabsichtigt ist, sondern die neue Dimension der kulturellen Vermüllung auch auf den Punkt bringt: Bullshit. Genauer: "Schluss mit dem Bullshit". Es geht um Humbug - nicht um Lügen wohlgemerkt, denn dem Lügner geht es eigentlich auch um die Wahrheit; er verdreht sie nur zu seinem Nutzen. Wer Bullshit redet, verzapft jedoch Blödsinn und muss dabei nicht einmal soziale Sanktionierung befürchten.
Diese weitverbreitete Verharmlosung des Unwahrhaftigen durch den Bullshit, die "Pseudo-Tiefgründigkeit", halten der Philosoph Tobias Hürter und der Wissenschaftsjournalist Max Rauner für die eigentliche Bedrohung vor allem der kulturellen und politischen Sphären. Gefährlich, weil die Verbraucher täuschend; und doch haben wir uns daran gewöhnt, mit ihr zu leben. Jeder kennt solche Fälle: der Finanzcoach, der einem virtuelle Gewinnmargen vorrechnet, der Heilpraktiker, der mit "Quantenhumbug" zu heilen vorgibt, oder der Wissenschaftler, der seine Grafik frisiert, um eine saubere Kurve zu kriegen. Keine Frage: Den Blödsinn zu versilbern und damit die Leute an der Nase herumzuführen, das ist der Punkt, an dem die Toleranz von Zeitgenossen immer wieder überstrapaziert wird.
Im Kern ist das auch, aber nicht nur, das Problem des Journalismus und des Bücherschreibens. Hürter und Rauner haben aus den diversen kulturellen Ökosystemen, in denen gerne und oft Blödsinn verzapft wird, eine durchaus süffisante, erhellende Sammlung wunderbarer Beispiele extrahiert - und nicht nur gesammelt, sondern auch Lösungsvorschläge formuliert. Papst Franziskus haben sie dabei eine besondere Rolle zugedacht. Er ist mit seiner im Sommer 2013 formulierten Feststellung vertreten, dass es keinen "unschuldigen Klatsch" gebe, also niemand Bullshit über seine Nachbarn verbreiten solle: der Pontifex als Vorbild für die Bullshit-Bekämpfung. Deren erkenntnistheoretische Grundlagen hat schon vor vielen Jahren der amerikanische Philosoph Harry G. Frankfurt gelegt. Sein Fazit über den kommunikativen Blödsinn auf der Welt haben Hürter und Rauner auf einen einfachen Punkt gebracht: "Wer etwas behauptet, muss es belegen können."
In dieser Quintessenz der Bullshit-Jägerei wird auch deutlich, was die Basis dieses lehrreichen Bandes ist: Wer Bullshit redet, untergräbt die Grundlagen einer zivilisierten Kommunikation. Dass daran einiges hängt, wird nicht nur an wissenschaftsaffinen Themen wie Elektrosmog, Wunderheilern oder der Psychotherapie deutlich. Die Autoren führen es auch mit Besichtigungen der Alltagswelt, der Medien, der Politik, der Werbung und Esoterik vor Augen.
Tobias Hürter, Max Rauner: "Schluss mit dem Bullshit!" Auf der Suche nach dem verlorenen Verstand.
Piper Verlag, München 2014. 304 S., br., 16,99 [Euro].
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"Ein sehr empfehlenswertes Buch für kritische Denker und solche, die es werden wollen.", Bild der Wissenschaft 20151120
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Gute Sache, dieses Buch, findet Rezensent Joachim Müller-Jung. Auch er kämpft offenbar mit dem Bullshit, dem verbalen und verschriftlichten Unfug, der uns nahezu überall begegnet, wie der Rezensent weiß. Wo genau, erläutern ihm der Wissenschaftsjournalist Max Rauner und der Philosoph Tobias Hürter in ihrem Buch: beim Finanzmann, Heilpraktiker, Werber, Wissenschaftler, Politiker; beim Journalisten mitunter sogar auch, muss man hinzufügen. Was mit Unfug hier eigentlich gemeint ist, lernt Müller-Jung auch: alles nicht der Wahrheit Entsprechende. Darüber zu lesen, findet der Rezensent alles andere als Unfug, nämlich erhellend, zumal süffisant geschrieben, wie er versichert. Und dass die Autoren es bei einer bloßen Sammlung von Unfug nicht belassen, sondern Lösungen präsentieren, wie sich die zivilisierte Kommunikation vor Bullshit bewahren lässt, scheint Müller-Jung höchst lobenswert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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