Rio, Kyoto, Kopenhagen - und jetzt Paris. Es ist die letzte Chance, unser Problem mit dem Klima diplomatisch in den Griff zu bekommen. Im Dezember soll ein neuer Weltklimavertrag geschlossen werden, ein Vertrag über das Ende des fossilen Zeitalters. Aber geht das? Warum soll Paris gelingen, wenn viele Vorgängerkonferenzen scheiterten?Nick Reimer war auf allen dabei, kennt die Strippenzieher, weiß um die Faktoren von Erfolg und Misserfolg. Der renommierte Klimajournalist lässt in seinem Buch 25 Jahre Klimakonferenz Revue passieren - kurzweilig und anekdotenreich. Aus ihrer Geschichte heraus wird verständlich, vor welchen Herausforderungen die Diplomaten in Paris stehen: COP 21 wird nicht nur darüber entscheiden, ob die Erderwärmung gestoppt werden kann; in Paris entscheidet sich, ob die Demokratie grundsätzlich in der Lage ist, Menschheitsprobleme des 21. Jahrhunderts wie den Klimawandel zu lösen. In Paris findet ein großes Finale zum Klimaschutz statt, Nick Reimers Buch liefert alles, was man dazu wissen muss. Ein spannendes Stück Zeitgeschichte und ein Fahrplan über Paris hinaus.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.08.2015Im Dschungel
der Dialoge
Wie die Klimadiplomatie
wurde, was sie ist
Im Jahr 2007 hat sich Nick Reimer auf den Weg nach Bali gemacht. Er bestieg nicht das Flugzeug, sondern den Zug, dann quälte er sich Wochen durch Europa und Asien. Wenn im November Minister aus aller Welt einfliegen würden, um wieder mal ein bisschen das Klima zu retten, dann wollte auch Reimer da sein – aber auf dem Land- und Seeweg. Es ist eine kleine Geschichte aus dem Leben des umtriebigen, ja rastlosen Journalisten und Autoren Reimer, und sie endet geradezu symptomatisch: Auf dem letzten Stück nach Bali lässt unerwartet schwere See Reimer keine Wahl, er muss das Flugzeug nehmen. Solche Kompromisse kennt auch die Klimadiplomatie, die hehre Ziele verfolgt, aber oft auf dem harten Boden der Tatsachen landet. Nur kam Reimer am Ziel an – anders als diese 20 Klimakonferenzen, die seit 1995 stattfanden.
In seinem Buch „Schlusskonferenz“ zeichnet Reimer den zähen Weg dieser 20 Konferenzen nach. Er entwirft das Bild des ständigen Auf und Ab, vom ersten, noch halbwegs hoffnungsfrohen Aufbruch bei dem Treffen in Berlin 1995 und der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls zwei Jahre später – bis zu den Schwierigkeiten, diesen ersten Klimavertrag mit Substanz zu füllen. Von Konferenzen in Bali 2007 (seine Anreise erwähnt er nicht), bei denen selbst die USA einknicken, bis Kopenhagen zwei Jahre später. Jenem Gipfel, der den Durchbruch für ein weltweites Abkommen bringen soll und im Desaster endet.
Reimer war meist ganz nah dabei. Dennoch gelingt es ihm, die Abläufe distanziert, nüchtern zu erzählen. Er beschreibt die absonderlichsten Vorgänge, ohne sie weiter zu bewerten. So wird „Schlusskonferenz“ zu einer Art Reiseführer durch den Klima-Dschungel, der zugleich um Verständnis wirbt für die vielen Umwege und Sackgassen der Vergangenheit. „Das System der Klimadiplomatie ist Demokratie in Reinstform“, schreibt Reimer. Wegen der Stimme, die alle Staaten bei den Konferenzen gleichermaßen haben, aber auch angesichts ihrer Transparenz. Das Ziel: einigermaßen fair zu verteilen, wer die Atmosphäre künftig wie stark belasten darf. „Ein neuerliches Scheitern der Klimadiplomaten würde zeigen, dass die Rivalität der Staaten um den Deponieplatz in der Atmosphäre nicht gemeinschaftlich durch Demokratie zu lösen ist“, warnt er. Ein neuerliches Scheitern – genau darum geht es in der „Schlusskonferenz“, jener 21. Konferenz, die kurz vor Weihnachten in Paris das ersehnte Abkommen bringen soll.
Experten werden einiges vermissen in dem Buch. Wer aber einen Überblick gewinnen will über Chancen und Fallstricke der Klimapolitik, der findet hier einen guten Einstieg. Auch wenn Reimer den Titel selbst am Ende aushebelt, denn die Schlusskonferenz ist keine. Die Details des Abkommens wären Sache von Konferenz 22ff..
MICHAEL BAUCHMÜLLER
Nick Reimer,
Schlusskonferenz.
Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie. Oekom Verlag 2015, 208 Seiten, 14,95 Euro. Als E-Book: 11,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
der Dialoge
Wie die Klimadiplomatie
wurde, was sie ist
Im Jahr 2007 hat sich Nick Reimer auf den Weg nach Bali gemacht. Er bestieg nicht das Flugzeug, sondern den Zug, dann quälte er sich Wochen durch Europa und Asien. Wenn im November Minister aus aller Welt einfliegen würden, um wieder mal ein bisschen das Klima zu retten, dann wollte auch Reimer da sein – aber auf dem Land- und Seeweg. Es ist eine kleine Geschichte aus dem Leben des umtriebigen, ja rastlosen Journalisten und Autoren Reimer, und sie endet geradezu symptomatisch: Auf dem letzten Stück nach Bali lässt unerwartet schwere See Reimer keine Wahl, er muss das Flugzeug nehmen. Solche Kompromisse kennt auch die Klimadiplomatie, die hehre Ziele verfolgt, aber oft auf dem harten Boden der Tatsachen landet. Nur kam Reimer am Ziel an – anders als diese 20 Klimakonferenzen, die seit 1995 stattfanden.
In seinem Buch „Schlusskonferenz“ zeichnet Reimer den zähen Weg dieser 20 Konferenzen nach. Er entwirft das Bild des ständigen Auf und Ab, vom ersten, noch halbwegs hoffnungsfrohen Aufbruch bei dem Treffen in Berlin 1995 und der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls zwei Jahre später – bis zu den Schwierigkeiten, diesen ersten Klimavertrag mit Substanz zu füllen. Von Konferenzen in Bali 2007 (seine Anreise erwähnt er nicht), bei denen selbst die USA einknicken, bis Kopenhagen zwei Jahre später. Jenem Gipfel, der den Durchbruch für ein weltweites Abkommen bringen soll und im Desaster endet.
Reimer war meist ganz nah dabei. Dennoch gelingt es ihm, die Abläufe distanziert, nüchtern zu erzählen. Er beschreibt die absonderlichsten Vorgänge, ohne sie weiter zu bewerten. So wird „Schlusskonferenz“ zu einer Art Reiseführer durch den Klima-Dschungel, der zugleich um Verständnis wirbt für die vielen Umwege und Sackgassen der Vergangenheit. „Das System der Klimadiplomatie ist Demokratie in Reinstform“, schreibt Reimer. Wegen der Stimme, die alle Staaten bei den Konferenzen gleichermaßen haben, aber auch angesichts ihrer Transparenz. Das Ziel: einigermaßen fair zu verteilen, wer die Atmosphäre künftig wie stark belasten darf. „Ein neuerliches Scheitern der Klimadiplomaten würde zeigen, dass die Rivalität der Staaten um den Deponieplatz in der Atmosphäre nicht gemeinschaftlich durch Demokratie zu lösen ist“, warnt er. Ein neuerliches Scheitern – genau darum geht es in der „Schlusskonferenz“, jener 21. Konferenz, die kurz vor Weihnachten in Paris das ersehnte Abkommen bringen soll.
Experten werden einiges vermissen in dem Buch. Wer aber einen Überblick gewinnen will über Chancen und Fallstricke der Klimapolitik, der findet hier einen guten Einstieg. Auch wenn Reimer den Titel selbst am Ende aushebelt, denn die Schlusskonferenz ist keine. Die Details des Abkommens wären Sache von Konferenz 22ff..
MICHAEL BAUCHMÜLLER
Nick Reimer,
Schlusskonferenz.
Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie. Oekom Verlag 2015, 208 Seiten, 14,95 Euro. Als E-Book: 11,99 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.07.2015Mehr als heiße Luft
Wissenswertes und Banales über Klimaverhandlungen
Wer immer schon einmal wissen wollte, um was es außer heißer Luft auf den alljährlichen Klimakonferenzen der Vereinten Nationen noch so geht, der ist mit Nick Reimers Buch "Schlusskonferenz" gut bedient. Wenige Monate vor dem mit allerlei klimapolitischen Heilserwartungen aufgeladenen Gipfel in Paris, auf dem der Durchbruch zu einem weltweiten Klimaschutzvertrag erreicht werden soll, legt er ein faktenreiches, übersichtlich gegliedertes und gut geschriebenes Lesebuch zur "Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie" vor, wie der Untertitel programmatisch verspricht.
Reimer weiß, wovon er schreibt. Er hat die Konferenzen seit Anfang der neunziger Jahre als Journalist begleitet, beobachtet und beschrieben. Heute ist er Chefredakteur des einschlägig bekannten Internetportals "Klimaretter.info". Reimer hat einen politischen Standpunkt zum Klimawandel, und mit dem hält er nicht hinter dem Berg. Er hält allein den Westen, in hohem Maße die EU, für den Klimawandel verantwortlich und sieht entsprechend die Verantwortung zur Problemlösung vor allem dort. Dass er Leute wie den bolivianischen Präsidenten Evo Morales als Kronzeugen dafür auftreten lässt, "dass die Ursachen für all dies im Kapitalismus begründet sind", ist von überraschend argumentativer Bescheidenheit.
Anderseits erfährt der Leser - und hier liegt zweifelsohne die Stärke von Reimers Beobachtungen und Analysen - viel Wissenswertes über Struktur und Ablauf der Verhandlungen, vom Aufbruch in Rio 1992, über die erste Conference of the Parties (COP) 1995 in Berlin mit Bundesumweltministerin Angela Merkel als Konferenzpräsidentin, über den Vertrag von Kyoto und das Scheitern von Kopenhagen bis zum Treffen in Paris, dem aktuellen Fluchtpunkt aller Gipfelerwartungen.
Reimer erläutert, ohne sich im unübersichtlichen Gewirr der Details und Akronyme zu verlieren. Er beleuchtet das handelnde Personal des Weltklimazirkus vom Weltklimarat über die Diplomaten mit ihren gegensätzlichen Interessen und trickreichen Formulierungen sowie die vielen Nichtregierungsorganisationen bis hin zu windigen Geschäftemachern, die den Emissionshandel zu ihren finanziellen Gunsten ausnutzen. Mit sicherer Hand beschreibt er Handlungsfelder wie Waldschutz, Landnutzung, den Grünen Klimafonds, die längst nicht ausgestandene Debatte um Entschädigung für klimabedingte Verluste ("Loss and Damage"). Ein lesenswerter Anhang rundet die 200 Seiten ab. Spätestens da kann der Leser noch mal nachschauen, was es denn mit der "heißen Luft" auf sich hat: Alte, ungenutzte Emissionszertifikate osteuropäischer Staaten, die diese gerne noch versilbern würden.
ANDREAS MIHM
Nick Reimer: Schlusskonferenz. Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie. Oekom-Verlag, München 2015, 203 Seiten, 14,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wissenswertes und Banales über Klimaverhandlungen
Wer immer schon einmal wissen wollte, um was es außer heißer Luft auf den alljährlichen Klimakonferenzen der Vereinten Nationen noch so geht, der ist mit Nick Reimers Buch "Schlusskonferenz" gut bedient. Wenige Monate vor dem mit allerlei klimapolitischen Heilserwartungen aufgeladenen Gipfel in Paris, auf dem der Durchbruch zu einem weltweiten Klimaschutzvertrag erreicht werden soll, legt er ein faktenreiches, übersichtlich gegliedertes und gut geschriebenes Lesebuch zur "Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie" vor, wie der Untertitel programmatisch verspricht.
Reimer weiß, wovon er schreibt. Er hat die Konferenzen seit Anfang der neunziger Jahre als Journalist begleitet, beobachtet und beschrieben. Heute ist er Chefredakteur des einschlägig bekannten Internetportals "Klimaretter.info". Reimer hat einen politischen Standpunkt zum Klimawandel, und mit dem hält er nicht hinter dem Berg. Er hält allein den Westen, in hohem Maße die EU, für den Klimawandel verantwortlich und sieht entsprechend die Verantwortung zur Problemlösung vor allem dort. Dass er Leute wie den bolivianischen Präsidenten Evo Morales als Kronzeugen dafür auftreten lässt, "dass die Ursachen für all dies im Kapitalismus begründet sind", ist von überraschend argumentativer Bescheidenheit.
Anderseits erfährt der Leser - und hier liegt zweifelsohne die Stärke von Reimers Beobachtungen und Analysen - viel Wissenswertes über Struktur und Ablauf der Verhandlungen, vom Aufbruch in Rio 1992, über die erste Conference of the Parties (COP) 1995 in Berlin mit Bundesumweltministerin Angela Merkel als Konferenzpräsidentin, über den Vertrag von Kyoto und das Scheitern von Kopenhagen bis zum Treffen in Paris, dem aktuellen Fluchtpunkt aller Gipfelerwartungen.
Reimer erläutert, ohne sich im unübersichtlichen Gewirr der Details und Akronyme zu verlieren. Er beleuchtet das handelnde Personal des Weltklimazirkus vom Weltklimarat über die Diplomaten mit ihren gegensätzlichen Interessen und trickreichen Formulierungen sowie die vielen Nichtregierungsorganisationen bis hin zu windigen Geschäftemachern, die den Emissionshandel zu ihren finanziellen Gunsten ausnutzen. Mit sicherer Hand beschreibt er Handlungsfelder wie Waldschutz, Landnutzung, den Grünen Klimafonds, die längst nicht ausgestandene Debatte um Entschädigung für klimabedingte Verluste ("Loss and Damage"). Ein lesenswerter Anhang rundet die 200 Seiten ab. Spätestens da kann der Leser noch mal nachschauen, was es denn mit der "heißen Luft" auf sich hat: Alte, ungenutzte Emissionszertifikate osteuropäischer Staaten, die diese gerne noch versilbern würden.
ANDREAS MIHM
Nick Reimer: Schlusskonferenz. Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie. Oekom-Verlag, München 2015, 203 Seiten, 14,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Eine unterhaltsame und für Laien gut verständliche Zusammenfassung der äußerst komplexen Geschichte der Klimadiplomatie und Klimapolitik.« Forest Finest »Eine unverzichtbare Lektüre, da der Klimawandel bereits heute das Leben beeinflusst - die Zukunft des Planeten aber noch nicht entschieden ist.« unique Magazin »In kurzweiliger Art schildert [Reimer] pointenreich die Geschichte der Konferenzen. Eindrucksvoll wird dabei herausgearbeitet, vor welchen Herausforderungen die Teilnehmer der COP 21 in Paris stehen.« BDFaktuell »(...) sehr gut geschrieben und spannend wie ein Krimi.« Der Rabe Ralf