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Sam Wood, Privatdetektiv in Miami, ist immer knapp bei Kasse, immer durstig und immer bereit, sich um das Kokain zu kümmern, das vom Himmel schneit. "Souverän gestaltet, mit wundervollem Timing und kunstvoll ausgetrocknetem Humor. Die Hommage an Chandler und Hammett ist Rene Zeyer geglückt." Frankfurter Allgemeine

Produktbeschreibung
Sam Wood, Privatdetektiv in Miami, ist immer knapp bei Kasse, immer durstig und immer bereit, sich um das Kokain zu kümmern, das vom Himmel schneit. "Souverän gestaltet, mit wundervollem Timing und kunstvoll ausgetrocknetem Humor. Die Hommage an Chandler und Hammett ist Rene Zeyer geglückt." Frankfurter Allgemeine
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.1997

Eisgrau ist die Bürste
René Zeyer debütiert als Stimmenimitator der Kriminalgeschichte

"Ich glaube an gar nichts, nur an mich. Meistens zwischen dem zweiten und dem sechsten Glenmorangie", sagt der Privatdetektiv Sam Wood in René Zeyers Kriminalroman "Schnee über Havanna". Der Sound klingt vertraut. Neben dem trinkfesten, rabiat austeilenden und nicht zu knapp einsteckenden Detektiv treten weitere alte Bekannte auf: der zwielichtige Klient ("Er sah so aus, als ob er eine rechte Gerade für ein gutes Argument hielt"), der gute Bulle, der böse Bulle ("Ich wußte, daß er nur auf eine Gelegenheit wartete, eine Dampfwalze über mich rollen zu lassen"), das Luxusgeschöpf in Nöten ("Ihr Kleid tat alles, was ein gutes Kleid tun muß, um den Körper einer Frau zu betonen") und der millionenschwere Geschäftsmann mit Dreck am Stecken ("Er hatte eisgraue Haare, und sein Bürstenschnitt sah so aus, als würde er jeden Morgen seinen Haaren zurufen: Stillgestanden!").

Der da spricht, ist ein exzellenter Stimmenimitator. Der Verlag hat den Roman als Hommage an Raymond Chandler und Dashiell Hammett vorgestellt. Zeyer beherrscht den Tonfall der großen Vorbilder perfekt. Auch den Satzbau, die Dialogregie, die Dramaturgie und die bewährte Besetzungsliste hat er übernommen und dennoch mehr zu bieten als Plagiat und Mimikry. Auf die Klischees und Fertigbauteile des Krimis, in welchem es ein hartgesottener, aber ehrlicher Schnüffler mit Unterwelt und Halbwelt aufnimmt, in dem berüchtigten Sumpf aus Korruption und Verbrechen zu versinken droht, nebenbei von einer atemberaubenden, vor ihrer schmutzigen Vergangenheit fliehenden Schönheit umgarnt wird und am Ende mit Wunden an Leib und Seele und zusammengebissenen Zähnen in sein Büro schwankt, um sich einen Whisky zu genehmigen, hat Zeyer unmißverständlich zurückgegriffen, ohne Ausnahme. Die Frage, welches Versatzstück als nächstes an der Reihe sei und wie der Autor das Problem lösen könnte, es ohne Gewalt und Peinlichkeit in die Handlung einzupassen, ist mindestens so spannend wie die wechselnden Schicksale des zähen, in den Drogenschmuggel zwischen Miami und Kuba verwickelten Detektivs.

Die Tradition, in die sich Zeyer stellt, ist übermächtig, doch es gelingt ihm spielend, mit ihr umzugehen, indem er dezent übertreibt. Sein Held Sam Wood ist nicht nur Whisky-, sondern auch noch Weinkenner und ein Feinschmecker, der weiß, wo man den besten Fisch in Miami serviert bekommt. Außerdem ist der gewiefte Detektiv passionierter Teetrinker: "Kaffee kochen kann jeder Idiot, aber Tee ist eine Wissenschaft." Er weiß sogar, daß der Eistee 1904 in St. Louis erfunden wurde, und das teilt er auch gleich einer Klientin mit, deren Mund "eine tiefrote Versuchung" ist.

Von Sherlock Holmes, Arsène Lupin, Lord Peter Whimsey und anderen Superhelden sticht Sam Wood dann aber immer wieder schmählich ab, wenn er an seinen Kontostand denkt oder muntere Schwinger kassiert ("Dann schmeckte es salzig auf meiner Zunge, und es hatte unangenehm geknirscht"). So gehört es sich ja auch für einen Detektiv, der es mit der Gebrochenheit und Illusionslosigkeit der legendären Schnüffler aus den großen Tagen der Schwarzen Serie aufzunehmen hat. Aber bei seinem Balanceakt zwischen Satire und Kitsch gerät Zeyer niemals aus dem Gleichgewicht.

Auch die klassische Eingangssequenz - mürrischer Detektiv und fieser Klient mustern einander mißtrauisch und geben druckreife Sottisen von sich - hat er souverän gestaltet, mit wundervollem Timing und kunstvoll ausgetrocknetem Humor: "Ich fragte mich langsam, ob er seine rechte Hand in der Jacke verborgen hielt, weil er mir nicht seine dreckigen Fingernägel zeigen wollte, oder ob er nach seinen schlechten Erfahrungen mit der rechten Geraden nachgerüstet hatte." Die Hommage an Chandler und Hammett ist René Zeyer, der in Havanna als Korrespondent der "Neuen Zürcher Zeitung" arbeitet, geglückt. Innerhalb der Grenzen des Genres bewegt er sich mit artistischer Sicherheit. Am Ende des Romans nimmt Sam Wood den Telefonhörer ab und sagt: "Sam Wood, brauchen Sie einen Detektiv?" Das sind hoffentlich nicht seine letzten Worte gewesen. GERHARD HENSCHEL

René Zeyer: "Schnee über Havanna". Roman. Ammann Verlag, Zürich 1997. 314 S., geb., 42,- DM.

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