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In der Titelnovelle ist der Icherzähler zu Gast bei Arthur Schnitzler, man schreibt den Herbst 1931, es sind Schnitzlers letzte Tage ... Als Schnitzler die Villa in der Sternwartestraße betrat, meinte er, im Hintergrund des Korridors, dort, wo es beinahe dunkel war, einen Schatten zu sehen. Eigentlich etwas Helles, Hochaufragendes, als stünde dort jemand, aber es war eine Anwandlung, die sofort wieder verschwand. Ein Reisender kommt mit dem Flugzeug nach Tel Aviv, ist einige Stunden später in Jerusalem, kurz danach steht er auf der Anhöhe von Golgatha und schaut durch die offene Kuppel der…mehr

Produktbeschreibung
In der Titelnovelle ist der Icherzähler zu Gast bei Arthur Schnitzler, man schreibt den Herbst 1931, es sind Schnitzlers letzte Tage ...
Als Schnitzler die Villa in der Sternwartestraße betrat, meinte er, im Hintergrund des Korridors, dort, wo es beinahe dunkel war, einen Schatten zu sehen. Eigentlich etwas Helles, Hochaufragendes, als stünde dort jemand, aber es war eine Anwandlung, die sofort wieder verschwand.
Ein Reisender kommt mit dem Flugzeug nach Tel Aviv, ist einige Stunden später in Jerusalem, kurz danach steht er auf der Anhöhe von Golgatha und schaut durch die offene Kuppel der dortigen Kirche, er sieht nur einen diesigen Lichtschein. Kurz danach findet sich Hans-Peter Ludwig, wie er es wünschte, im Freien wieder. Er hing am Kreuz, und das erste, was er hörte, war jene Stimme der Mimi aus der Oper des Puccini, die er so liebte... und nun sah er über sich jenes flirrende, nahezu unbegrenzte Blau.
Vier neue Novellen von Hartmut Lange:
Herr Semmering µ Schnitzlers Würgeengel µ Die Mauer im Hof µ Der Himmel über Golgatha.
Verbunden sind diese Novellen durch das ihnen voranstehende Motto: »In der Unheimlichkeit steht das Dasein ursprünglich mit sich selbst zusammen.« Heidegger"
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Autorenporträt
Hartmut Lange, geboren 1937 in Berlin-Spandau, studierte an der Filmhochschule Babelsberg Dramaturgie. Für seine Dramen, Essays und Prosa wurde er vielfach mit Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erschien von ihm der Novellenband 'Am Osloer Fjord oder der Fremde' (2022). Er lebt als freier Schriftsteller in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.1995

Beschwingter Würgegriff
Hartmut Lange bewährt sich abermals am Unheimlichen

Er gilt als Spezialist für vermeintlich Antiquiertes: Wer außer Hartmut Lange schreibt heute noch mit solcher Hingabe und Konsequenz Novellen? Gewiß, Bestseller gelingen in diesem Genre selten. Aber die Anerkennung seitens einer kleinen Gemeinde ist dem unverzagten Novellisten allemal sicher. Über das Formale hinaus hat sich Lange freilich eine thematische Besonderheit erobert: Stets zeigt er das Unheimliche im Alltäglichen, unscheinbare Oberflächenverwerfungen als Indikatoren unterirdischer Katastrophen. Der Boden, auf dem sich seine Figuren bewegen, klingt hohl. Und über dem Ganzen liegt der Hauch der Melancholie.

Die Titelgeschichte von Langes neuem Band, "Schnitzlers Würgeengel", befriedigt den Rezensenten am wenigsten. Zweifellos montiert der Autor geschickt biographische Quellen in seinen seltsamen Bericht über Arthur Schnitzlers Todesherbst. Auch besteht der Reiz des Textes gerade aus der Spannung zwischen authentischem Material und Fiktion. Doch irritieren eben in disziplinierter Stimmungskunst stilistische Ausrutscher: Im Wien von anno 1931 sind Begriffe wie "Brötchen", "Siedfleisch" und "Müllschippe" undenkbar und beeinträchtigen die atmosphärische Dichte.

Erheblich mehr kann der Leser der längsten, der Eingangsnovelle abgewinnen. Herr Semmering ist ein Berliner Richter am Beginn seines Ruhestandes. Das geordnete Leben der Beamtenexistenz bekommt allmählich Risse, anfangs verhält sich Semmering bloß ein bißchen merkwürdig. Keineswegs wird er auf spektakuläre Weise auffällig. Je weiter indes die knappen Kapitel fortschreiten, desto breiter scheinen die Sprünge. Schließlich klaffen Spalten, die Abgründe drunten drohen den korrekten Herrn zu verschlingen. Dabei wahrt der Erzähler vorsichtshalber einen Rest von Uneindeutigkeit und Mysteriösem. Verhängnis und Schrecken schweben, für den Leser immer zu erkennen, über dem Haupt des Helden und bleiben trotzdem namenlos. Dank diesem ästhetischen Trick erzeugt Lange beträchtliche Spannung und Sogwirkung.

Im Finale und zugleich kürzesten Teil des Buches, "Der Himmel über Golgatha", waltet dann überhaupt der sublime Wahnsinn. Der allerdings - ein Israel-Besucher hängt plötzlich am Kreuz und hört "La Bohème" - wird mit größter Selbstverständlichkeit präsentiert. In der Diskrepanz zwischen Dargestelltem und Mittel der Darstellung steckt, was man sonst leicht vermissen könnte, grimmiger Humor. So anregend jedoch die Mehrzahl der Texte für sich genommen wirken mag, insgesamt betrachtet stört das Absichtsvolle. Denn allzu sichtbar will Hartmut Lange verblüffen und verunsichern. Noch wichtiger aber ist, daß es ihm gelingt. Also sind wir rasch wieder versöhnt. u.we.

Hartmut Lange: "Schnitzlers Würgeengel". Novellen. Diogenes Verlag, Zürich 1995. 144 S., geb., 29,80 DM.

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»Der Meister unter den phantastischen Rationalisten.« Edelgard Abenstein / Deutschlandradio Kultur Deutschlandradio Kultur