»Glauben Sie niemandem, der sagt, es sei einfach, Gemüse anzubauen. Das ist eine dreiste Lüge.« Tom Hodgkinson erzählt vom Leben auf dem Land: Er hält Hühner, Schweine und Kaninchen, und seine Frau Victoria versucht sich als Imkerin, backt Brot und stampft Butter. Sie brauen mieses Bier und machen köstlichen Holunderlikör. Tom Hodgkinson ist kein "Zurück-zur-Natur"-Guru. Er gibt zu, dass das einfache Leben manchmal sehr kompliziert ist. Aber es verheißt trotzdem all das, wovon die meisten Menschen träumen: weniger Routine, weniger Konsum, weniger Müll, mehr Sinn, mehr Spaß, mehr Lebenslust. »Schöne alte Welt« ist ein Buch über die Kunst der praktischen Lebensführung - für alle, die Haus und Garten haben oder davon träumen.
»Amüsant, kulturgeschichtlich hochinteressant und herrlich versnobt.« Frankfurter Allgemeine Zeitung
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.01.2013Also bis morgen
Sie schlafen lang, verschieben Wichtiges grundsätzlich nach hinten
und tun manchmal tatsächlich: gar nichts? Dann sind Sie hier richtig
VON PETRA STEINBERGER
Wir werden zunächst angewandte Küchenpsychologie betreiben und erklären: Wenn Sie das hier lesen, gehören Sie dazu. Oder, falls das nicht zutrifft, kennen Sie zumindest jemanden in Ihrer allernächsten Umgebung, der Ihnen mit diesem besonderen Verhalten das Leben schwermacht – und Sie hoffen, endlich ein Rezept, eine Handlungsanweisung zu erhalten, wie man das ändern kann. Nun denn, reden wir über Faulheit.
Folgende Charakterzüge mögen auf Sie oder Ihre Nemesis zutreffen: Sie kommen andauernd zu spät. Sie verbummeln allerlei Sachen, die man Ihnen aufgetragen hat. Sie schrammen mindestens einmal täglich am Abgrund des Diesmal-ist-leider-wirklich-nichts-mehr-zu-machen entlang. Sie sind ein bisschen sehr schlampig, zumindest jedenfalls schlonzig. Sie haben in den vergangenen 48 Stunden mindestens einmal wertvolle Zeit damit verbracht, irrelevante Fakten auf dem Computer zu recherchieren, einfach, weil Sie irgendein Link immer weiter und tiefer hineingezogen hat in den enzyklopädischen Treibsand des WWW. Sie ruhen sich gern aus und raffen sich selten auf. Und wie, Sie haben oft noch nicht mal Lust, Ihre knappe Freizeit mit erhabenen Kulturveranstaltungen oder gesundheitsförderndem Sport auszufüllen? Wenn Sie etwas Wichtiges zu erledigen haben, finden Sie mindestens zwanzig andere Aufgaben, die viel interessanter erscheinen, auch wenn Sie genau wissen, dass das eigentlich gar nicht so ist. Manchmal starren Sie. Lange. Irgendwohin. Und bei all diesen Nicht-Tätigkeiten haben Sie ziemlich oft ein ziemlich schlechtes Gewissen.
Sie sind vermutlich das, was man landläufig einen Faulenzer nennt, einen Schlumpf, einen Sandler. Halbwegs positiv könnte man vielleicht Tagträumer daraus machen. Sie halten sich nicht für besonders produktiv, immerhin verschwenden Sie Ihre Zeit mit Pausen und Ruhephasen. Und Zeitverschwendung, das ist so ziemlich das Allerletzte, was man sich in diesen Tagen leisten sollte, jetzt, da doch jeder allzeit erreichbar und verfügbar sein muss, um nicht Gefahr zu laufen, als unproduktives Mitglied der Gesellschaft zu gelten.
Der Backlash gegen die allgemeine Umtriebigkeit ist im vollen Gange, wieder einmal. Große Firmen verkünden, dass sie ab jetzt von ihren Mitarbeitern keineswegs mehr verlangen würden, auch noch nachts und am Wochenende die E-Mails zu checken, um deren wohlverdiente Erholungsphase nicht zu gefährden. Gewerkschaften verweisen auf das Recht auf Freizeit. Und in der letzten Zeit sind denn auch eine Menge Bücher auf den Markt gekommen, in denen es um das „Lob der Faulheit“ geht, um das „Lob der Pause“ und um Müßiggang im Allgemeinen. Aber darum geht es hier gar nicht. Denn die üblichen Ratgeber wollen Faulenzer wie Sie gar nicht verändern, sondern Ihnen zeigen, wie wichtig, positiv und notwendig ein solches Verhalten eigentlich ist – wenn Sie bitte nur ein paar winzige, für das große Ganze unerhebliche Schwachstellen in Ihrem ausgeklügelten System der Selbsttäuschung korrigieren könnten?
Das macht John Perry nicht. Der inzwischen emeritierte Professor für Philosophie in Stanford ist bekennender Prokrastinierer, was so viel bedeutet wie: ein chronischer Aufschieber. Prokrastination, also das ständige Vor-sich-her-schieben, könnte man als eine Unterart der Faulheit bezeichnen, wenn sich auch die Symptome lesen wie der Beginn einer leichten bis mittleren Geisteskrankheit. Sein Leben lang quälte sich Perry mit seinem Verhalten ab, fühlte sich schuldig – und schrieb eines Tages einen Essay darüber. Das tat er wirklich nur, um einer anderen, viel wichtigeren Aufgabe zu entkommen – eben das klassische Muster eines Aufschiebers. „Ich hatte einen Stapel Papiere, die ich benoten sollte, und noch ein paar andere Dinge zu erledigen, und ich machte es nicht, was typisch ist für mich. Es gab gar keinen Grund, es nicht zu erledigen, aber ich tat es trotzdem nicht und fing an, depressiv zu werden und mich richtig mies zu fühlen“, erzählte Perry kürzlich im National Public Radio. „Aber dann fiel mir auf, dass ich eigentlich eine Menge Dinge erledigt bekomme. Immerhin hielten die Leute in Stanford mich für einen rührigen Macher, sie setzten mich in einen Haufen Komitees und übertrugen mir viele Aufgaben. Und ich veröffentliche ziemlich viel und schaffte es, meinen Job zu behalten.“
Perrys kleiner Aufsatz machte bald im Internet die Runde – und fand unglaubliche Resonanz. Eigentlich kein Wunder, das Phänomen der „Erledigungsblockade“ ist weiter verbreitet, als Sie annehmen: In einer Umfrage von 1999 erklärten beispielsweise 40 Prozent aller befragten Amerikaner, dass ihnen wegen ihrer Prokrastination bereits Nachteile entstanden wären, ein Viertel von ihnen meinte sogar, sie würden unter chronischem Handlungsaufschub leiden. Diesen Sommer, schlappe 15 Jahre nach der Erstveröffentlichung des Essays, hat Perry ein Büchlein daraus gemacht, knapp über hundert Seiten, große Zeilenabstände – und es ist genau das, was Sie brauchen, um mit Ihrer Schwäche ins Reine zu kommen. Denn Perrys These besagt: Liegenlasser und Aufschieber mit Plan schaffen in Wahrheit enorm viel. Gerade weil sie alles vertrödeln und tausend andere Dinge finden, die sie stattdessen erledigen. Hey, Sie sind toll! Und im Zuge seines Spaziergangs durch die Irrungen der Prokrastination schweift Perry gleich in einen kleinen Diskurs über die Irrationalität des Menschen im Allgemeinen und die Nützlichkeit des Tagträumens im Besonderen ab – kleiner Zugewinn für ein Buch, das man zweifellos jedem drögen Geschäftsbericht vorziehen sollte.
Falls Sie wissen wollen, welchen praktischen Nutzen außer dem theoretischen Gutgefühl man aus seiner individuellen Faulheit noch ziehen kann: Schauen Sie sich bei den britischen Müßiggängern um, vor allem bei den zwei Herausgebern des Idler , eines Magazins, das sich als einmal jährlich erscheinendes Buch tarnt. Der eine, Tom Hodgkinson, hat sich aufs Land zurückgezogen und befasst sich damit, die anfallenden Arbeiten des Jahres in angenehme Aufgaben zu portionieren. (Was übrigens ein wirklich funktionierender Trick ist, um Schwächeanfälle zu überwinden: Zerteilen Sie eine unüberwindliche Aufgabe in möglichst viele kleine Schritte.) Also: Holzhacken im Januar. Bienen im Juni. Bierbrauen im Oktober. Fest im Dezember.
Der andere Idler, Gavin Pretor-Pinney, betrachtet lieber. Beispielsweise Wolken. Das liegt schließlich nahe, wenn man gern auf dem Rücken liegend in den Himmel sieht. Und dann, tagträumend, Gestalten in ihnen entdeckt, möglicherweise im Internet stundenlang den Kumulus-Wolken hinterherjagt und schließlich sogar ein Buch darüber schreibt: „Wolkengucken“. Dann, eines Tages am Meer: keine Wolke, nirgends. Pretor-Pinney musste zwangsläufig den Blick nach unten richten und entdeckte: Wellen. Schrieb ein Buch über sie. Bekam den renommiertesten britischen Wissenschaftsbuchpreis dafür. Tja.
Wellen und Wolken und das Betrachten derselben: Es gibt wohl keine größere Antithese zum ratrace , zum Handyklingeln also, zum E-Mail-Schreiben, Twittern und ununterbrochenen Geplapper der beschäftigten Welt, für die jeder Augenblick mit wesentlichen Inhalten gefüllt werden muss. Wobei die Betonung auf wesentlich liegt.
Aber wenn es Ihnen tatsächlich so wichtig ist, das schlechte Gewissen in den Griff zu bekommen, hier ein paar Referenzen von Leuten, die es trotzdem geschafft haben. Albert Einstein praktizierte das Nickerchen. Er behielt beim Dösen seinen Schlüsselbund in der Hand, wenn der ihm entglitt, bedeutete das: aufwachen, sonst folgt der Tiefschlaf. Marcel Proust wiederum lag wochenlang im Bett. Einmal lud er einen Gast auf einen Kurzbesuch in sein Schlafzimmer – um sich zu vergewissern, dass er diesen auch richtig beschrieben hatte in seinem Roman. Der hieß „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Nicht schlecht für eine Schlafmütze.
Tom Hodgkinson: Schöne alte Welt: Ein praktischer Leitfaden für das Leben auf dem Lande. Rogner & Bernhard 2011.
Gavin Pretor-Pinney: Kleine Wellenkunde für Dilettanten, Rogner & Bernhard 2011.
Thomas Hohensee: Lob der Faulheit. Warum Disziplin und Arbeitseifer uns nur schaden. Gütersloher Verlagshaus 2012.
Karlheinz A. Geißler: Lob der Pause. Von der Vielfalt der Zeiten und der Poesie des Augenblicks. oekom 2012.
Der Backlash gegen die
allgemeine Umtriebigkeit
ist in vollem Gange
Liegenlasser und
Aufschieber mit Plan schaffen
in Wahrheit viel
Beliebte Frage im Kreuzworträtsel:
Ai ist ein anderer Name für –
das Weißkehl-Faultier (Bradypus
Tridactylus) aus der Familie
der Dreifinger-Faultiere. Und so weit kommt es im Monat:
einen Kilometer. FOTO: GETTY IMAGES
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VON PETRA STEINBERGER
Wir werden zunächst angewandte Küchenpsychologie betreiben und erklären: Wenn Sie das hier lesen, gehören Sie dazu. Oder, falls das nicht zutrifft, kennen Sie zumindest jemanden in Ihrer allernächsten Umgebung, der Ihnen mit diesem besonderen Verhalten das Leben schwermacht – und Sie hoffen, endlich ein Rezept, eine Handlungsanweisung zu erhalten, wie man das ändern kann. Nun denn, reden wir über Faulheit.
Folgende Charakterzüge mögen auf Sie oder Ihre Nemesis zutreffen: Sie kommen andauernd zu spät. Sie verbummeln allerlei Sachen, die man Ihnen aufgetragen hat. Sie schrammen mindestens einmal täglich am Abgrund des Diesmal-ist-leider-wirklich-nichts-mehr-zu-machen entlang. Sie sind ein bisschen sehr schlampig, zumindest jedenfalls schlonzig. Sie haben in den vergangenen 48 Stunden mindestens einmal wertvolle Zeit damit verbracht, irrelevante Fakten auf dem Computer zu recherchieren, einfach, weil Sie irgendein Link immer weiter und tiefer hineingezogen hat in den enzyklopädischen Treibsand des WWW. Sie ruhen sich gern aus und raffen sich selten auf. Und wie, Sie haben oft noch nicht mal Lust, Ihre knappe Freizeit mit erhabenen Kulturveranstaltungen oder gesundheitsförderndem Sport auszufüllen? Wenn Sie etwas Wichtiges zu erledigen haben, finden Sie mindestens zwanzig andere Aufgaben, die viel interessanter erscheinen, auch wenn Sie genau wissen, dass das eigentlich gar nicht so ist. Manchmal starren Sie. Lange. Irgendwohin. Und bei all diesen Nicht-Tätigkeiten haben Sie ziemlich oft ein ziemlich schlechtes Gewissen.
Sie sind vermutlich das, was man landläufig einen Faulenzer nennt, einen Schlumpf, einen Sandler. Halbwegs positiv könnte man vielleicht Tagträumer daraus machen. Sie halten sich nicht für besonders produktiv, immerhin verschwenden Sie Ihre Zeit mit Pausen und Ruhephasen. Und Zeitverschwendung, das ist so ziemlich das Allerletzte, was man sich in diesen Tagen leisten sollte, jetzt, da doch jeder allzeit erreichbar und verfügbar sein muss, um nicht Gefahr zu laufen, als unproduktives Mitglied der Gesellschaft zu gelten.
Der Backlash gegen die allgemeine Umtriebigkeit ist im vollen Gange, wieder einmal. Große Firmen verkünden, dass sie ab jetzt von ihren Mitarbeitern keineswegs mehr verlangen würden, auch noch nachts und am Wochenende die E-Mails zu checken, um deren wohlverdiente Erholungsphase nicht zu gefährden. Gewerkschaften verweisen auf das Recht auf Freizeit. Und in der letzten Zeit sind denn auch eine Menge Bücher auf den Markt gekommen, in denen es um das „Lob der Faulheit“ geht, um das „Lob der Pause“ und um Müßiggang im Allgemeinen. Aber darum geht es hier gar nicht. Denn die üblichen Ratgeber wollen Faulenzer wie Sie gar nicht verändern, sondern Ihnen zeigen, wie wichtig, positiv und notwendig ein solches Verhalten eigentlich ist – wenn Sie bitte nur ein paar winzige, für das große Ganze unerhebliche Schwachstellen in Ihrem ausgeklügelten System der Selbsttäuschung korrigieren könnten?
Das macht John Perry nicht. Der inzwischen emeritierte Professor für Philosophie in Stanford ist bekennender Prokrastinierer, was so viel bedeutet wie: ein chronischer Aufschieber. Prokrastination, also das ständige Vor-sich-her-schieben, könnte man als eine Unterart der Faulheit bezeichnen, wenn sich auch die Symptome lesen wie der Beginn einer leichten bis mittleren Geisteskrankheit. Sein Leben lang quälte sich Perry mit seinem Verhalten ab, fühlte sich schuldig – und schrieb eines Tages einen Essay darüber. Das tat er wirklich nur, um einer anderen, viel wichtigeren Aufgabe zu entkommen – eben das klassische Muster eines Aufschiebers. „Ich hatte einen Stapel Papiere, die ich benoten sollte, und noch ein paar andere Dinge zu erledigen, und ich machte es nicht, was typisch ist für mich. Es gab gar keinen Grund, es nicht zu erledigen, aber ich tat es trotzdem nicht und fing an, depressiv zu werden und mich richtig mies zu fühlen“, erzählte Perry kürzlich im National Public Radio. „Aber dann fiel mir auf, dass ich eigentlich eine Menge Dinge erledigt bekomme. Immerhin hielten die Leute in Stanford mich für einen rührigen Macher, sie setzten mich in einen Haufen Komitees und übertrugen mir viele Aufgaben. Und ich veröffentliche ziemlich viel und schaffte es, meinen Job zu behalten.“
Perrys kleiner Aufsatz machte bald im Internet die Runde – und fand unglaubliche Resonanz. Eigentlich kein Wunder, das Phänomen der „Erledigungsblockade“ ist weiter verbreitet, als Sie annehmen: In einer Umfrage von 1999 erklärten beispielsweise 40 Prozent aller befragten Amerikaner, dass ihnen wegen ihrer Prokrastination bereits Nachteile entstanden wären, ein Viertel von ihnen meinte sogar, sie würden unter chronischem Handlungsaufschub leiden. Diesen Sommer, schlappe 15 Jahre nach der Erstveröffentlichung des Essays, hat Perry ein Büchlein daraus gemacht, knapp über hundert Seiten, große Zeilenabstände – und es ist genau das, was Sie brauchen, um mit Ihrer Schwäche ins Reine zu kommen. Denn Perrys These besagt: Liegenlasser und Aufschieber mit Plan schaffen in Wahrheit enorm viel. Gerade weil sie alles vertrödeln und tausend andere Dinge finden, die sie stattdessen erledigen. Hey, Sie sind toll! Und im Zuge seines Spaziergangs durch die Irrungen der Prokrastination schweift Perry gleich in einen kleinen Diskurs über die Irrationalität des Menschen im Allgemeinen und die Nützlichkeit des Tagträumens im Besonderen ab – kleiner Zugewinn für ein Buch, das man zweifellos jedem drögen Geschäftsbericht vorziehen sollte.
Falls Sie wissen wollen, welchen praktischen Nutzen außer dem theoretischen Gutgefühl man aus seiner individuellen Faulheit noch ziehen kann: Schauen Sie sich bei den britischen Müßiggängern um, vor allem bei den zwei Herausgebern des Idler , eines Magazins, das sich als einmal jährlich erscheinendes Buch tarnt. Der eine, Tom Hodgkinson, hat sich aufs Land zurückgezogen und befasst sich damit, die anfallenden Arbeiten des Jahres in angenehme Aufgaben zu portionieren. (Was übrigens ein wirklich funktionierender Trick ist, um Schwächeanfälle zu überwinden: Zerteilen Sie eine unüberwindliche Aufgabe in möglichst viele kleine Schritte.) Also: Holzhacken im Januar. Bienen im Juni. Bierbrauen im Oktober. Fest im Dezember.
Der andere Idler, Gavin Pretor-Pinney, betrachtet lieber. Beispielsweise Wolken. Das liegt schließlich nahe, wenn man gern auf dem Rücken liegend in den Himmel sieht. Und dann, tagträumend, Gestalten in ihnen entdeckt, möglicherweise im Internet stundenlang den Kumulus-Wolken hinterherjagt und schließlich sogar ein Buch darüber schreibt: „Wolkengucken“. Dann, eines Tages am Meer: keine Wolke, nirgends. Pretor-Pinney musste zwangsläufig den Blick nach unten richten und entdeckte: Wellen. Schrieb ein Buch über sie. Bekam den renommiertesten britischen Wissenschaftsbuchpreis dafür. Tja.
Wellen und Wolken und das Betrachten derselben: Es gibt wohl keine größere Antithese zum ratrace , zum Handyklingeln also, zum E-Mail-Schreiben, Twittern und ununterbrochenen Geplapper der beschäftigten Welt, für die jeder Augenblick mit wesentlichen Inhalten gefüllt werden muss. Wobei die Betonung auf wesentlich liegt.
Aber wenn es Ihnen tatsächlich so wichtig ist, das schlechte Gewissen in den Griff zu bekommen, hier ein paar Referenzen von Leuten, die es trotzdem geschafft haben. Albert Einstein praktizierte das Nickerchen. Er behielt beim Dösen seinen Schlüsselbund in der Hand, wenn der ihm entglitt, bedeutete das: aufwachen, sonst folgt der Tiefschlaf. Marcel Proust wiederum lag wochenlang im Bett. Einmal lud er einen Gast auf einen Kurzbesuch in sein Schlafzimmer – um sich zu vergewissern, dass er diesen auch richtig beschrieben hatte in seinem Roman. Der hieß „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Nicht schlecht für eine Schlafmütze.
Tom Hodgkinson: Schöne alte Welt: Ein praktischer Leitfaden für das Leben auf dem Lande. Rogner & Bernhard 2011.
Gavin Pretor-Pinney: Kleine Wellenkunde für Dilettanten, Rogner & Bernhard 2011.
Thomas Hohensee: Lob der Faulheit. Warum Disziplin und Arbeitseifer uns nur schaden. Gütersloher Verlagshaus 2012.
Karlheinz A. Geißler: Lob der Pause. Von der Vielfalt der Zeiten und der Poesie des Augenblicks. oekom 2012.
Der Backlash gegen die
allgemeine Umtriebigkeit
ist in vollem Gange
Liegenlasser und
Aufschieber mit Plan schaffen
in Wahrheit viel
Beliebte Frage im Kreuzworträtsel:
Ai ist ein anderer Name für –
das Weißkehl-Faultier (Bradypus
Tridactylus) aus der Familie
der Dreifinger-Faultiere. Und so weit kommt es im Monat:
einen Kilometer. FOTO: GETTY IMAGES
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