Viel Feind, viel Ehr , scheint derzeit die Devisedes nationalkonservativen Ministerpräsidenten Ungarns, Viktor Orbán, zu sein. Ohne Rücksicht auf Proteste im eigenen Land, ohne Rücksicht auf die massiven Bedenken der EU, des Europarates, der USA und zahlreicher Menschenrechtsorganisationen setzt der 50-jährige Ungar seine rechte Revolution im Land fort, ganz nach seinen persönlichen Vorstellungen und manövriert damit sein Land in die Isolation. Demokratische Institutionen oder Kontrollinstanzen lässt er mithilfe seiner parlamentarischen Zwei-Drittel-Mehrheit aushöhlen und unter die Kontrolle der Regierung bringen, also de facto unter seine Kontrolle. Kritiker sind unerwünscht. Wer sich Orbán in den Weg stellt wird beseitigt, oder zumindest entmachtet, wie im März 2013 das Verfassungsgericht. Kritische Berichte ausländischer Korrespondenten werden nach außen als linke Propaganda kommuniziert. Üblicherweise heißt es über kritisch berichtende Journalisten, dass sie von linken Auslandsungarn manipuliert seien. Auch ORF-Korrespondent Ernst Gelegs ist aufgrund seiner Berichterstattung über die ungarische Regierungspolitik als unverbesserlicher Linker bezeichnet worden. Zusammen mit Roland Adrowitzer, dem Leiter des ORF-Korrespondentenbüros, setzt er sich nun eingehend mit der Politik Orbáns auseinander; ein demokratisches Europa, so zeigt das Buch mit Nachdruck, wird die ungarische Regierungspolitik nicht mehr tatenlos zur Kenntnis nehmen können.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Ralf Leonhard schätzt Ernst Gelegs, den Ungarn-Korrespondent des ORF, als intimen Kenner der ungarischen Politik. Entsprechend gelingt es diesem auch, so Leonhard weiter, die zahlreichen einschneidenden Veränderungen und Umwälzungen in allen gesellschaftlichen Bereichen des Landes seit 2010, als Orbán und seine rechtsnationalistische Fidesz-Partei an die Macht gekommen ist, "faktenreich" zu vermitteln. Die wichtigsten Eckpunkte referiert der Rezensent in knapper Zusammenfassung: Kontrolle des Medienapparats, Absicherung umstrittener Gesetze, indem sie in Verfassungsrang gehoben werden, Ausschaltung parlamentarischer Mittel der Opposition, die Orbán selbst zu Oppositionszeiten noch rege strategisch genutzt hat. Kurz und bündig Leonhards Fazit: Wer die Vorkommnisse in Ungarn verstehen will, sollte zu diesem Buch greifen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.01.2014Im Griff
des Nationalismus
Ungarns Zukunft unter seinem Premier Viktor Orbán
Viktor Orbán, der ungarische Premier mit dem überbordenden Selbst- und Sendungsbewusstein, unterwirft sich das Land, als gehöre es ihm und seinen Parteifreunden. Aber seine Kritiker sind müde geworden. Der Umbau vollzieht sich subtiler als in der Vergangenheit, und die EU meidet die stetige Auseinandersetzung mit Budapest. Zu hysterisch war die Stimmung zuletzt gewesen, auf beiden Seiten.
Orbáns Regierung wiederum ist darauf bedacht, sich ins rechte Licht zu rücken. Jede antisemitische oder rechtsradikale Aktion im Land wird umgehend öffentlich verdammt, man will sich nicht mehr dem Vorwurf stillschweigenden Einverständnisses mit rechtsradikalen Ideologen aussetzen. Die ökonomischen Erfolge, etwa die gesunkene Arbeitslosenquote, werden lautstark vermarktet, im Übrigen hält sich die Regierung – wenige Monate vor der nächsten Wahl – mit Aktionen zurück, welche die EU erneut auf den Plan rufen könnten.
Leise und durchaus geschickt orchestriert, geht unterdessen der Umbau des Landes hin zu einer von Fidesz dominierten und von der Partei-Ideologie geprägten Nation weiter: Nach der Unterminierung demokratischer Kontrollinstanzen und der Langzeit-Installierung von Parteileuten an zentralen Schaltstellen von Politik, Medien, Kunst und Justiz hat sich die Regierung auf die Wirtschaft verlagert: auf Renationalisierungen, den Erwerb von Anteilen an lukrativen Privatfirmen, die Umverteilung von Grund und Boden, den Kampf gegen internationale Konzerne. Den Wahlsieg im Frühjahr wird Viktor Orbán, daran zweifelt kaum noch jemand, mit einer absoluten, vielleicht auch erneut mit einer Zweidrittel-Mehrheit einfahren. Seine „nationale Revolution“ wird dann weitgehend beendet sein, die Zeit der Ernte dürfte folgen.
Zwei ORF-Journalisten, der Ungarn-Korrespondent Ernst Gelegs und der Leiter des ORF-Korrespondentenbüros, Roland Adrowitzer, haben nun mit einem überaus kritischen, ja parteiischen Buch ein Resumee der vergangenen Jahre vorgelegt. Ihr Buchtitel „Schöne Grüße aus dem Orbán-Land“, hat eine Vorgeschichte: Autor Gelegs hatte private Mails mit diesem Spruch geschlossen, auf rätselhafte Weise tauchten diese Mails dann in der ungarischen Botschaft in Wien wieder auf, die sie flugs öffentlich machte und als ungarnfeindliche Haltung interpretierte.
Gelegs berichtet in dem Buch von ständigen Einschüchterungsversuchen und massiven Beschwerden von Seiten ungarischer Regierungsstellen. Viele Auslandskorrespondenten, die über Ungarn schreiben, erleben das regelmäßig. Wohl auch, um den Druck auf einen einzelnen Reporter zu vermindern, wurde dem Autor Gelegs daher ein Co-Autor beigesellt.
Ungarnfeindlich ist der Band selbstredend nicht, auch wenn der Premier gern Fidesz und Ungarn gleichsetzt und mit dem legendären Spruch zitiert wird, die Heimat könne nicht in der Opposition sein. Die ORF-Redakteure beschreiben lediglich Viktor Orbáns Weg an die Macht und seinen Umgang damit: Seine Partei und er kontrollierten „nicht nur alle Ministerien und das Parlament, sondern auch den Staatspräsidenten, den Rechnungshof, die Finanzmarktaufsicht, große Teile der Justiz, die Medienbehörde, die öffentlich-rechtlichen Medien und seit März 2013 die Nationalbank.“ Seit einiger Zeit arbeite die Regierung vornehmlich daran, mittels des neuen Landgesetzes ungarischen Boden, der in ausländischem Besitz ist, für die eigene Klientel zurückzuholen. Demnach dürfen nur noch Ausländer größere Stücke Land kaufen, die in Ungarn leben und selbst Landwirtschaft betreiben, also keinen Boden verpachten oder ungarische Dienstnehmer beschäftigen. Sogenannte grüne Barone, darunter auch Orbáns Ehefrau, profitierten von diesem Gesetz; Land, das an den Staat zurückfalle, werde umgehend an heimische Großgrundbesitzer ausgegeben, die selbst keine Einkommenssteuer auf die Einnahmen aus der Verpachtung von Grund und Boden zu zahlen hätten.
Was wie ein Exkurs für Experten klingt, wirkt tatsächlich ein klassischer Beleg für die ungezügelte Machtpolitik im Orbán-Land. Leider echauffieren sich die Autoren selbst so sehr über ihre Arbeitsergebnisse, dass sie diese mit stark wertenden, bisweilen infantilen Kommentaren versehen: „Dass Orbán mit solchen Enteignungsaktionen die Rechtssicherheit seines Landes gefährdet, ist dem Ministerpräsidenten herzlich egal!“, heißt es da, oder „Donnerwetter“ und „Jetzt schlägt’s aber dreizehn“. Die Journalisten, die ein detailliert recherchiertes und spannendes Buch geschrieben haben, entwerten ihre Arbeit auch durch Feststellungen, nach denen „Landwirtschaftsexperten“ falsche Zahlen publizierten; die richtigen jedoch reichen sie nicht nach: „Jeder, der sich nur am Rande mit Landwirtschaft in Ungarn beschäftigt, weiß, dass dies blanker Unsinn ist“, steht da stattdessen zu lesen.
Dabei haben Gelegs und Adrowitzer ungeheuer viel Material gesammelt. Sie erklären die Folgen der Justizreform und die zahlreichen Auswirkungen der „unorthodoxen“ (Eigenwerbung Orbán) Wirtschaftspolitik, nach der internationale Konzerne bluten müssen und die Konsumenten mit Dutzenden kleinen Eingriffen in den Markt freundlich gestimmt werden. Das reicht bis hin zu so schönen Details, dass im nationalen Interesse Hundehalter dann keine Steuern zahlen müssen, wenn sie traditionelle ungarische Rassen besitzen. Die dirigistischen Eingriffe der Regierung werden aufgelistet (der Verlust der universitären Autonomie, die zentrale Steuerung von Bildungs- und Gesundheitspolitik, die Schaffung neuer Staatsmonopole). Doch dann stolpert man inmitten kluger Analysen über Formulierungen wie „Orban und seine Jünger“ – und wünscht sich, die zwei Autoren hätten allein die Fakten für sich sprechen lassen. Denn so viel ist klar: In Ungarn, wo Meinungsvielfalt immer weniger gilt und eine kleine Clique sich an den Töpfen der Macht auf längere Zeit eingerichtet hat, braucht es konsequente Aufklärung, Information und Opposition.
CATHRIN KAHLWEIT
Roland Adrowitzer, Ernst Gelegs: Schöne Grüße aus dem Orbán-Land. Die rechte Revolution in Ungarn. Styria Verlag, 2013. 205 Seiten, 24,99 Euro.
Die Hundesteuer wird den
Haltern typisch „ungarischer“
Hunde erlassen
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
des Nationalismus
Ungarns Zukunft unter seinem Premier Viktor Orbán
Viktor Orbán, der ungarische Premier mit dem überbordenden Selbst- und Sendungsbewusstein, unterwirft sich das Land, als gehöre es ihm und seinen Parteifreunden. Aber seine Kritiker sind müde geworden. Der Umbau vollzieht sich subtiler als in der Vergangenheit, und die EU meidet die stetige Auseinandersetzung mit Budapest. Zu hysterisch war die Stimmung zuletzt gewesen, auf beiden Seiten.
Orbáns Regierung wiederum ist darauf bedacht, sich ins rechte Licht zu rücken. Jede antisemitische oder rechtsradikale Aktion im Land wird umgehend öffentlich verdammt, man will sich nicht mehr dem Vorwurf stillschweigenden Einverständnisses mit rechtsradikalen Ideologen aussetzen. Die ökonomischen Erfolge, etwa die gesunkene Arbeitslosenquote, werden lautstark vermarktet, im Übrigen hält sich die Regierung – wenige Monate vor der nächsten Wahl – mit Aktionen zurück, welche die EU erneut auf den Plan rufen könnten.
Leise und durchaus geschickt orchestriert, geht unterdessen der Umbau des Landes hin zu einer von Fidesz dominierten und von der Partei-Ideologie geprägten Nation weiter: Nach der Unterminierung demokratischer Kontrollinstanzen und der Langzeit-Installierung von Parteileuten an zentralen Schaltstellen von Politik, Medien, Kunst und Justiz hat sich die Regierung auf die Wirtschaft verlagert: auf Renationalisierungen, den Erwerb von Anteilen an lukrativen Privatfirmen, die Umverteilung von Grund und Boden, den Kampf gegen internationale Konzerne. Den Wahlsieg im Frühjahr wird Viktor Orbán, daran zweifelt kaum noch jemand, mit einer absoluten, vielleicht auch erneut mit einer Zweidrittel-Mehrheit einfahren. Seine „nationale Revolution“ wird dann weitgehend beendet sein, die Zeit der Ernte dürfte folgen.
Zwei ORF-Journalisten, der Ungarn-Korrespondent Ernst Gelegs und der Leiter des ORF-Korrespondentenbüros, Roland Adrowitzer, haben nun mit einem überaus kritischen, ja parteiischen Buch ein Resumee der vergangenen Jahre vorgelegt. Ihr Buchtitel „Schöne Grüße aus dem Orbán-Land“, hat eine Vorgeschichte: Autor Gelegs hatte private Mails mit diesem Spruch geschlossen, auf rätselhafte Weise tauchten diese Mails dann in der ungarischen Botschaft in Wien wieder auf, die sie flugs öffentlich machte und als ungarnfeindliche Haltung interpretierte.
Gelegs berichtet in dem Buch von ständigen Einschüchterungsversuchen und massiven Beschwerden von Seiten ungarischer Regierungsstellen. Viele Auslandskorrespondenten, die über Ungarn schreiben, erleben das regelmäßig. Wohl auch, um den Druck auf einen einzelnen Reporter zu vermindern, wurde dem Autor Gelegs daher ein Co-Autor beigesellt.
Ungarnfeindlich ist der Band selbstredend nicht, auch wenn der Premier gern Fidesz und Ungarn gleichsetzt und mit dem legendären Spruch zitiert wird, die Heimat könne nicht in der Opposition sein. Die ORF-Redakteure beschreiben lediglich Viktor Orbáns Weg an die Macht und seinen Umgang damit: Seine Partei und er kontrollierten „nicht nur alle Ministerien und das Parlament, sondern auch den Staatspräsidenten, den Rechnungshof, die Finanzmarktaufsicht, große Teile der Justiz, die Medienbehörde, die öffentlich-rechtlichen Medien und seit März 2013 die Nationalbank.“ Seit einiger Zeit arbeite die Regierung vornehmlich daran, mittels des neuen Landgesetzes ungarischen Boden, der in ausländischem Besitz ist, für die eigene Klientel zurückzuholen. Demnach dürfen nur noch Ausländer größere Stücke Land kaufen, die in Ungarn leben und selbst Landwirtschaft betreiben, also keinen Boden verpachten oder ungarische Dienstnehmer beschäftigen. Sogenannte grüne Barone, darunter auch Orbáns Ehefrau, profitierten von diesem Gesetz; Land, das an den Staat zurückfalle, werde umgehend an heimische Großgrundbesitzer ausgegeben, die selbst keine Einkommenssteuer auf die Einnahmen aus der Verpachtung von Grund und Boden zu zahlen hätten.
Was wie ein Exkurs für Experten klingt, wirkt tatsächlich ein klassischer Beleg für die ungezügelte Machtpolitik im Orbán-Land. Leider echauffieren sich die Autoren selbst so sehr über ihre Arbeitsergebnisse, dass sie diese mit stark wertenden, bisweilen infantilen Kommentaren versehen: „Dass Orbán mit solchen Enteignungsaktionen die Rechtssicherheit seines Landes gefährdet, ist dem Ministerpräsidenten herzlich egal!“, heißt es da, oder „Donnerwetter“ und „Jetzt schlägt’s aber dreizehn“. Die Journalisten, die ein detailliert recherchiertes und spannendes Buch geschrieben haben, entwerten ihre Arbeit auch durch Feststellungen, nach denen „Landwirtschaftsexperten“ falsche Zahlen publizierten; die richtigen jedoch reichen sie nicht nach: „Jeder, der sich nur am Rande mit Landwirtschaft in Ungarn beschäftigt, weiß, dass dies blanker Unsinn ist“, steht da stattdessen zu lesen.
Dabei haben Gelegs und Adrowitzer ungeheuer viel Material gesammelt. Sie erklären die Folgen der Justizreform und die zahlreichen Auswirkungen der „unorthodoxen“ (Eigenwerbung Orbán) Wirtschaftspolitik, nach der internationale Konzerne bluten müssen und die Konsumenten mit Dutzenden kleinen Eingriffen in den Markt freundlich gestimmt werden. Das reicht bis hin zu so schönen Details, dass im nationalen Interesse Hundehalter dann keine Steuern zahlen müssen, wenn sie traditionelle ungarische Rassen besitzen. Die dirigistischen Eingriffe der Regierung werden aufgelistet (der Verlust der universitären Autonomie, die zentrale Steuerung von Bildungs- und Gesundheitspolitik, die Schaffung neuer Staatsmonopole). Doch dann stolpert man inmitten kluger Analysen über Formulierungen wie „Orban und seine Jünger“ – und wünscht sich, die zwei Autoren hätten allein die Fakten für sich sprechen lassen. Denn so viel ist klar: In Ungarn, wo Meinungsvielfalt immer weniger gilt und eine kleine Clique sich an den Töpfen der Macht auf längere Zeit eingerichtet hat, braucht es konsequente Aufklärung, Information und Opposition.
CATHRIN KAHLWEIT
Roland Adrowitzer, Ernst Gelegs: Schöne Grüße aus dem Orbán-Land. Die rechte Revolution in Ungarn. Styria Verlag, 2013. 205 Seiten, 24,99 Euro.
Die Hundesteuer wird den
Haltern typisch „ungarischer“
Hunde erlassen
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de