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Forever young - oder doch nicht?
Die heute tonangebende Generation bewegt sich auf die Vierzig zu oder hat sie vor kurzem überschritten. Aber anders als zu Zeiten ihrer Eltern, als es klare Vorstellungen vom Weg ins Erwachsensein gab, wissen die wenigsten heute so recht: Ist man schon alt, oder fühlt man sich noch jung? Die meisten ahnen: beides zugleich. Denn innerhalb von nur einer Generation hat sich die Gesellschaft revolutioniert. Wir werden immer später erwachsen, aber wir wissen bis heute nicht, was das bedeutet: Schieben diejenigen, die heute zwischen 30 und 50 sind, den Moment, da…mehr

Produktbeschreibung
Forever young - oder doch nicht?

Die heute tonangebende Generation bewegt sich auf die Vierzig zu oder hat sie vor kurzem überschritten. Aber anders als zu Zeiten ihrer Eltern, als es klare Vorstellungen vom Weg ins Erwachsensein gab, wissen die wenigsten heute so recht: Ist man schon alt, oder fühlt man sich noch jung? Die meisten ahnen: beides zugleich. Denn innerhalb von nur einer Generation hat sich die Gesellschaft revolutioniert. Wir werden immer später erwachsen, aber wir wissen bis heute nicht, was das bedeutet: Schieben diejenigen, die heute zwischen 30 und 50 sind, den Moment, da sie die Dinge endlich in die Hand nehmen, immer noch vor sich her? Was sind ihre Vorstellungen vom Glück, von der Liebe, von einer Karriere? Und sind all jene, die ihre Jugend so weit verlängert haben, überhaupt in der Lage, in Würde zu altern? Werden sie nicht, weil sie Jugend für einen Charakterzug und nicht einen Lebensabschnitt halten, verzweifeln an den ersten echten Alterserscheinungen?

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.05.2005

Der Jugend Rosenbahn zurückzueilen
Süffig, kulinarisch, locker erzählt Claudius Seidl von den ewig jung Gebliebenen und ihrem Generationenkampf
Es gibt Bücher, die werden geschrieben, um Botschaften in die Welt zu rufen, Botschaften, die wir Leser erst mal verkraften müssen. Dabei stellt sich hin und wieder ein Grummeln in der Magengegend ein, es könnte auch Melancholie oder Trübsinn sein, jedenfalls ein komisches Gefühl. Liegt das an der Botschaft, fragen wir uns, oder an uns selbst? Und je länger wir versuchen, auf der Rutschbahn der Beweisführungen Tritt zu fassen, weil wir sonst die Balance verlören, desto mehr beschleicht uns das Gefühl, dass wir vielleicht gar nicht verstehen, worum es eigentlich geht. Für den Normalleser ist das nicht weiter tragisch, er liest weiter oder er klappt das Buch zu, gerade wie es ihm gefällt.
Die Rezensentin aber ist in der Bredouille, denn sie muss die Generalperspektive im Auge behalten. Und weil der Text auch noch gut geschrieben, professionell recherchiert, süffig, kulinarisch, leicht - um nicht zu sagen easy - lesbar ist, beginnt sie an sich zu zweifeln. Was ist los?, denkt sie, bin ich zu verstaubt, zu weltfremd, zu ignorant? Bin ich an diese Welt, dieses Leben überhaupt noch angeschlossen?
Der Journalist Claudius Seidl, Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, hat ein modernes, vielleicht sogar prophetisches Buch geschrieben. Es geht um die „tonangebende”, „werberelevante” Generation der Dreißig- bis Vierzigjährigen, es geht vor allem darum, dass diese keinen Lebensbauplan mehr hat und nicht weiß, wie sie damit umgehen soll. Diese Generation, lernen wir, könne sich von der eigenen Jugend nicht verabschieden, wolle nie erwachsen werden, und werde, ohne es je gewesen zu sein, übergangslos senil.
Diese Generation, so die Botschaft, ist noch am vierzigsten Geburtstag in pubertäre Träume verwoben, weigert sich, den unnachgiebigen Boden der Tatsachen zu betreten, gibt sich lieber amüsanten Sehnsüchten, infantilen Spielereien hin. Dies gilt zumal für die Männer, die Schlingel, die wollen mit dreißig, vierzig immer noch die Kindsköpfe sein, die sie mit vierzehn waren, speziell die Männer aus dem Medienbereich, der Musik- oder Werbebranche, die ewig Fünfunddreißigjährigen. (Wer einmal einen ganzen Tag lang privates Fernsehen geschaut hat, weiß, wovon die Rede ist.) „Wer erwachsen wird, ist verloren.” Vor allem, wenn es darum geht, „die Globalisierung, die nächste technische Revolution oder die Lektüre der Gebrauchsanleitung seines DVD-Rekorders” erfolgreich bestehen.
In Seidls Sittenbild tummeln sich Heerscharen von kindischen Endzwanzigern, unsensiblen Dreißigern, larmoyanten Vierzigern. Vier Karrieren von Vierzigjährigen greift er heraus. Es sind Männer, die Platten in Clubs auflegen - am liebsten in New York - und von der Droge Freiheit nicht mehr runterkommen, Männer, die eine unstillbare Lust verspüren, Lifestyle-Geschichten zu schreiben oder aber als Headhunter ihre Brötchen verdienen. Die Superjobs in Werbeagenturen jedoch, in Pressebüros und Schallplattenfirmen gehen regelmäßig an die viel zu Jungen, Unreifen, die vitelloni der Mediengesellschaft. Sie wollen die Vierzigersäcke und Lesebrillenträger samt ihrer öden Berufs- und Lebenserfahrung nicht mehr zu Wort kommen lassen, Grünschnäbel, die jeden duzen und in der Straßenbahn nicht aufstehen für das alte fünfzigjährige Mütterchen. Bis an den Horizont nur Producer, Marketing-Assistentinnen und Web-Designer, die Welt in der Hand von Typen, die nichts wissen vom Leben, schlimmer: gar nicht wissen wollen.
Immer fünfunddreißig
Aber es kommt noch ärger: Weil diese Grünschnäbel nicht erwachsen werden und sich weigern, Kinder zu zeugen und großzuziehen, werden die Alten immer mehr und die Jungen immer weniger. In düsteren Farben pinselt Seidl sein Schlachtengemälde vom Kampf der Generationen, da vermag nicht einmal die versiert lockere Sprache zu trösten. Die Handvoll Jungen, bis an die Zähne mit Hass bewaffnet, kämpft gegen die größte Alterskohorte aller Zeiten. „Die Herrschaftsform wird eine Gerontokratie sein, so starr und verkalkt, als hätten sich Nicolae Ceaucescu und Leonid Breschnew die ganze Sache in einer schlaflosen Nacht am Telefon ausgedacht.”
Zur Klärung der eigenen Position ist das Buch eher nicht geeignet. Übrig bleibt ein undeutliches Gefühl, dass wir auf der sicheren Seite eigentlich nur dann sind, wenn wir so lange wie möglich so jung wie möglich bleiben: fünfunddreißig Jahre lang immer fünfunddreißig. Aber wozu denn? Könnten wir nicht ganz gelassen älter werden? Oder wollen wir den unerzogenen, unerfahrenen Elefantenbabys aus der Medien- oder Modeschickeria imponieren? Wollen wir von diesen Kindsköpfen wirklich für jünger gehalten werden, als wir sind? Mit fünfzig noch für fünfunddreißig und mit siebzig auch noch? Jetzt kommt plötzlich alles durcheinander, wir wissen gar nicht mehr, wo vorne und hinten ist, und spätestens jetzt haben wir den Verdacht, dass das mit der Seidlschen Apokalypse so irgendwie nicht stimmen kann. Und weil er offenbar selbst gespürt hat, dass da was nicht stimmt, endet das Buch versöhnlich mit einem klaren Plädoyer gegen den Jugendwahn und der Hoffnung, dass - mögen die Götter helfen - es mit der Vergreisung dann doch nicht gar so drastisch kommen muss.
FRANZISKA SPERR
CLAUDIUS SEIDL: Schöne junge Welt. Warum wir nicht mehr älter werden. Goldmann, München 2005. 192 Seiten, 18 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Dieses Buch wird an der Ladenkasse scheitern, glaubt Rezensent Gerrit Bartels. Für ein Generationsbuch in der Nachfolge von Florian Illies' "Generation Golf" sei es nämlich "eine Idee zu komplex und essayhaft geraten". Claudius Seidls Thema ist das Verschwinden der Vorstellung, die Jugend könnte irgendwann zu Ende sein: Auch die über 40-Jährigen fühlen sich heute noch jung. Seidl belege dies mit Geschichten aus dem eigenen Leben und Interviews, die er mit "Freunden, seiner Schwester und Leuten aus dem Kulturbetrieb" geführt hat. Diese Personen, wendet der Rezensent ein, sind jedoch nicht repräsentativ für die Gesellschaft: Ärzte und oder VW-Arbeiter führen ein anderes Leben als Angehörige des Medienbetriebs. Davon abgesehen empfindet der Rezensent große Sympathie für den Autor, der mit seinen 46 Jahren bekennt, nachts immer noch gern in "irgendwelchen angesagten Clubs" zu stehen. Bartels kann das offenbar gut nachvollziehen. Zugleich gefällt ihm die "Melancholie" mit der Seidl sich andererseits fragt, ob die 30- bis 60-Jährigen vielleicht doch nur "in einem Gegenwartsknast" leben. Alles in allem, so der Rezensent, stellt das mit "Leichtigkeit" und "Eleganz" geschriebene Buch "seine Gebrochenheit hübsch aus und verzichtet auf jede Form von simpler Handreichung und Gebrauchsanweisung."

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr