Dies ist der dritte Roman Franz Innerhofers und zugleich der Abschluss seiner Entwicklungsschilderungen. Belastet mit den Erfahrungen einer gestohlenen Kindheit und mühsamer Anstrengungen, als Lehrling und Fabrikarbeiter Unabhängigkeit zu gewinnen, unternimmt Holl nunmehr den Versuch, als Abendschüler und schließlich Student sich Eintritt in die "Welt des Redens" zu verschaffen ...
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.01.2003Angst vor dem großen Wort
Wenn der Mensch ausbleibt: Franz Innerhofers Holl-Zyklus
Es bedurfte eines Romans von 239 Seiten, bevor Franz Innerhofer "Ich" zu sagen wagte. "Schöne Tage", das Buch, mit dem ihm 1974 sofort der Durchbruch in die erste Reihe der jungen deutschsprachigen Literatur gelungen war, erzählt vom traurig-tragischen Schicksal des Knaben Holl, der als Kind auf den Hof seines natürlichen Vaters verfrachtet wird, wo er alsbald zu knochenharter Fronarbeit verdammt ist. Holl schuftet und flucht und keucht und schwitzt, die Bürde seines Knecht-Daseins ist ihm auferlegt, womöglich für den Rest seines ganzen Lebens. Holl, dem Franz Innerhofer den Vornamen verweigert, um zu zeigen, wie sehr er von sich selber abzusehen gezwungen und auf individuelle Ansprüche zu verzichten genötigt ist, wird schon als Kind die Plage der "Leibeigenschaft" zugemutet. Er wird gedemütigt und mit Arbeit überhäuft, jede Abweichung wird mit drastischen Strafen geahndet. Die ganze Gesellschaft weiß von diesem Übel, schlimmer, sie duldet es stillschweigend.
Wir befinden uns wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, die Ausbeutung der nahezu rechtlosen Landarbeiter, die Knechtung der Ärmsten, die keinen Besitz vorweisen können und deshalb auf Gedeih und Verderb dem Bauern ausgeliefert sind, gehört zur Geschichte Österreichs, die erst durch den wütenden Aufschrei Innerhofers in der Literatur zur erschreckenden Wahrheit geworden ist. Innerhofer ist es gelungen, österreichische Verhältnisse so drastisch und wild zu schildern, daß das Buch sofort in aller Munde war. Er habe nur festgehalten, was sich auf dem Land abgespielt hat, als die Technik auf den Bauernhöfen noch nicht Einzug gehalten hat, urteilten Menschen, die mit Befriedigung feststellten, daß es endlich einmal einer gewagt habe, ihr Schicksal für literaturwürdig zu halten. Er übertreibe maßlos, meinten die anderen, die sich auf die Seite der Besitzenden schlugen, er sei ein Finsterling, der sich ausschließlich auf die negativen Aspekte konzentriert habe und einseitig verfahre.
Die Einseitigkeit, ein Vorrecht der Literatur, hängt mit der Perspektive zusammen. Der Erzähler, der im Roman "Schöne Tage" auftritt, schlägt sich auf die Seite Holls. Er beobachtet, was Holl widerfährt, er nimmt wahr, was Holl wahrnimmt. Holl ist das Opfer, dem kein Freiraum bleibt und der, weil er sich nicht wehren kann, zum Bettnässer wird. Der Vater regiert als blindwütige Macht über Untertanen, die ihre Berechtigung nicht als Menschen, sondern als Arbeitskraft erfahren. Von grauenhaften Lebensformen ist nachzulesen bei Innerhofer, von Menschen, denen der Widerstandsgeist gebrochen wurde und die, um nicht vollends zu verkümmern, unvorstellbare Entbehrungen auf sich nahmen. Der alte Moritz ist einer von denen, der willig alle Mühen des Gebirges im tiefen Salzburger Land auf sich nimmt und dann, wenn alle schlafen, nach einem langen Tag voller Schwerarbeit, feinfühlig Uhren repariert.
In rascher Folge sind in den Jahren 1974, 1975 und 1977 drei Romane von Franz Innerhofer erschienen, die sich zu einer Trilogie der Menschenverachtung fügten. Dem bäuerlichen Auftakt "Schöne Tage" folgten der Lehrlingsroman "Schattseite" und der Fortbildungsroman "Die großen Wörter". Im mittleren Band verließ Innerhofer vorübergehend die Außenperspektive, um Holl selber erzählen zu lassen: "Hauptsächlich aber beschäftigte mich das Problem, wie befreie ich mich von meiner Familie, die sich mich angeeignet hat?"
Die Romane Innerhofers wurden behandelt, als wären sie eine Naturgewalt, die unverhofft in die deutsche Literatur eingebrochen war. Ihnen wurde ein Authentizitäts-Bonus verliehen, gerade so, als ob sie ein Abbild des prallen Lebens wären. Der Schriftsteller, der dahinterstand und für die Glaubwürdigkeit des Geschriebenen bürgte, sollte alles selber erlebt haben. Und schnell waren Leser und Kritiker bereit, Innerhofer seine Bücher als schmerzlich erfahrene Wirklichkeit abzukaufen. Damit konnte man auch recht gut das eigene Gewissen beruhigen. Dem Schriftsteller, dem es miserabel ergangen war, konnte man Liebe, Ehre, Anerkennung und den einen oder anderen Literaturpreis nachtragen. Allzuschnell dachte man, daß in diesen Büchern die Wirklichkeit der Randexistenzen beschrieben sei, und weil aus eigener Anschauung davon niemand wußte, nahm man die Bücher für die ganze Wahrheit.
Gewiß ist es Innerhofers Verdienst, Menschen, denen keine Biographie zugestanden wurde, weil sich das Leben auf das Ausführen von Befehlen beschränkte und Lebensläufe somit ununterscheidbar wurden, ein Gesicht verliehen zu haben. Wo keiner genau hinsah, entdeckte Innerhofer vernichtete Existenzen, die alle in einer eigenen Form des Unglücks gefangen waren. Dort, wo die Sprachlosigkeit daheim war, tastete sich der Autor kraft seines Vermögens hin, die Wörter abzurichten, auf daß sie etwas mitteilten über die Welt der ins Verstummen gezwungenen Wünsche und Leiden.
Doch die drei Romane sind so wenig authentische Zeugnisse verkorksten Lebens wie Thomas Bernhards autobiographisch grundierte Tetralogie einer Kindheit in Salzburg. Im Hintergrund stehen die Erfahrungen, die einer gemacht hat, aber sobald er darangeht, diese aufzuzeichnen, kommt ihm die Absicht, Literatur zu schaffen, dazwischen. Die drei Romane folgen einem Konzept der stetigen Entwicklung einer Persönlichkeit, die hart an sich arbeitet, um etwas aus sich zu machen. Sie findet sich nicht ab mit der Misere, sondern peilt jeweils die nächsthöhere Stufe an. Aber kaum hat sich Holl gegen alle Widerstände vorwärts bewegt, kaum gewinnt er Einblick in das so ersehnte höher angesiedelte Milieu, sieht er auch schon wieder, wie verkommen, wie haltlos, wie desinteressiert die Menschen am Zustand der Welt sind. Die ersten beiden Bände enden jeweils zuversichtlich der Zukunft zugewandt, hat es doch einer aus eigener Kraft geschafft, sich die Voraussetzungen zu holen, um sich auf eine höhere Ebene zu hieven. Auf dem Bauernhof herrscht dumpfe Gewalt, als Arbeiter wird er, um im Jargon der siebziger Jahre zu bleiben, ausgebeutet.
Als Holl dann die Arbeitermittelschule schafft und Zugang zur "Welt des Redens" erhält, wird ihm diese rasch suspekt. Am Ende des dritten Bandes, nachdem Holl sieht, daß die Intellektuellen auch nur eine snobistisch angehauchte Bande sind, die sich für etwas Besseres halten, und sich kommunistische Parolen als wirklichkeitsresistent erweisen, empfindet er seine Zugehörigkeit zum Milieu seiner Herkunft. "Holl hatte aufgrund seiner Erfahrungen in der Welt des Redens alles umgewertet. Die Bauern und die arbeitende Bevölkerung standen jetzt weit über der Welt des Redens." Am Ende seines Aufbruchs ist Holl bei seiner Herkunft angelangt.
Die Trilogie ist als Zyklus angelegt. Das ist das eigentlich Desillusionierende an diesem Romanwerk, daß Innerhofer nach all seiner rebellischen, lautstarken Vernichtung in Kleinmütigkeit endet. Kann er im ersten Band noch schreiben, daß ihn "dieser ekelerregende Gestank des Blütenstaubs" störe, räumt er wütend auf mit dem schönen Schein der reinen Natur, weil er sie nur als ein Stück Erde sieht, die bearbeitet werden muß. Sein Protest verläuft am Ende des dritten Bandes in eine zähe, spröd und nachlässig geschriebene Auseinandersetzung mit politischer Theorie.
Im Januar letzten Jahres nahm sich Franz Innerhofer in Graz im Alter von 57 Jahren das Leben. Jetzt ist sein Hauptwerk in einer dreibändigen Kassette neu aufgelegt worden. Im Abstand von Jahrzehnten lesen sich diese Bücher erstaunlich frisch. Die Romane Innerhofers sind kalkulierte Literatur, die die Bewußtwerdung eines tumben Tors beschreiben. Sie sind angewandte Spracharbeit, die von Zeit zu Zeit etwas von der Lust verraten, die der Autor beim Verfertigen seiner Sätze gehabt haben muß. Dann schwelgt er in ausladenden Satzkonstruktionen und breitet genußvoll kühne Wörter aus, mit denen er um Aufmerksamkeit buhlt. Von einer "Ministrantendienstliste" ist einmal die Rede und von einem "Samstagnachmittagsbahnhofszechstubenerlebnis". Die knallharte Wirklichkeit ist das eine. Und dann kommen die Wörter und rühren in dieser Wirklichkeit noch einmal gehörig herum.
ANTON THUSWALDNER
Franz Innerhofer: "Die großen Wörter". "Schattseite". "Schöne Tage". Drei Romane. Residenz Verlag, Salzburg 2002. 238 S., 271 S., 174 S., geb. in Kassette, 39,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn der Mensch ausbleibt: Franz Innerhofers Holl-Zyklus
Es bedurfte eines Romans von 239 Seiten, bevor Franz Innerhofer "Ich" zu sagen wagte. "Schöne Tage", das Buch, mit dem ihm 1974 sofort der Durchbruch in die erste Reihe der jungen deutschsprachigen Literatur gelungen war, erzählt vom traurig-tragischen Schicksal des Knaben Holl, der als Kind auf den Hof seines natürlichen Vaters verfrachtet wird, wo er alsbald zu knochenharter Fronarbeit verdammt ist. Holl schuftet und flucht und keucht und schwitzt, die Bürde seines Knecht-Daseins ist ihm auferlegt, womöglich für den Rest seines ganzen Lebens. Holl, dem Franz Innerhofer den Vornamen verweigert, um zu zeigen, wie sehr er von sich selber abzusehen gezwungen und auf individuelle Ansprüche zu verzichten genötigt ist, wird schon als Kind die Plage der "Leibeigenschaft" zugemutet. Er wird gedemütigt und mit Arbeit überhäuft, jede Abweichung wird mit drastischen Strafen geahndet. Die ganze Gesellschaft weiß von diesem Übel, schlimmer, sie duldet es stillschweigend.
Wir befinden uns wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, die Ausbeutung der nahezu rechtlosen Landarbeiter, die Knechtung der Ärmsten, die keinen Besitz vorweisen können und deshalb auf Gedeih und Verderb dem Bauern ausgeliefert sind, gehört zur Geschichte Österreichs, die erst durch den wütenden Aufschrei Innerhofers in der Literatur zur erschreckenden Wahrheit geworden ist. Innerhofer ist es gelungen, österreichische Verhältnisse so drastisch und wild zu schildern, daß das Buch sofort in aller Munde war. Er habe nur festgehalten, was sich auf dem Land abgespielt hat, als die Technik auf den Bauernhöfen noch nicht Einzug gehalten hat, urteilten Menschen, die mit Befriedigung feststellten, daß es endlich einmal einer gewagt habe, ihr Schicksal für literaturwürdig zu halten. Er übertreibe maßlos, meinten die anderen, die sich auf die Seite der Besitzenden schlugen, er sei ein Finsterling, der sich ausschließlich auf die negativen Aspekte konzentriert habe und einseitig verfahre.
Die Einseitigkeit, ein Vorrecht der Literatur, hängt mit der Perspektive zusammen. Der Erzähler, der im Roman "Schöne Tage" auftritt, schlägt sich auf die Seite Holls. Er beobachtet, was Holl widerfährt, er nimmt wahr, was Holl wahrnimmt. Holl ist das Opfer, dem kein Freiraum bleibt und der, weil er sich nicht wehren kann, zum Bettnässer wird. Der Vater regiert als blindwütige Macht über Untertanen, die ihre Berechtigung nicht als Menschen, sondern als Arbeitskraft erfahren. Von grauenhaften Lebensformen ist nachzulesen bei Innerhofer, von Menschen, denen der Widerstandsgeist gebrochen wurde und die, um nicht vollends zu verkümmern, unvorstellbare Entbehrungen auf sich nahmen. Der alte Moritz ist einer von denen, der willig alle Mühen des Gebirges im tiefen Salzburger Land auf sich nimmt und dann, wenn alle schlafen, nach einem langen Tag voller Schwerarbeit, feinfühlig Uhren repariert.
In rascher Folge sind in den Jahren 1974, 1975 und 1977 drei Romane von Franz Innerhofer erschienen, die sich zu einer Trilogie der Menschenverachtung fügten. Dem bäuerlichen Auftakt "Schöne Tage" folgten der Lehrlingsroman "Schattseite" und der Fortbildungsroman "Die großen Wörter". Im mittleren Band verließ Innerhofer vorübergehend die Außenperspektive, um Holl selber erzählen zu lassen: "Hauptsächlich aber beschäftigte mich das Problem, wie befreie ich mich von meiner Familie, die sich mich angeeignet hat?"
Die Romane Innerhofers wurden behandelt, als wären sie eine Naturgewalt, die unverhofft in die deutsche Literatur eingebrochen war. Ihnen wurde ein Authentizitäts-Bonus verliehen, gerade so, als ob sie ein Abbild des prallen Lebens wären. Der Schriftsteller, der dahinterstand und für die Glaubwürdigkeit des Geschriebenen bürgte, sollte alles selber erlebt haben. Und schnell waren Leser und Kritiker bereit, Innerhofer seine Bücher als schmerzlich erfahrene Wirklichkeit abzukaufen. Damit konnte man auch recht gut das eigene Gewissen beruhigen. Dem Schriftsteller, dem es miserabel ergangen war, konnte man Liebe, Ehre, Anerkennung und den einen oder anderen Literaturpreis nachtragen. Allzuschnell dachte man, daß in diesen Büchern die Wirklichkeit der Randexistenzen beschrieben sei, und weil aus eigener Anschauung davon niemand wußte, nahm man die Bücher für die ganze Wahrheit.
Gewiß ist es Innerhofers Verdienst, Menschen, denen keine Biographie zugestanden wurde, weil sich das Leben auf das Ausführen von Befehlen beschränkte und Lebensläufe somit ununterscheidbar wurden, ein Gesicht verliehen zu haben. Wo keiner genau hinsah, entdeckte Innerhofer vernichtete Existenzen, die alle in einer eigenen Form des Unglücks gefangen waren. Dort, wo die Sprachlosigkeit daheim war, tastete sich der Autor kraft seines Vermögens hin, die Wörter abzurichten, auf daß sie etwas mitteilten über die Welt der ins Verstummen gezwungenen Wünsche und Leiden.
Doch die drei Romane sind so wenig authentische Zeugnisse verkorksten Lebens wie Thomas Bernhards autobiographisch grundierte Tetralogie einer Kindheit in Salzburg. Im Hintergrund stehen die Erfahrungen, die einer gemacht hat, aber sobald er darangeht, diese aufzuzeichnen, kommt ihm die Absicht, Literatur zu schaffen, dazwischen. Die drei Romane folgen einem Konzept der stetigen Entwicklung einer Persönlichkeit, die hart an sich arbeitet, um etwas aus sich zu machen. Sie findet sich nicht ab mit der Misere, sondern peilt jeweils die nächsthöhere Stufe an. Aber kaum hat sich Holl gegen alle Widerstände vorwärts bewegt, kaum gewinnt er Einblick in das so ersehnte höher angesiedelte Milieu, sieht er auch schon wieder, wie verkommen, wie haltlos, wie desinteressiert die Menschen am Zustand der Welt sind. Die ersten beiden Bände enden jeweils zuversichtlich der Zukunft zugewandt, hat es doch einer aus eigener Kraft geschafft, sich die Voraussetzungen zu holen, um sich auf eine höhere Ebene zu hieven. Auf dem Bauernhof herrscht dumpfe Gewalt, als Arbeiter wird er, um im Jargon der siebziger Jahre zu bleiben, ausgebeutet.
Als Holl dann die Arbeitermittelschule schafft und Zugang zur "Welt des Redens" erhält, wird ihm diese rasch suspekt. Am Ende des dritten Bandes, nachdem Holl sieht, daß die Intellektuellen auch nur eine snobistisch angehauchte Bande sind, die sich für etwas Besseres halten, und sich kommunistische Parolen als wirklichkeitsresistent erweisen, empfindet er seine Zugehörigkeit zum Milieu seiner Herkunft. "Holl hatte aufgrund seiner Erfahrungen in der Welt des Redens alles umgewertet. Die Bauern und die arbeitende Bevölkerung standen jetzt weit über der Welt des Redens." Am Ende seines Aufbruchs ist Holl bei seiner Herkunft angelangt.
Die Trilogie ist als Zyklus angelegt. Das ist das eigentlich Desillusionierende an diesem Romanwerk, daß Innerhofer nach all seiner rebellischen, lautstarken Vernichtung in Kleinmütigkeit endet. Kann er im ersten Band noch schreiben, daß ihn "dieser ekelerregende Gestank des Blütenstaubs" störe, räumt er wütend auf mit dem schönen Schein der reinen Natur, weil er sie nur als ein Stück Erde sieht, die bearbeitet werden muß. Sein Protest verläuft am Ende des dritten Bandes in eine zähe, spröd und nachlässig geschriebene Auseinandersetzung mit politischer Theorie.
Im Januar letzten Jahres nahm sich Franz Innerhofer in Graz im Alter von 57 Jahren das Leben. Jetzt ist sein Hauptwerk in einer dreibändigen Kassette neu aufgelegt worden. Im Abstand von Jahrzehnten lesen sich diese Bücher erstaunlich frisch. Die Romane Innerhofers sind kalkulierte Literatur, die die Bewußtwerdung eines tumben Tors beschreiben. Sie sind angewandte Spracharbeit, die von Zeit zu Zeit etwas von der Lust verraten, die der Autor beim Verfertigen seiner Sätze gehabt haben muß. Dann schwelgt er in ausladenden Satzkonstruktionen und breitet genußvoll kühne Wörter aus, mit denen er um Aufmerksamkeit buhlt. Von einer "Ministrantendienstliste" ist einmal die Rede und von einem "Samstagnachmittagsbahnhofszechstubenerlebnis". Die knallharte Wirklichkeit ist das eine. Und dann kommen die Wörter und rühren in dieser Wirklichkeit noch einmal gehörig herum.
ANTON THUSWALDNER
Franz Innerhofer: "Die großen Wörter". "Schattseite". "Schöne Tage". Drei Romane. Residenz Verlag, Salzburg 2002. 238 S., 271 S., 174 S., geb. in Kassette, 39,90 [Euro].
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"Sprachloses Leiden hat er zur Sprache gebracht. Er hat von sich gesprochen und von denen, die lebten wie er, die arbeiteten wie er, die litten wie er. Er hat die Worte wie das Brennholz aufgesammelt, um die sprachlose Wut, die ohnmächtige Empörung, das stumme Leiden zu benennen." (W. Martin Lüdke, Die Zeit)