Produktdetails
- Verlag: Beck, C H
- ISBN-13: 9783406433481
- ISBN-10: 3406433480
- Artikelnr.: 07302932
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.1998Manchmal ist ein Wort vonnöten
Oft ist's besser, daß man schweigt: Die Ästhetik der Araber
Die Islamwissenschaft ist angesichts unübersehbarer Forschungslücken und methodischer Rückständigkeit den heute an sie herangetragenen Erwartungen kaum gewachsen. Wo sie den Mut hat, an die Öffentlichkeit zu gehen, gibt sie sich immer auch eine Blöße. Die Monographie "Schönheit in der arabischen Kultur" der kunsthistorisch orientierten Islamwissenschaftlerin Doris Behrens-Abouseif entgeht diesem Dilemma trotz großer Verdienste nicht.
Die Ästhetik als Theorie des Schönen ist eine moderne Disziplin, die dem arabischen wie dem europäischen Mittelalter gleichermaßen fremd war. Dennoch ist mit einigem Erfolg versucht worden, die ästhetischen Vorstellungen des mittelalterlichen Abendlandes zu rekonstruieren. Ebendies versucht Behrens-Abouseif nun für die islamische Welt. Ihre Vorgehensweise könnte man phänomenologisch nennen. Sie zeichnet die arabischen Diskussionen über das Schöne nach und belegt sie mit Beispielen einzelner Manifestationen des Schönen in den verschiedenen Künsten. Nach Vorgabe der Quellen geht sie zunächst ausführlich auf die Rede von der Schönheit der Schöpfung ein.
Dadurch wächst das Buch über eine Darstellung ästhetischer Theorien im engeren Sinne hinaus und nähert sich einer Gesamtdarstellung der arabisch-islamischen Kultur am Leitfaden des Schönen. Dies dürfte das Werk auch für ein breiteres Publikum interessant machen. Dennoch ist der Blick auf Religion und Seinsverständnis für eine Rekonstruktion ästhetischer Auffassungen wenig ergiebig. Wenn "alles Schöne, Liebenswerte und Gute eine Manifestation der göttlichen Majestät" ist, wie die Autorin den berühmten, 1111 verstorbenen Theologen al-Ghazali zusammenfaßt, erübrigt sich jede Erörterung des Schönen. Was schön ist, weil es von Gott kommt, braucht kaum mehr auf seine Schönheit hin befragt werden.
Aufschlußreicher sind die Kapitel über die vom Menschen hervorgebrachte Schönheit, die im Unterschied zur klassischen abendländischen Konzeption gerade ohne Rückgriff auf moralische oder religiöse Kriterien auskommt. Hier tauchen Kategorien wie Proportion, Harmonie und Ebenmaß auf, aber auch überraschend moderne Ansichten wie die Literaturtheorie Jurjanis, für die die Schönheit auf der gelungenen Kombination entgegengesetzter Elemente gründet. Überhaupt findet sich die geschlossenste Konzeption des Ästhetischen in den Poetologien; gleichwohl fällt es schwer, die an der Literatur entwickelten Kriterien auf andere Kunstgattungen zu übertragen. Ein weiteres erstaunliches Phänomen ist, daß nicht einmal der Architektur theoretische Abhandlungen gewidmet wurden. Trotz ungeheurer künstlerischer Errungenschaften, die die Araber mit Stolz erfüllten, scheint keine allgemeine Ästhetik existiert zu haben oder nachträglich rekonstruiert werden zu können.
Mit dem methodisch unreflektierten Ansatz Behrens-Abouseifs würde sich eine solche Ästhetik allerdings auch kaum formulieren lassen. Ein bißchen Theorie und in jedem Fall deutlich mehr Gestaltungswille wären dafür schon vonnöten gewesen. Man ist der Autorin für diesen souveränen Überblick und das reiche Material, das sie zusammenträgt, dankbar; doch gemessen am selbstgesteckten Ziel der Studie, sind die Resultate bescheiden. STEFAN WEIDNER
Doris Behrens-Abouseif: "Schönheit in der arabischen Kultur". Verlag C. H. Beck, München 1998. 242 S., 20 Abb., geb., 68,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Oft ist's besser, daß man schweigt: Die Ästhetik der Araber
Die Islamwissenschaft ist angesichts unübersehbarer Forschungslücken und methodischer Rückständigkeit den heute an sie herangetragenen Erwartungen kaum gewachsen. Wo sie den Mut hat, an die Öffentlichkeit zu gehen, gibt sie sich immer auch eine Blöße. Die Monographie "Schönheit in der arabischen Kultur" der kunsthistorisch orientierten Islamwissenschaftlerin Doris Behrens-Abouseif entgeht diesem Dilemma trotz großer Verdienste nicht.
Die Ästhetik als Theorie des Schönen ist eine moderne Disziplin, die dem arabischen wie dem europäischen Mittelalter gleichermaßen fremd war. Dennoch ist mit einigem Erfolg versucht worden, die ästhetischen Vorstellungen des mittelalterlichen Abendlandes zu rekonstruieren. Ebendies versucht Behrens-Abouseif nun für die islamische Welt. Ihre Vorgehensweise könnte man phänomenologisch nennen. Sie zeichnet die arabischen Diskussionen über das Schöne nach und belegt sie mit Beispielen einzelner Manifestationen des Schönen in den verschiedenen Künsten. Nach Vorgabe der Quellen geht sie zunächst ausführlich auf die Rede von der Schönheit der Schöpfung ein.
Dadurch wächst das Buch über eine Darstellung ästhetischer Theorien im engeren Sinne hinaus und nähert sich einer Gesamtdarstellung der arabisch-islamischen Kultur am Leitfaden des Schönen. Dies dürfte das Werk auch für ein breiteres Publikum interessant machen. Dennoch ist der Blick auf Religion und Seinsverständnis für eine Rekonstruktion ästhetischer Auffassungen wenig ergiebig. Wenn "alles Schöne, Liebenswerte und Gute eine Manifestation der göttlichen Majestät" ist, wie die Autorin den berühmten, 1111 verstorbenen Theologen al-Ghazali zusammenfaßt, erübrigt sich jede Erörterung des Schönen. Was schön ist, weil es von Gott kommt, braucht kaum mehr auf seine Schönheit hin befragt werden.
Aufschlußreicher sind die Kapitel über die vom Menschen hervorgebrachte Schönheit, die im Unterschied zur klassischen abendländischen Konzeption gerade ohne Rückgriff auf moralische oder religiöse Kriterien auskommt. Hier tauchen Kategorien wie Proportion, Harmonie und Ebenmaß auf, aber auch überraschend moderne Ansichten wie die Literaturtheorie Jurjanis, für die die Schönheit auf der gelungenen Kombination entgegengesetzter Elemente gründet. Überhaupt findet sich die geschlossenste Konzeption des Ästhetischen in den Poetologien; gleichwohl fällt es schwer, die an der Literatur entwickelten Kriterien auf andere Kunstgattungen zu übertragen. Ein weiteres erstaunliches Phänomen ist, daß nicht einmal der Architektur theoretische Abhandlungen gewidmet wurden. Trotz ungeheurer künstlerischer Errungenschaften, die die Araber mit Stolz erfüllten, scheint keine allgemeine Ästhetik existiert zu haben oder nachträglich rekonstruiert werden zu können.
Mit dem methodisch unreflektierten Ansatz Behrens-Abouseifs würde sich eine solche Ästhetik allerdings auch kaum formulieren lassen. Ein bißchen Theorie und in jedem Fall deutlich mehr Gestaltungswille wären dafür schon vonnöten gewesen. Man ist der Autorin für diesen souveränen Überblick und das reiche Material, das sie zusammenträgt, dankbar; doch gemessen am selbstgesteckten Ziel der Studie, sind die Resultate bescheiden. STEFAN WEIDNER
Doris Behrens-Abouseif: "Schönheit in der arabischen Kultur". Verlag C. H. Beck, München 1998. 242 S., 20 Abb., geb., 68,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main