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Kaum ein Schriftsteller hat sich für sein Werk so eingesetzt wie Arthur Schopenhauer - und wahrscheinlich stand auch keiner seiner Verbreitung so sehr im Wege wie er. Wäre er nicht in Friedrich Arnold Brockhaus und seinen Nachfolgern Heinrich Brockhaus und schließlich, in dritter Generation, Eduard Brockhaus auf wohlwollende Partner gestoßen, die den immer neuen Zumutungen ihres Hausautors mit nahezu unerschütterlicher Langmut begegneten, wäre es um die Zukunft dieses Jahrhundertwerks schlecht bestellt gewesen. Indem Alfred Estermann die sich über mehr als vier Jahrzehnte erstreckenden…mehr

Produktbeschreibung
Kaum ein Schriftsteller hat sich für sein Werk so eingesetzt wie Arthur Schopenhauer - und wahrscheinlich stand auch keiner seiner Verbreitung so sehr im Wege wie er. Wäre er nicht in Friedrich Arnold Brockhaus und seinen Nachfolgern Heinrich Brockhaus und schließlich, in dritter Generation, Eduard Brockhaus auf wohlwollende Partner gestoßen, die den immer neuen Zumutungen ihres Hausautors mit nahezu unerschütterlicher Langmut begegneten, wäre es um die Zukunft dieses Jahrhundertwerks schlecht bestellt gewesen. Indem Alfred Estermann die sich über mehr als vier Jahrzehnte erstreckenden Bemühungen Schopenhauers um eine adäquate Publikation seines uvre nachzeichnet, fördert er mit den Originaldokumenten einen gleichermaßen amüsanten wie kulturhistorisch bedeutenden Schatz zutage: Auch wenn die Verhandlungen um die drei Fassungen der »Welt als Wille und Vorstellung« im Vordergrund stehen, geht es doch immer auch um die Organisation des Buchhandels im 19. Jahrhundert.
Autorenporträt
Estermann, AlfredAlfred Estermann, geboren 1938, gestorben am 23. März 2008, war Professor für Literatur- und Medienwissenschaft und über lange Jahre Leiter des Schopenhauer-Archivs der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main. Er lehrte am Institut für Buchwissenschaft der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.03.2005

Der Ruhm wird gebunden kommen und dann wachsen wie eine Feuersbrunst
"Die Welt als Wille und Vorstellung" als Makulatur: Schopenhauers langer Kampf mit seinen Verlegern und den Druckfehlern

In einem Leipziger Antiquariat des Jahres 1865 sorgte eine leise Stimme dafür, daß der Student der klassischen Philologie Friedrich Nietzsche ganz gegen seine Gewohnheit ein ihm völlig fremdes Buch erstand: "Ich weiß nicht, welcher Dämon mir zuflüsterte: ,Nimm dir dies Buch mit nach Hause.'" Ein Dämon mußte es rückblickend schon gewesen sein, der die Bekanntschaft mit Schopenhauer und mit seinem Hauptwerk "Die Welt als Wille und Vorstellung" vermittelt hatte. Schließlich ging es nicht um irgendeine bedeutende Etappe auf dem Bildungsweg, sondern um "Krankheit und Heilung, Verbannung und Zufluchtsort, Hölle und Himmel". Schopenhauer las man nicht einfach, sondern man fand sich zu ihm bekehrt, zu neuem Leben erweckt, einer Gemeinde von Jüngern zugehörig, die mehr als nur Leser waren, wie Nietzsche einige Jahre später über den "Erzieher" Schopenhauer schrieb, "nämlich seine Söhne und Zöglinge".

Auf Erweckungen lief es hinaus. Das entsprach einem Grundton von Schopenhauers "System", der auf Erlösung gestimmt ist, auf die Ablösung vom blinden Treiben des Willens und den Aufstieg zur reinen Schau. Das setzte auf einen Begriff von Weltweisheit und metaphysische Erhöhung, die in der Philosophie ausgespielt hatten, ob nun bei dem von Schopenhauer verehrten Kant oder bei dem von ihm verteufelten Hegel. Doch solche "Unzeitgemäßheit" war zum Zeitpunkt von Nietzsches Begeisterung, fünf Jahre nach Schopenhauers Tod, schon dabei, in eine nachhaltig wirksame Modernität umzuschlagen - abseits der akademischen Einhegungen und nicht zuletzt auf dem Terrain einer zur letzten metaphysischen Bastion promovierten Kunstanschauung. Der alte Schopenhauer hat diese Anfänge seines Ruhms kommentiert. Es war die Bestätigung jener Selbstversicherung des Durchbruchs, an die er sich über Jahrzehnte hatte halten müssen: "Meine Zeit wird und muß kommen, und je später, desto glänzender." Auch wenn das heißen mochte, vielleicht erst postum: Das Bewußtsein, als der echte Vollender Kants für die wahre Philosophie einzustehen, erhielt dadurch nur seinen letzten Schliff.

Die ausbleibende Wirkung seines Werks ließ Schopenhauer bis ins hohe Alter hinein kaum eine andere Möglichkeit, als sich zum verkannten großen Gegenspieler zu erklären, sei es der Universitätsphilosophie, sei es der "Gesunkenheit des Zeitalters" insgesamt. Über das Geschick seiner zu Lebzeiten veröffentlichten Bücher, sein Selbstbild und seinen Umgang mit der so lange aufgeschobenen Wirkung erfährt man das meiste in seinem Briefwechsel mit dem Verlag Brockhaus, wo "Die Welt als Wille und Vorstellung" 1818 (mit der Jahresangabe 1819) erschien. Diese Briefe haben eine lange Editionsgeschichte; zuletzt wurden sie von Ludger Lütkehaus in einer handlichen Ausgabe veröffentlicht. Alfred Estermann, langjähriger Leiter des Frankfurter Schopenhauer-Archivs, hat auf Grundlage einer um einige Funde arrondierten und durchgesehenen Sammlung der Briefe einen Parcours durch die von 1818 bis zum Tod Schopenhauers 1860 sich ziehende Korrespondenz vorgelegt. Er bewältigt ihn kenntnisreich und elegant, indem er Zitate aus den Briefen und aus den Briefkonzepten mit Erläuterungen zu einer Geschichte von "Schopenhauers Kampf um sein Werk" verknüpft.

Daß Schopenhauer bei diesem Kampf auf seinen Verleger angewiesen war, wußte er. Zu Geschmeidigkeit und Verständnis im Umgang mit diesen soliden Geschäftsleuten, drei Generationen von Brockhaus als Leitern des Unternehmens, hat ihn das nicht verführt. Es ging um das wahre philosophische System, das in "groß Oktavo mit höchstens 30 Zeilen auf der Seite", mit scharfen deutschen Lettern und fehlerfrei bis zu genau bestimmten Terminen zu drucken war. Das Buch sollte makellos einer Welt entgegentreten, die auf solches Ereignis nicht gefaßt sein konnte. Wehe, er glaubte Anlaß zu haben, daß dabei nicht alles nach seinen Vorstellungen geschah. Friedrich Arnold Brockhaus hätte ahnen müssen, was und wen er sich da einhandelte. Aber erst einige Briefe und unglaubliche Grobheiten Schopenhauers später weiß er, mit welchem "Kettenhund" von Autor er es zu tun hat. Brockhaus' letzte beide Briefe, mit denen er die Korrespondenz kurz vor Erscheinen des Buchs abbricht, können sich sehen lassen.

Schopenhauers ungeschickte Hochfahrendheit ist bei diesem Auftakt noch durch keine Enttäuschung gedämpft. Doch es tritt ein, was Brockhaus zuletzt, nicht ohne Ingrimm, als Möglichkeit hingestellt hatte, daß er an diesem Buch vor allem Makulatur gedruckt haben werde. Von den 750 Stück werden gegen 600 eingestampft, und noch 1843 sind neun Exemplare vorrätig; erst 1853 ist die erste Auflage vergriffen.

Vor diesem Hintergrund geht es 1843 in die nächste Runde der Auseinandersetzungen, um die zweite, zweibändige und stark erweiterte Ausgabe der "Welt als Wille und Vorstellung". Schopenhauer weiß um seine schwache Ausgangsposition, doch wehrt er sich verbissen gegen den Verlagsvorschlag, die neue Auflage zum Teil auf Kosten des Autors zu drucken. Ein Geschenk an das Publikum: ja, das will heißen ohne Honorar, "aber für mein Geschenk noch obendrein bezahlen, das will und werde ich nicht". Tatsächlich lenkt der Verlag ein; die zwei Bände erscheinen 1844.

Was Friedrich Brockhaus von der Selbstdarstellung seines Autors hielt, ist seinen Geschäftsbriefen nicht zu entnehmen. Er wird sich an die Verkaufszahlen gehalten haben - und die waren miserabel. Schopenhauer hatte dafür seine eigene Erklärung parat, nämlich das "planmäßig durchgeführte Sekretieren", also Verschweigen seiner Schriften durch die Universitätsphilosophen, die "wohl wußten, daß meine Philosophie dem Publiko den Geschmack an der Ihrigen benehmen muß". Das war etwas heikel, denn schließlich konnte es auf die mit Invektiven eingedeckten "Kathederhelden" - allen voran Hegel, Fichte und Schelling als die großen Verräter an Kant - doch kaum ankommen, um der wahren Philosophie zum Durchbruch zu verhelfen. Das Publikum auf der anderen Seite war für den scharf blickenden Zeitgenossen auch nicht gerade eine verbürgte Instanz. Weshalb die Option für die dereinst erst kommende Zeit der "freudigen Bewillkommnung" die überzeugendste Variante war.

Zu erwarten, daß die sich anbahnende Popularität Schopenhauer in Verlegenheit gebracht hätte, würde dem Philosophen etwas zu viel abverlangen. Aus den Briefen an Eduard Brockhaus, der 1858 um eine dritte Auflage des Hauptwerks bei ihm einkommt, spricht die späte Genugtuung. Im Scharmützel um das Honorar fallen Sätze, an denen der späte Nietzsche Maß hätte nehmen können: "Aber meine Werke haben eingeschlagen, und daß es kracht. Ganz Europa kennt sie . . . Und es wird noch viel besser kommen: noch sehr viele Jahre hindurch wird mein Ruhm wachsen, und zwar nach den Gesetzen einer Feuersbrunst." Brockhaus ging über solche Ausbrüche hinweg, zahlte das Honorar und druckte.

Was folgt, ist der Versuch, eine Gesamtausgabe seiner Schriften bei Brockhaus zustande zu bringen. Darüber verstirbt Schopenhauer. Das Postskriptum seines letzten Briefs an den Verlag muß als höchstes Lob gelten. Der penible und nie ganz zufriedenzustellende Korrekturleser, der Druckfehler nicht verschmerzte, notierte: "Ausgelesen: Keinen Fehler gefunden." Die Schlußvignette, die Alfred Estermann für seinen Parcours wählt, hat auch einiges für sich. Sie geht auf den Bericht eines Besuchers zurück, der Schopenhauer kurz vor seinem Tod bei der Lektüre in den "Curiosities of Literature" von Isaac D'Israelis angetroffen hatte. Aufgeschlagen gewesen sei das Kapitel "Secret history of authors who have ruined their booksellers". Mit Brockhaus war das nicht zu schaffen gewesen.

HELMUT MAYER

Alfred Estermann: "Schopenhauers Kampf um sein Werk". Der Philosoph und seine Verleger. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2005. 256 S., geb., 24,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.06.2005

Schmerzensschreie
Ohne Gespür für Größe: Schopenhauer und seine Verleger
Vierzig Jahre lang, in denen er seine Feinde triumphieren sah, musste Arthur Schopenhauer warten, bis er mit seinem Hauptwerk, das er bereits 1818 als junger Mann publiziert hatte, doch durchdrang. Vierzig Jahre. Als nächster und härtester Widersacher, als der Türhüter des verweigerten Ruhms musste ihm da die Figur des Verlegers erscheinen - dreier Verleger eigentlich, Brockhaus Vater, Sohn und Enkel, die ihren schwierigsten Autor, der klagte, polterte, drohte, den Geschäftspartner aus nichtigem oder von ihm missverstandenen Anlass sofort auf ehrverleumderische Weise anging, einander vererbten. „Ich muß mich mit diesem Menschen sehr zusammennehmen, weil er ein wahrer Kettenhund ist,” notierte der Großvater und brach den Kontakt über viele Jahre überhaupt ab. „Die Welt als Wille und Vorstellung” wurde fast vollständig „maculirt”, als Altpapier verwertet.
Alfred Estermann erzählt diese Geschichte in seinem Buch „Schopenhauers Kampf um sein Werk. Der Philosoph und seine Verleger”. Der Klappentext verkündet: „(Es) ist ein bei aller Gelehrsamkeit höchst vergnügliches Buch, bei dessen Lektüre einem der ausschließlich von sich überzeugte Misanthrop Schopenhauer in seinem donquichottesken Kampf um sein Werk schließlich ans Herz wächst, auch ohne dass man ,Die Welt als Wille und Vorstellung‘ zur Kenntnis genommen hat.”
Das ist in jeder Hinsicht eine Falschmeldung. Wer vom Philosophen nichts weiß, wer sich einen brummigen Plüschbären zum Ans-Herz-Wachsen verspricht, der wird von diesem Schopenhauer herb enttäuscht sein; wie der betrogene König Lear irrt er durch Sturm und Nacht über die öde Heide der buchhändlerischen Landschaft, in der er sich nicht auskennt. „Will ich, wenn Sie es für nöthig halten, allem Honorar entsagen”, schlägt er Brockhaus vor. Was, nicht einmal umsonst wolle dieser nachdrucken? „Bin ich danach ein Mann, dessen Sachen nicht die Druckkosten werth sind?” „Das Buch”, sucht er, nochmals, den Verleger zu beschwören, „ist wahrlich die Arbeit meines ganzen Lebens, und ein Leben ist eine kurze Zeit für so ein Buch.” Das ist nicht donquichottesk, und höchst vergnüglich schon gar nicht; es ist ein Trauerspiel. Man muss diesen Mann nicht lieben, wahrlich nicht, und er gehört zu den Geistesheroen, denen man am besten die Ware abnimmt und dann die Tür weist; aber wer kein Organ für die Größe seines Auftritts hat, der sollte ihn nicht darstellen wollen.
Estermann jedoch geruht dieses grandiose Pathos erlittenen Unrechts zu beschmunzeln; jedem Schopenhauerschen Schmerzensschrei lässt er eine augenzwinkernde Bemerkung über den „Autopropheten”, den „wenig bekannten Kultautor mit Miniaturgemeinde” folgen, der leider „die Alpha- und die Omega-Positionen in der Verleger-Autor-Beziehung” verwechselt. Die zahlreichen, den Text zerhäckselnden Zwischenüberschriften aus Schopenhauer-Zitaten tun ein Übriges. Wozu beschädigt er so seinen Gegenstand, von dem er doch lebt? Das Bedeutende des Buchs sind Schopenhauers Briefe; diese aber liegen, mit offenbar wenigen Ausnahmen, schon ediert vor. Man hätte sie noch einmal zusammenstellen können, mit einem Kommentar, in den auch die wichtigsten von Brockhaus’ Antwortschreiben eingeflossen wären, mitsamt den markanteren der oft ermüdenden Details aus dem Druck,- Verlags- und Vertriebsgeschäft. Als Monografie in der vorliegenden Form erfüllt Estermanns Buch keinen erkennbaren Zweck.
BURKHARD MÜLLER
ALFRED ESTERMANN: Schopenhauers Kampf um sein Werk. Der Philosoph und seine Verleger. Insel Verlag, Franfurt und Leipzig 2005. 260 S., 24,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als einfachen Autor kann man Arthur Schopenhauer gewiss nicht bezeichnen, und auch für seinen Verlag, Brockhaus, war er keiner. Nicht nur, dass "Die Welt als Wille und Vorstellung" ein echter Ladenhüter war - "Makulatur" nannte der Verleger sie insgeheim, von 750 Exemplaren wurden 600 eingestampft. Auch der Ton, den der Autor anschlug, war rau. "Unglaubliche Grobheiten" hat Rezensent Helmut Mayer in Alfred Estermanns "Schopenhauers Kampf um sein Werk" gefunden, das die Publikationsgeschichte von "Die Welt als Wille und Vorstellung" und die Leidensgeschichte seiner Publikatoren - hier der verkannte Philosoph, dort die malträtierten Verleger, drei Generationen Brockhaus - unter Hinzuziehung des Briefwechsels von 1818 bis 1860 darstellt. "Kenntnisreich und elegant" ist Estermanns Werk, urteilt der Rezensent. Spät erst erkannte Brockhaus, mit welchem "Kettenhund" sein Haus es zu tun hatte, und gab beherzt Kontra. Für Schopenhauers schlechte Laune gab es einen Grund. Nicht nur fühlte er sich von der Öffentlichkeit verkannt; er witterte auch Ranküne der Universitätsphilosophie, allen voran natürlich seines Erzfeindes Hegel. Um so makelloser musste die öffentliche Erscheinung seines Opus magnum sein. Druckfehler versetzten ihn in Rage. Als dann der Ruhm kam, flammte Schopenhauer noch einmal auf: "Aber meine Werke haben eingeschlagen, und daß es kracht", schrieb er, und: "Und es wird noch viel besser kommen: noch sehr viele Jahre hindurch wird mein Ruhm wachsen, und zwar nach den Gesetzen einer Feuersbrunst."

© Perlentaucher Medien GmbH
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