Die Memoiren des bekannten Publizisten Klaus Harpprecht - eine intellektuelle Geschichte der Bundesrepublik
In seiner Autobiographie erzählt der große Autor und Journalist Klaus Harpprecht erstmals von seiner eigenen Kindheit und Jugend im schwäbischen Pfarrhaus, vom Verlust beider Brüder im Weltkrieg und vom Chaos der 1940er Jahre. Aber auch von den Frauen schreibt er, vom Glück der Freundschaft und von den erfindungsreichen Improvisationen, die ihn schließlich zum maßgeblichen Publizisten nicht allein deutscher Zeitgeschichte werden ließen - ob als früher Korrespondent des ZDF in Washington, als Deutschlands erster Redenschreiber für den Kanzler Willy Brandt oder als Biograph von Thomas Mann.
Ein eindrucksvolles Lebenszeugnis und zugleich ein wichtiges Stück Zeitgeschichte.
In seiner Autobiographie erzählt der große Autor und Journalist Klaus Harpprecht erstmals von seiner eigenen Kindheit und Jugend im schwäbischen Pfarrhaus, vom Verlust beider Brüder im Weltkrieg und vom Chaos der 1940er Jahre. Aber auch von den Frauen schreibt er, vom Glück der Freundschaft und von den erfindungsreichen Improvisationen, die ihn schließlich zum maßgeblichen Publizisten nicht allein deutscher Zeitgeschichte werden ließen - ob als früher Korrespondent des ZDF in Washington, als Deutschlands erster Redenschreiber für den Kanzler Willy Brandt oder als Biograph von Thomas Mann.
Ein eindrucksvolles Lebenszeugnis und zugleich ein wichtiges Stück Zeitgeschichte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.2014Keine schöne Bescherung
Harpprecht über Schmidt
Von Altersmilde keine Spur! Journalismus-Veteran Klaus Harpprecht nutzt seine bissig-unterhaltsame "Lebenserzählung" - Memoiren sollen es ausdrücklich nicht sein - vor allem zur Abrechnung mit Gegnern von gestern und zum Dank an Freunde/Freundinnen, die ihn förderten, stützten und prägten. Von den dreißiger Jahren bis zum Ende der Kanzlerschaft von Willy Brandt 1974 erstreckt sich der Rückblick, mit einigen Schlenkern in die Zeit danach.
Für den 1927 geborenen Württemberger erwies sich die Tradition des evangelischen Pfarrhauses - über Generationen in der väterlichen und der mütterlichen Familie - als "Schutzmacht", die ihn "ohne unheilbare seelische und moralische Schäden über den Krieg und die Herrschaft des Verbrechens geleitet hat. Ich kann es anders sagen: Es war der große Glücksfall meines Lebens (und kein Verdienst), dass mein Vater kein Nazi war." Um 1944 einer "Rekrutierung durch die SS" zu entgehen, bewarb er sich als Reserveoffiziersanwärter beim Heer. Das Kriegsende erlebte der verwundete Soldat in einem Lazarett, wo man die "Besiegelung der Niederlage" dann "ohne Gemütsbewegung zur Kenntnis" genommen habe.
Er holte sein Abitur nach und fand eine Stelle als Volontär bei "Christ und Welt" - mit dem Segen Eugen Gerstenmaiers, der das Evangelische Hilfswerk in Stuttgart leitete: "Da mein Vater den Widerstands-Mann aus Kirchheim unter Teck noch vor Beginn seines Theologie- und Philosophie-Studiums gefördert hatte, wurde meine Bewerbung wohlwollend aufgenommen." 1949 unterstützte er den CDU-Politiker Gerstenmaier im Bundestagswahlkampf, war Korrespondent in Berlin und lernte Willy Brandt kennen: "gut aussehender Mann mit einem guten Kopf und einem freien Lächeln; er übte, das ließ er rasch erkennen, eine besondere Anziehung auf die Genossinnen und auch auf eher bürgerliche Damen aus". An jenem Abend habe man sich auf heitere Weise über Konrad Adenauers Westkurs gestritten. Kurz darauf traf Harpprecht den SPD-"Zuchtmeister" Herbert Wehner und lobte ihm gegenüber Adenauers West- und Europapolitik als den einzig gangbaren Weg, "der den Frieden sicherte und den Deutschen eine produktive Integration in den Kreis der freien Völker erlaubte". Daraufhin habe Wehner ihn angebrüllt; dessen "krankes Gemüt" habe stets "einen Sündenbock, einen Schuldigen" gebraucht: "So war er es vom Ritual stalinistischer Genossen-Gespräche her gewohnt."
Berührend schildert Harpprecht, wie er Ende der fünfziger Jahre Renate Lasker kennenlernte, die mit ihrer Schwester Anita Häftling in Auschwitz und Bergen-Belsen gewesen war: "Dieses schöne Geschöpf hatte die Hölle auf Erden überlebt. Und konnte lachen." 1946 waren die zwei Schwestern, deren Eltern in deutschen Lagern ermordet worden waren, nach London übergesiedelt, wo Renate beim Auslandsdienst der BBC arbeitete. 1959 kehrte sie für Harpprecht nach Deutschland zurück, ließ sich scheiden und heiratete ihn.
Harpprecht wurde 1962 erster ZDF-Korrespondent in Washington, 1966 Leiter des S. Fischer Verlags. Während der ersten großen Koalition beobachtete er Außenminister Brandts erste Schritte in Richtung einer neuen Ostpolitik "voller Enthusiasmus". Damals habe sich F.A.Z.-Gründungsherausgeber Erich Welter für ihn interessiert: "Er holte mich am Hotel ,Frankfurter Hof' ab, mit einem VW-Käfer, den seine Sekretärin steuerte. Mahnung zur Bescheidenheit, dachte ich, unübersehbar." Eine "Art Bewerber-Ritual" habe stattgefunden, das ihm so vorgekommen sei, als ob er "in einen Orden" eintreten müsse. Er wollte nicht. Zu Beginn der SPD/FDP-Regierung unter Brandt ging Harpprecht 1969 als dessen Berater, Redenschreiber und sogar Duzfreund ins Kanzleramt.
Brandts Vorgänger, der CDU-Kanzler Kurt Georg Kiesinger, soll ein "Intrigenkünstler" gewesen sein, Brandts Nachfolger Helmut Schmidt "der Kanzler mit den schlechtesten Manieren. Die Töchter seiner Hamburger Geliebten stellten es voller Bitterkeit fest. Ihre Mutter, eine sensible Frau, fiel in tiefe Depression, als er ihr beim Beginn der Kanzlerschaft kurzerhand adieu gesagt hatte (weil sich der Regierungschef keine Affären leisten könne, wie er mit Blick auf den Vorgänger oft betonte). Man könnte feststellen dass er nicht von überbordender Menschenliebe heimgesucht war." Nach der Bildung des zweiten Kabinetts Brandt hätten die "Launen und der Hochmut seines Superministers" dem Kanzler zugesetzt: Schmidts Verhalten "war von Eifersucht und Ressentiments diktiert", sogar über Brandts Tod (1992) hinaus. Beiläufig erwähnt Harpprecht einmal, dass er aus Schmidts Sicht ein "Brandt-Höfling" gewesen sei. Diese Etikettierung muss ihn so getroffen haben, dass er selbst im Spätwerk Schmidt in ungünstiges Licht rücken möchte. Ob das von guten Manieren zeugt, darf stark bezweifelt werden.
RAINER BLASIUS
Klaus Harpprecht: Schräges Licht. Erinnerungen ans Überleben und Leben. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014. 560 S., 26,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Harpprecht über Schmidt
Von Altersmilde keine Spur! Journalismus-Veteran Klaus Harpprecht nutzt seine bissig-unterhaltsame "Lebenserzählung" - Memoiren sollen es ausdrücklich nicht sein - vor allem zur Abrechnung mit Gegnern von gestern und zum Dank an Freunde/Freundinnen, die ihn förderten, stützten und prägten. Von den dreißiger Jahren bis zum Ende der Kanzlerschaft von Willy Brandt 1974 erstreckt sich der Rückblick, mit einigen Schlenkern in die Zeit danach.
Für den 1927 geborenen Württemberger erwies sich die Tradition des evangelischen Pfarrhauses - über Generationen in der väterlichen und der mütterlichen Familie - als "Schutzmacht", die ihn "ohne unheilbare seelische und moralische Schäden über den Krieg und die Herrschaft des Verbrechens geleitet hat. Ich kann es anders sagen: Es war der große Glücksfall meines Lebens (und kein Verdienst), dass mein Vater kein Nazi war." Um 1944 einer "Rekrutierung durch die SS" zu entgehen, bewarb er sich als Reserveoffiziersanwärter beim Heer. Das Kriegsende erlebte der verwundete Soldat in einem Lazarett, wo man die "Besiegelung der Niederlage" dann "ohne Gemütsbewegung zur Kenntnis" genommen habe.
Er holte sein Abitur nach und fand eine Stelle als Volontär bei "Christ und Welt" - mit dem Segen Eugen Gerstenmaiers, der das Evangelische Hilfswerk in Stuttgart leitete: "Da mein Vater den Widerstands-Mann aus Kirchheim unter Teck noch vor Beginn seines Theologie- und Philosophie-Studiums gefördert hatte, wurde meine Bewerbung wohlwollend aufgenommen." 1949 unterstützte er den CDU-Politiker Gerstenmaier im Bundestagswahlkampf, war Korrespondent in Berlin und lernte Willy Brandt kennen: "gut aussehender Mann mit einem guten Kopf und einem freien Lächeln; er übte, das ließ er rasch erkennen, eine besondere Anziehung auf die Genossinnen und auch auf eher bürgerliche Damen aus". An jenem Abend habe man sich auf heitere Weise über Konrad Adenauers Westkurs gestritten. Kurz darauf traf Harpprecht den SPD-"Zuchtmeister" Herbert Wehner und lobte ihm gegenüber Adenauers West- und Europapolitik als den einzig gangbaren Weg, "der den Frieden sicherte und den Deutschen eine produktive Integration in den Kreis der freien Völker erlaubte". Daraufhin habe Wehner ihn angebrüllt; dessen "krankes Gemüt" habe stets "einen Sündenbock, einen Schuldigen" gebraucht: "So war er es vom Ritual stalinistischer Genossen-Gespräche her gewohnt."
Berührend schildert Harpprecht, wie er Ende der fünfziger Jahre Renate Lasker kennenlernte, die mit ihrer Schwester Anita Häftling in Auschwitz und Bergen-Belsen gewesen war: "Dieses schöne Geschöpf hatte die Hölle auf Erden überlebt. Und konnte lachen." 1946 waren die zwei Schwestern, deren Eltern in deutschen Lagern ermordet worden waren, nach London übergesiedelt, wo Renate beim Auslandsdienst der BBC arbeitete. 1959 kehrte sie für Harpprecht nach Deutschland zurück, ließ sich scheiden und heiratete ihn.
Harpprecht wurde 1962 erster ZDF-Korrespondent in Washington, 1966 Leiter des S. Fischer Verlags. Während der ersten großen Koalition beobachtete er Außenminister Brandts erste Schritte in Richtung einer neuen Ostpolitik "voller Enthusiasmus". Damals habe sich F.A.Z.-Gründungsherausgeber Erich Welter für ihn interessiert: "Er holte mich am Hotel ,Frankfurter Hof' ab, mit einem VW-Käfer, den seine Sekretärin steuerte. Mahnung zur Bescheidenheit, dachte ich, unübersehbar." Eine "Art Bewerber-Ritual" habe stattgefunden, das ihm so vorgekommen sei, als ob er "in einen Orden" eintreten müsse. Er wollte nicht. Zu Beginn der SPD/FDP-Regierung unter Brandt ging Harpprecht 1969 als dessen Berater, Redenschreiber und sogar Duzfreund ins Kanzleramt.
Brandts Vorgänger, der CDU-Kanzler Kurt Georg Kiesinger, soll ein "Intrigenkünstler" gewesen sein, Brandts Nachfolger Helmut Schmidt "der Kanzler mit den schlechtesten Manieren. Die Töchter seiner Hamburger Geliebten stellten es voller Bitterkeit fest. Ihre Mutter, eine sensible Frau, fiel in tiefe Depression, als er ihr beim Beginn der Kanzlerschaft kurzerhand adieu gesagt hatte (weil sich der Regierungschef keine Affären leisten könne, wie er mit Blick auf den Vorgänger oft betonte). Man könnte feststellen dass er nicht von überbordender Menschenliebe heimgesucht war." Nach der Bildung des zweiten Kabinetts Brandt hätten die "Launen und der Hochmut seines Superministers" dem Kanzler zugesetzt: Schmidts Verhalten "war von Eifersucht und Ressentiments diktiert", sogar über Brandts Tod (1992) hinaus. Beiläufig erwähnt Harpprecht einmal, dass er aus Schmidts Sicht ein "Brandt-Höfling" gewesen sei. Diese Etikettierung muss ihn so getroffen haben, dass er selbst im Spätwerk Schmidt in ungünstiges Licht rücken möchte. Ob das von guten Manieren zeugt, darf stark bezweifelt werden.
RAINER BLASIUS
Klaus Harpprecht: Schräges Licht. Erinnerungen ans Überleben und Leben. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014. 560 S., 26,99 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Es ist schwierig, bei Klaus Harpprechts Autobiografie "Schräges Licht" im Lesen innezuhalten, findet Cord Aschenbrenner, die melodische, zeitlose Sprache und die Dichte des Erzählten ziehen ihn widerstandslos durchs Buch, so der Rezensent. Harpprecht erzählt darin von seiner Kindheit und Jugend als Sohn eines schwäbischen Pfarrers, vom Krieg und der Zeit danach, als man noch ohne Abitur und Studium Journalist werden konnte, von seiner Freundschaft zu Helmut Schmidt und immer wieder von seiner Ehe mit der Journalistin Renate Lasker-Harpprecht, fasst Aschenbrenner zusammen, der besonders angenehm findet, dass Harpprecht sich nicht mit angestrengt tiefsinnigen Selbstbetrachtungen aufhält - sein Leben biete auch so ausreichend Erzählstoff, verspricht der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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ein veritables Lesevergnügen [...] Eloquent und subtil zugleich, warmherzig und doch nicht ohne die Fähigkeit zur treffenden Sottise, vor allem aber von einer literarischen Plastizität Marko Martin Deutschlandradio Kultur - Buchkritik 20150114