Sich dem Leben und Werk von österreichischen Intellektuellen zu widmen, kommt angesichts hiesiger Verhältnisse einer doppelten Spurensuche gleich und hat geradezu etwas Exotisches an sich: Zum einen, weil gelehrte Leitfiguren – nach dem katastrophalen Brain drain aufgrund von Austrofaschismus und Nationalsozialismus – ungeheuer rar geworden sind, sodass es zuweilen den Anschein hat, sie wären angesichts des mangelnden öffentlich-kritischen Diskurses entweder völlig abhanden gekommen oder in halbprivate, selbstreferentielle Teilöffentlichkeiten abgedrängt und aufgrund dieses in Summe für freischwebend-kritische Geister nicht gerade förderlichen Habitats zu Lebzeiten eben oft nur in austriakischen Zerrformen („sinistre Lamentierer“, „Originale“ et cetera) anzutreffen. Zum anderen bedeutet die Auseinandersetzung mit herausragenden Intellektuellen dieses Landes immer auch ein Nachspüren nach den Umständen ihrer Marginalisierung, ein Ergründen ihres schleichenden Schattendaseins sowie ein kritisches Hinterfragen verschiedentlicher Ex-post-Vereinnahmungsversuche beziehungsweise heroischer Stilisierungen. Mit anderen Worten: eine vielschichtige Spurensuche nach den spezifischen Ambivalenzen des „Kampfes um die österreichische Identität“ (Friedrich Heer). All dies wären bereits ausreichende Gründe, sich in Form einer eigenen Schwerpunktausgabe einmal der Person des „links-konservativen“ Kulturhistorikers und Essayisten Friedrich Heer und dessen „obszön exotischen“ humanistischen Pathos (Wolfgang Müller-Funk) anzunehmen. Besonders interessant und spannend bei Heer scheint jedoch, dass dieser eine ausgeprägt exoterisch-öffentlichkeitswirksame Seite aufwies und darüber hinaus – wie der Hauptbeitrag dieser Ausgabe von Adolf Gaisbauer anhand bisher weitgehend unbekannter Dokumente konzise verdeutlicht – seine Entwicklung als vielgefragter Vortragender und Autor auch und insbesondere im Bereich populärwissenschaftlicher Bildungseinrichtungen vollzog, darunter in Erwachsenenbildungseinrichtungen. (...)