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Das vorliegende Buch widmet sich der Mechanisierung des Schreibens, wie sie mit der Schreibmaschine seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ins Schreiben Einzug hält und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts vermehrt thematisiert wird. Die Schreibmaschine führt zum ersten Mal eine erkennbare Trennung in der Verbindung zwischen dem Körper des Schreibenden und der Gestalt des Geschriebenen ein. In diesem Einschnitt, in dem der Körper des Schreibers, das Schreibwerkzeug und das Geschriebene getrennt und bisweilen als widerstrebende Elemente in Szene gesetzt werden, siedeln sich die Untersuchungen…mehr

Produktbeschreibung
Das vorliegende Buch widmet sich der Mechanisierung des Schreibens, wie sie mit der Schreibmaschine seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ins Schreiben Einzug hält und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts vermehrt thematisiert wird. Die Schreibmaschine führt zum ersten Mal eine erkennbare Trennung in der Verbindung zwischen dem Körper des Schreibenden und der Gestalt des Geschriebenen ein. In diesem Einschnitt, in dem der Körper des Schreibers, das Schreibwerkzeug und das Geschriebene getrennt und bisweilen als widerstrebende Elemente in Szene gesetzt werden, siedeln sich die Untersuchungen dieses Bandes an und stellen pointiert die Frage nach der Eigenproduktivität des Schreibwerkzeugs. So widmet sich die Aufmerksamkeit der Beiträge der Frage, wie sich dieses Beziehungsgefüge im Zeitalter der Mechanisierung des Schreibens darstellt und wie es thematisiert wird. Dabei tritt die zwiespältige Rezeption der Schreibmaschine hervor: Einmal wird sie wegen ihres schöpferischen Vermögens euphorisch begrüßt und als Produktionsgefährtin geliebt, einmal wird kritisch von ihr Distanz genommen, weil die Typen zu einer Nivellierung des Geschriebenen führten. Dabei zeigt sich nicht zuletzt, daß im Zeitalter der Medienkonkurrenz auch das Schreiben von Hand zum Problem geworden ist. Das Buch erscheint als zweiter Band der Reihe 'Zur Genealogie des Schreibens' und untersucht die Kulturtechnik des Schreibens als das mehr oder weniger instabile Beziehungsgefüge uneinheitlicher Beteiligungen, die mit dem Begriff der 'Schreibszene' auf die instrumentellen, körperlichen und konzeptuellen Aspekte des Schreibens befragt werden. In der chronologischen Anordnung dieser 'Schreibszenen' wird erkennbar, daß das Schreiben sich in medientechnischen Umbruchsphasen jeweils verschärft als dieses problematische Gefüge zur Diskussion stellt.
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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2007

Der Daumen muss sich nach neuen Aufgaben umsehen
Martin Stingelin hat in drei Bänden „Schreibszenen” gesammelt – von der Handschrift über die Schreibmaschine bis zum Computer
Es versteht sich von selbst, dass ein Schriftsteller Schriftsteller erst durch das Schreiben wird. Wurde dieser Umstand in der Literaturwissenschaft meist als nebensächlich erachtet, so häufen sich in letzter Zeit Arbeiten, die das Schreiben selbst in den Mittelpunkt rücken. Der Germanist Martin Stingelin hat gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Davide Giuriato und Sandro Zanetti drei Bände mit einem breiten Zugriff auf das Thema der „Schreibszenen” herausgegeben, die auf drei Tagungen in Basel zurückgehen.
Die Beschäftigung mit den unterschiedlichen Produktionsformen von Literatur lohnt auch im Blick auf mögliche zukünftige Veränderungen. Lagen zwischen der Erfindung des Buchdrucks und der Erfindung der Schreibmaschine noch mehrere Jahrhunderte, betragen die aktuellen Zyklen technischer Entwicklungen, die für das Schreiben und die Literatur bedeutsam sein könnten, nur noch wenige Jahre.
Im ersten Band zu den „Schreibszenen” im Zeitalter der Manuskripte zeigt sich die Bedeutung technischer Innovation bereits im Eröffnungsbeitrag. So profitiert Michael Stolzl bei seinem kenntnisreichen Einblick in die frühneuzeitliche Schreibstube von seiner Arbeit an einer digitalen Ausgabe von Wolfram von Eschenbachs „Parzival”. Indem Stolzl den mittelalterlichen „Schreibakt” als Teil eines vielgestaltigen „Arbeitsprozesses” vorstellt, werden traditionelle Vorstellungen von Text, Autor und Werk problematisiert. Diese Stoßrichtung bestimmt die Mehrzahl der Beiträge.
Hölderlin per SMS
Nur wer den Sprung vom gedruckten Text zur Handschrift wagt, vermag „Korrespondenzen zwischen Formulierungen” zu entdecken, wie jene, die Wolfram Groddeck in den späten Elegien Hölderlins fand: Wie ein Schatten legt sich in einer Handschrift des Gedichtes „Brod und Wein” das „Ebenbild” über das „Schattenbild” und stößt damit die Selbstreflexion der Schrift an.
Nicht bloß aus editionstheoretischer Sicht bewegen sich die Beiträge auf hohem Niveau. Hervorzuheben sind bei allen die durchgängig theorieoffenen und zugleich textnahen Lektüren. Die wichtigste Klammer zwischen den Beiträgen stellt der von Rüdiger Campe bereits 1991 programmatisch als Ensemble von Sprache, Instrumentalität und Geste umrissene Begriff der „Schreib-Szene” dar.
Im Übergang vom ersten zum zweiten Band verschiebt sich der Schwerpunkt hin zu genealogischen Fragestellungen. Im Sinne der „Aufschreibesysteme 1800/1900” Friedrich Kittlers wird das Schreiben vor allem als Kulturtechnik verstanden, die als solche durch die technologische Entwicklung bestimmt wird. Weist die Handschrift traditionell auf die Eigentümlichkeiten des Schreibers zurück, so die Typoskripte auf diejenigen der benutzen Schreibmaschine. Christoph Hoffmann schlägt daher vor, Brechts Typoskripte als „Routine der Textverarbeitung” zu analysieren und nicht nach Überresten einer fragwürdigen Autorschaft zu suchen. Stephan Kammer macht in seinem Beitrag demgegenüber deutlich, dass es nicht des Schreibmaschineschreibens bedarf, um auf die mit dem Schreiben verbundene Entfremdung und Abhängigkeit von einem häufig widerspenstigen Instrument zu kommen.
Im digitalen Zeitalter, dem der nun zuletzt erschienene dritte Band zugeordnet ist, bleibt die Widerspenstigkeit der Medien beim Schreiben ein zentrales Thema – trotz oder gerade wegen der beim Computer üblichen „benutzerfreundlichen Oberflächen”. Zugleich geht mit den vielen neuen technischen Möglichkeiten eine unvermeidbare Unübersichtlichkeit einher. Anders als beim Schreiben mit der Hand oder der Schreibmaschine sind beim digitalisierten oder elektronischen Schreiben die Schreibpraktiken zu divergent, als dass sie sich einer einfachen Definition fügen würden.
Wie breit der Raum für Vermutungen über die Zukunft der Schreibpraktiken ist, zeigt sich am Beispiel des SMS-Schreibens. Nach der kulturphysiologischen Diagnose von Roland Reuß bereiten wir uns durch die damit einhergehende Umfunktionierung des Daumens auf eine Zeit vor, in der das Begreifen keine Rolle mehr spielt. Ein anderer Beitrag dagegen rückt die SMS-Literaturwettbewerbe in den Blick, um mit ihnen nicht auf den Niedergang der Literatur, sondern auf die Kontinuität in der Tradition kurzer Lyrik hinzuweisen.
Wenn vor allem im zweiten Band mehrmals die Bedeutung der Textgestaltung im Druck hervorgehoben wird, ließe sich dahinter eine verdeckte „Druckszene” dieser Bände selbst vermuten. Denn komplementär zur Qualität bei der thematischen Rahmung und Ausarbeitung überzeugen die Bände durch die sorgfältige Gestaltung der Texte wie der zahlreichen Faksimiles und Abbildungen. MALTE KLEINWORT
MARTIN STINGELIN (Hrsg., in Zusammenarbeit mit Davide Giuriato und Sandro Zanetti): „Mir ekelt vor diesem tintenklecksenden Säkulum”. Schreibszenen im Zeitalter der Manuskripte. 2004. 269 Seiten, 34,90 Euro.
DAVIDE GIURIATO, MARTIN STINGELIN, SANDRO ZANETTI (Hrsg.): „Schreibkugel ist ein Ding gleich mir: von Eisen”. Schreibszenen im Zeitalter der Typoskripte. 2005. 311 Seiten, 38 Euro.
D. GIURIATO, M. STINGELIN, S. ZANETTI (Hrsg.): „System ohne General”. Schreibszenen im digitalen Zeitalter. 2006. 256 S., 32,90 Euro. Alle drei Bände im Wilhelm Fink Verlag, München.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gelungen findet Rezensent Malte Kleinwort diesen von Martin Stingelin, Davide Giuriato und Sandro Zanetti herausgegebenen Band über "Schreibszenen im Zeitalter der Typoskripte". Den Schwerpunkt sieht er hier, anders als beim ersten Band über "Schreibszenen Zeitalter der Manuskripte", bei genealogischen Fragestellungen. Schreiben erscheine hier vorwiegend als Kulturtechnik, die durch die technologische Entwicklung bestimmt wird. Weise die Handschrift traditionell auf die Eigentümlichkeiten des Schreibers zurück, erklärt Kleinwort, "so die Typoskripte auf diejenigen der benutzen Schreibmaschine". Neben Christoph Hoffmann Analyse von Brechts Typoskriptes hebt er besonders Stephan Kammers Beitrag über das Schreibmaschineschreiben hervor.

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