Im Roman wie im Essay: 'Margit Schreiner ist eine radikale Autorin, nicht in der Form, aber im Inhalt. Sie operiert mit Rasanz und schneidender Ehrlichkeit, sie bohrt in Wunden, bis es weh tut und fährt dem Leser immer wieder in die Magengrube', urteilte Daniela Strigl in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.»Schreibt Thomas Bernhard Frauenliteratur? Über Literatur, das Leben und andere Täuschungen« sammelt endlich und umfassend die Essays und die betrachtende Prosa von Margit Schreiner - eine hochwillkommene Ergänzung ihres literarischen Werks, das vollständig bei Schöffling & Co. vorliegt.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.02.2009Das alte Hohelied des Feminismus
Schreibt Thomas Bernhard Frauen- literatur? Margit Schreiner antwortet
Das schwarzweiße Umschlagfoto zeigt eine junge Frau, die sich in entspannter, diskret erotischer Sofa-Position ihrer Lektüre widmet. Ihre Lippen umspielt ein leichtes Lächeln, amüsiert und süffisant zugleich. Der Betrachter bezieht es prompt auf die in grellem Boulevard-Rot gesetzte Titelfrage „Schreibt Thomas Bernhard Frauenliteratur?” – und assoziiert die Antwort mit der Wohlfühl-Aura der abgebildeten Leserin.
Liest sie überhaupt? Was sie in der Hand hält, gleicht eher einer aufgeklappten Brieftasche, allenfalls einem Poesiealbum. Thomas Bernhard ist es gewiss nicht. Keineswegs handelt es sich bei der Dame um die österreichische Autorin Margit Schreiner, deren Essays und Vortragstexte über „Literatur, das Leben und andere Täuschungen” in diesem Band versammelt sind. Sie ist, wie das Klappen-Porträt verrät, eine weniger entspannte, zur Skepsis und zum Grübeln neigende Person. Aber der Umschlag hat bereits seine Wirkung getan: Wir werden in ihrer „betrachtenden Prosa” nun vor allem den ausgeruhten Spott und die gutgelaunte Ironie suchen, die wir in den Zügen der Titel-Lady zu lesen glauben.
Es fängt gut an, mit dem Satz, den Schreiners Landsmann Wolf Haas an den Anfang seiner Krimis zu stellen pflegte, als er noch welche schrieb: „Jetzt ist schon wieder was passiert.” Der erste Text, hinterlistig überschrieben mit „Ich bin Autor”, lässt denn auch kaum Wünsche offen: Gelenkig von Hölzchen zu Stöckchen hüpfend, demontiert er allerlei Illusionen über das Schreibhandwerk, die Literatur und den Betrieb – oder bekräftigt, was eingefleischte Schwarzseher längst ahnten. Niemandem dürfte entgangen sein, dass „allenthalben die Primärliteratur ab- und das Gerede über Literatur zunimmt” (wobei unter „Primärliteratur” hier etwas anderes verstanden wird als die stetig anschwellende Schreibproduktion, die im selben Aufsatz ihr Fett abkriegt).
Aber den Grund dafür, nämlich „dass Reden meist billiger kommt als Schreiben”, muss erst mal jemand beim Namen nennen. Das tut Margit Schreiner, und schon ist sie bei der deutschen Bahncard 50, ohne die manche Kulturinstitution die Anreise zu Lesungen nicht mehr gewährleistet. Abgerechnet wird sodann mit der Forderung nach „Wahrheit” in der Literatur, mit der Wirklichkeitsentschärfung durch Sprache und mit dem sogenannten logischen Denken, aber auch mit dem deutschen Kollegen Andreas Maier, weil der Thomas Bernhard sträflich unterschätzt.
Die Rivalität Österreich – DDR
Es leuchtet ein, dass die Verfasserin schon als Kind mit Dingen aneckte, die „man” nicht sagte. An der Schriftstellerei schätzt sie unter anderem das Privileg, sich äußern zu können, ohne unterbrochen zu werden. Nicht zu übersehen ist, dass sie dieses Vorrecht unbefangener, witziger und provokanter zu nutzen weiß als manch einer ihrer Zeit- und Berufsgenossen. So etwas lesen wir gern: „Einerseits musst du als österreichischer Autor nach Deutschland, andererseits wollen die Deutschen keine Österreicher mehr, seit sie selbst die Ex-DDRler haben. Die sind verzweifelt genug, um etwas Humor in die deutsche Literatur zu bringen, was früher die Aufgabe des Österreichers war.”
Leider hat Margit Schreiner ein Problem. Das heißt, sie hat deren viele, und vorsichtshalber behauptet sie, ein Schriftsteller könne gar nicht genug davon haben. Dieses eine aber beschäftigt sie so sehr, dass sie es immer wieder neu formulieren muss: „Eines meiner großen Probleme ist, dass ich eine Frau bin”, heißt es im Nachwort. Und spätestens hier hat der Humor ausgespielt, denn es geht tatsächlich um die alten feministischen Belange: „In der Gesellschaft ist die Frau nach wie vor dem Mann unterlegen”, woraus folgt: „Frauen sind ständig unzufrieden, weil frustriert.” Diese missliche Lage begreift Schreiner als ihr schriftstellerisches Kapital, und eine Menge davon hat sie in ihren letzten Roman „Haus, Friedens, Bruch” investiert, das autobiographisch unterfütterte Lamento einer alleinerziehenden Autorin mit Schreibhemmung und anderen rollentypischen Malaisen.
Was aber als Erzählung literarische Qualitäten entwickeln mag, scheint in der Essayistik den Esprit zu trüben. Aus Themen wie „Frauen verstehen keinen Spaß” oder „Schreibt Thomas Bernhard Frauenliteratur?” lassen sich kaum Funken schlagen, wenn die persönliche Frustration jede Denkfigur mit kleinen Bleigewichten behängt. Auch der Deutung des Hohelieds ist diese Perspektive nicht unbedingt zuträglich. Produktiv wird die feministische Prägung höchstens in Stücken über die österreichischen Schriftstellerinnen Gina Kaus und Mela Hartwig, deren Leben und Schreiben im frühen 20. Jahrhundert vermutlich niemand engagierter erforscht hat als Margit Schreiner. Ansonsten halten wir uns an die Kindheitserinnerungen aus der Linzer Provinz, an japanische Impressionen oder den „hässlichsten Ort Österreichs”: Anschaulich komisch und geistreich frech sind diese Texte überall dort, wo die Autorin ihr Frausein aus dem Blick verliert – nach dem alten Wiener Motto: „Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.”
KRISTINA MAIDT-ZINKE
MARGIT SCHREINER: Schreibt Thomas Bernhard Frauenliteratur? Über Literatur, das Leben und andere Täuschungen. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2008. 320 Seiten, 18,90 Euro.
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Schreibt Thomas Bernhard Frauen- literatur? Margit Schreiner antwortet
Das schwarzweiße Umschlagfoto zeigt eine junge Frau, die sich in entspannter, diskret erotischer Sofa-Position ihrer Lektüre widmet. Ihre Lippen umspielt ein leichtes Lächeln, amüsiert und süffisant zugleich. Der Betrachter bezieht es prompt auf die in grellem Boulevard-Rot gesetzte Titelfrage „Schreibt Thomas Bernhard Frauenliteratur?” – und assoziiert die Antwort mit der Wohlfühl-Aura der abgebildeten Leserin.
Liest sie überhaupt? Was sie in der Hand hält, gleicht eher einer aufgeklappten Brieftasche, allenfalls einem Poesiealbum. Thomas Bernhard ist es gewiss nicht. Keineswegs handelt es sich bei der Dame um die österreichische Autorin Margit Schreiner, deren Essays und Vortragstexte über „Literatur, das Leben und andere Täuschungen” in diesem Band versammelt sind. Sie ist, wie das Klappen-Porträt verrät, eine weniger entspannte, zur Skepsis und zum Grübeln neigende Person. Aber der Umschlag hat bereits seine Wirkung getan: Wir werden in ihrer „betrachtenden Prosa” nun vor allem den ausgeruhten Spott und die gutgelaunte Ironie suchen, die wir in den Zügen der Titel-Lady zu lesen glauben.
Es fängt gut an, mit dem Satz, den Schreiners Landsmann Wolf Haas an den Anfang seiner Krimis zu stellen pflegte, als er noch welche schrieb: „Jetzt ist schon wieder was passiert.” Der erste Text, hinterlistig überschrieben mit „Ich bin Autor”, lässt denn auch kaum Wünsche offen: Gelenkig von Hölzchen zu Stöckchen hüpfend, demontiert er allerlei Illusionen über das Schreibhandwerk, die Literatur und den Betrieb – oder bekräftigt, was eingefleischte Schwarzseher längst ahnten. Niemandem dürfte entgangen sein, dass „allenthalben die Primärliteratur ab- und das Gerede über Literatur zunimmt” (wobei unter „Primärliteratur” hier etwas anderes verstanden wird als die stetig anschwellende Schreibproduktion, die im selben Aufsatz ihr Fett abkriegt).
Aber den Grund dafür, nämlich „dass Reden meist billiger kommt als Schreiben”, muss erst mal jemand beim Namen nennen. Das tut Margit Schreiner, und schon ist sie bei der deutschen Bahncard 50, ohne die manche Kulturinstitution die Anreise zu Lesungen nicht mehr gewährleistet. Abgerechnet wird sodann mit der Forderung nach „Wahrheit” in der Literatur, mit der Wirklichkeitsentschärfung durch Sprache und mit dem sogenannten logischen Denken, aber auch mit dem deutschen Kollegen Andreas Maier, weil der Thomas Bernhard sträflich unterschätzt.
Die Rivalität Österreich – DDR
Es leuchtet ein, dass die Verfasserin schon als Kind mit Dingen aneckte, die „man” nicht sagte. An der Schriftstellerei schätzt sie unter anderem das Privileg, sich äußern zu können, ohne unterbrochen zu werden. Nicht zu übersehen ist, dass sie dieses Vorrecht unbefangener, witziger und provokanter zu nutzen weiß als manch einer ihrer Zeit- und Berufsgenossen. So etwas lesen wir gern: „Einerseits musst du als österreichischer Autor nach Deutschland, andererseits wollen die Deutschen keine Österreicher mehr, seit sie selbst die Ex-DDRler haben. Die sind verzweifelt genug, um etwas Humor in die deutsche Literatur zu bringen, was früher die Aufgabe des Österreichers war.”
Leider hat Margit Schreiner ein Problem. Das heißt, sie hat deren viele, und vorsichtshalber behauptet sie, ein Schriftsteller könne gar nicht genug davon haben. Dieses eine aber beschäftigt sie so sehr, dass sie es immer wieder neu formulieren muss: „Eines meiner großen Probleme ist, dass ich eine Frau bin”, heißt es im Nachwort. Und spätestens hier hat der Humor ausgespielt, denn es geht tatsächlich um die alten feministischen Belange: „In der Gesellschaft ist die Frau nach wie vor dem Mann unterlegen”, woraus folgt: „Frauen sind ständig unzufrieden, weil frustriert.” Diese missliche Lage begreift Schreiner als ihr schriftstellerisches Kapital, und eine Menge davon hat sie in ihren letzten Roman „Haus, Friedens, Bruch” investiert, das autobiographisch unterfütterte Lamento einer alleinerziehenden Autorin mit Schreibhemmung und anderen rollentypischen Malaisen.
Was aber als Erzählung literarische Qualitäten entwickeln mag, scheint in der Essayistik den Esprit zu trüben. Aus Themen wie „Frauen verstehen keinen Spaß” oder „Schreibt Thomas Bernhard Frauenliteratur?” lassen sich kaum Funken schlagen, wenn die persönliche Frustration jede Denkfigur mit kleinen Bleigewichten behängt. Auch der Deutung des Hohelieds ist diese Perspektive nicht unbedingt zuträglich. Produktiv wird die feministische Prägung höchstens in Stücken über die österreichischen Schriftstellerinnen Gina Kaus und Mela Hartwig, deren Leben und Schreiben im frühen 20. Jahrhundert vermutlich niemand engagierter erforscht hat als Margit Schreiner. Ansonsten halten wir uns an die Kindheitserinnerungen aus der Linzer Provinz, an japanische Impressionen oder den „hässlichsten Ort Österreichs”: Anschaulich komisch und geistreich frech sind diese Texte überall dort, wo die Autorin ihr Frausein aus dem Blick verliert – nach dem alten Wiener Motto: „Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.”
KRISTINA MAIDT-ZINKE
MARGIT SCHREINER: Schreibt Thomas Bernhard Frauenliteratur? Über Literatur, das Leben und andere Täuschungen. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2008. 320 Seiten, 18,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Karl-Markus Gauß blättert begeistert in den gesammelten Essays, Aufsätzen und Porträts von Margit Schreiner, in denen nicht nur aus verschiedenen Perspektiven das Geschlechterverhältnis beleuchtet wird, sondern schonungslos offen auch über die Unnannehmlichkeiten mit den Wechseljahren und einer pubertierenden Tochter berichtet wird. Selbstironisch und überaus scharfsinnig mische Schreiner in diesem Band Persönliches mit Literaturwissenschaftlichem, mache sich zudem erhellende Gedanken über das Weibliche in den Texten Thomas Bernhards oder das Männliche bei Ingeborg Bachmann, rühmt Gauß. Und dass bei aller Klage über misslingende Liebe, Geschlechterkampf und andere Schwierigkeiten diese Texte keine "kulturpessimistische Litanei", sondern ein "trotzig freches Hohelied des Scheiterns" sind, rechnet der Rezensent Schreiner besonders hoch an.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ausgestattet mit einem scharfen Verstand und einer prächtig entwickelten Selbstironie, geht es Schreiner zugleich radikal und doch geradezu humorvoll (...) an.« Karl-Markus Gauss, Neue Zürcher Zeitung »Über manche Menschen heißt es, man könne ihnen stundenlang zuhören. Margit Schreiner ist eine Autorin, von der man stundenlang lesen kann, was sie geschrieben hat.« Christian Mähr, ORF »Wer sich gern auf hohem Niveau unterhält, sollte sich dieses Buch nicht entgehen lassen.« Christian Schacherreiter, OÖNachrichten »Wie es ihr mit Bernhard geht, so geht es mir mit Schreiner: Das schonungslose Benennen der Zumutung, die da Leben heißt, das erquickt mich.« Marit Hofmann, konkret »Ja, man sollte diese Sammlung von Essays über Literatur, das Leben und andere Täuschungen kaufen.« Caro Wiesauer, Kurier