Teil 1: FALSCHE PROPHETEN. STUDIEN ZUR FASCHISTISCHEN AGITATION
Vorwort
Kapitel I Agitationsthemen
Kapitel II Gesellschaftliche Malaise
Kapitel III Eine feindliche Welt
Kapitel IV Der unbarmherzige Feind
Kapitel V Der hilflose Feind
Kapitel VI »Der Feind heißt Jude«
Kapitel VII Ein Heim für die Heimatlosen
Kapitel VIII Der Anhänger
Kapitel IX Das Selbstporträt des Agitators
Kapitel X Was der Zuhörer verstanden hat
Teil 2: INDIVIDUUM UND TERROR
Teil 3: VORURTEILSBILDER. ANTISEMITISMUS UNTER AMERIKANISCHEN ARBEITERN
Kapitel I Einleitende Bemerkungen
Kapitel II Juden und Geld
Kapitel III Die Juden und der Intellekt
Kapitel IV Der »Outsider«
Kapitel V Die Gefahr
Teil 4: AUTORITÄT IN DER BÜRGERLICHEN GESELLSCHAFT. EIN ENTWURF
Kapitel I Autorität und Kultur
Kapitel II Autorität als gesellschaftliches Verhältnis
Kapitel III Autorität im geschichtlichen Wandel
Kapitel IV Autorität und Familie
Exkurs I Zugtier und Sklaverei
Exkurs II Die erste Szene in Shakespeares »Sturm«
Editorische Nachbemerkung
Vorwort
Kapitel I Agitationsthemen
Kapitel II Gesellschaftliche Malaise
Kapitel III Eine feindliche Welt
Kapitel IV Der unbarmherzige Feind
Kapitel V Der hilflose Feind
Kapitel VI »Der Feind heißt Jude«
Kapitel VII Ein Heim für die Heimatlosen
Kapitel VIII Der Anhänger
Kapitel IX Das Selbstporträt des Agitators
Kapitel X Was der Zuhörer verstanden hat
Teil 2: INDIVIDUUM UND TERROR
Teil 3: VORURTEILSBILDER. ANTISEMITISMUS UNTER AMERIKANISCHEN ARBEITERN
Kapitel I Einleitende Bemerkungen
Kapitel II Juden und Geld
Kapitel III Die Juden und der Intellekt
Kapitel IV Der »Outsider«
Kapitel V Die Gefahr
Teil 4: AUTORITÄT IN DER BÜRGERLICHEN GESELLSCHAFT. EIN ENTWURF
Kapitel I Autorität und Kultur
Kapitel II Autorität als gesellschaftliches Verhältnis
Kapitel III Autorität im geschichtlichen Wandel
Kapitel IV Autorität und Familie
Exkurs I Zugtier und Sklaverei
Exkurs II Die erste Szene in Shakespeares »Sturm«
Editorische Nachbemerkung
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.04.2021Aggressive Intoleranz
Wieder aufgelegt: Leo Löwenthals Studie über faschistische Agitatoren
Vor zwei Jahren waren es Theodor W. Adornos "Aspekte des neuen Rechtsradikalismus", jetzt Leo Löwenthals "Falsche Propheten": Klassiker der "Frankfurter Schule" empfehlen sich als Botschaften zur Stunde. Leo Löwenthal gehörte zum Kern des in die Vereinigten Staaten emigrierten Instituts für Sozialforschung, das sich seit den dreißiger Jahren systematisch mit den faschistischen und kommunistischen Herrschaftsformen der Epoche beschäftigte. Ein besonderes Phänomen war dabei in Nordamerika selbst zu beobachten, die faschistische und, wie man heute sagen würde, populistische Agitation gegen die Demokratie in der Mitte eines demokratischen Staats. Gerade erst war die deutsche Republik daran zerbrochen. Die Fragen lagen auf der Hand: Wie funktioniert solche Propaganda? Weshalb spielen Rassismus und Antisemitismus in ihr eine herausragende Rolle? Was sind die gesellschaftlichen Faktoren, die sie überhaupt fruchtbar machen?
Löwenthals 1949 erschienene Darstellung ist bestechend, weil sie nicht einfach nur warnt vor dem Phänomen der Demagogie, sondern die Themen, Reizworte und Argumentationsweisen der Agitation detaillierten Analysen unterzieht; sie betreibt Feldforschung durch Lektüre von Reden, Pamphleten, Flugblättern. Zwar ist sie dadurch stark an ihre Zeit gebunden und an die konkreten Zustände in der amerikanischen Gesellschaft, aber zugleich wird sichtbar, dass die Widerlegung von Demagogie sich einlassen muss auf die Bedingungen hier und jetzt. Der Gewinn, den man heute aus den "Falschen Propheten" ziehen kann, hängt vor allem an der überzeugenden Methode, mit Sprachanalyse den Mechanismus und die Grundstrukturen totalitärer Ideologien durchsichtig zu machen. Die produktive Anwendung auf Verhältnisse des 21. Jahrhunderts liegt deshalb beim Leser.
Bringt man diese Übertragungsleistung nicht auf, bleibt die Aktualisierung solcher Texte schnell stecken bei dem Muster "Der Schoß ist fruchtbar noch". Das Nachwort von Carolin Emcke, routiniert warnend, tappt direkt in die Falle, die es selbst benennt. Natürlich lesen sich ganze Passagen bei Löwenthal wie die Beschreibung von Trump, Le Pen und ihren Kollegen. Doch man instrumentalisiert und entschärft Löwenthal, identifiziert man in seinen falschen Propheten heute ausschließlich die üblichen und üblen Verdächtigen, "ob es sich um Pegida, die AfD oder um die Verschwörungsdogmatiker auf den sogenannten Hygiene-Demos handelt". Wer Antisemitismus allein bei Neonazis sucht, ignoriert willentlich eine gesellschaftliche Wirklichkeit, die leider ganz anders aussieht. Mit einem variierten Satz von Löwenthals Freund und Kollegen Max Horkheimer: Wer vom BDS nicht sprechen will, soll vom Antisemitismus schweigen.
Die heutige Gemengelage gleicht also sicher nicht der von Löwenthal, doch gerade um das zu analysieren, sind seine Instrumente hilfreich. Die "aggressive Intoleranz", die er benennt, charakterisiert heute eben nicht einfach nur reanimierten Rechtsradikalismus alter Prägung, sie gilt inzwischen für all die Spielarten identitärer Gruppenideologie mit ihrer dogmatischen Überzeugung, "daß alle sozialen Probleme auf dem Konflikt zwischen der Eigengruppe und den Fremdgruppen beruhen". Ob es halbfaschistische Querdenkereien sind oder die als "antirassistisch" etikettierte Wiedereinführung von Abstammungsfragen zur Gesellschaftssortierung: Es handelt sich um die Verwandlung rationaler Argumentation in eine Art "psychologische Geheimsprache", die nicht mehr einen Andersdenkenden überzeugen will, sondern nur noch die geschlossene Gruppenidentität ritualisiert. Und genau hier ist das demokratische Prinzip miteinander konkurrierender Überzeugungen in Frage gestellt.
Hier liegt Löwenthals entscheidende Konsequenz: "Das weitverbreitete Malaise-Empfinden der letzten Jahrzehnte reflektiert sich in zunehmendem Zweifel an den universalen Werten, die bislang die westliche Gesellschaft zusammengehalten haben." Gerade in Zeiten von Kulturrelativismen, nationalistischer und postkolonialer Kritik an diesen universalen Werten zeigt Löwenthal unmissverständlich, dass es eine demokratisch legitimierte Alternative zu diesem wie auch immer anfälligen und kritisierbaren Gesellschaftsmodell bis zur Stunde nicht gibt. Sein Buch ist eine überzeugende Verteidigung der Demokratie und ihrer Institutionen.
WOLFGANG MATZ.
Leo Löwenthal: "Falsche Propheten". Studien zur faschistischen Agitation.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021. 253 S., br., 15,- [Euro]
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wieder aufgelegt: Leo Löwenthals Studie über faschistische Agitatoren
Vor zwei Jahren waren es Theodor W. Adornos "Aspekte des neuen Rechtsradikalismus", jetzt Leo Löwenthals "Falsche Propheten": Klassiker der "Frankfurter Schule" empfehlen sich als Botschaften zur Stunde. Leo Löwenthal gehörte zum Kern des in die Vereinigten Staaten emigrierten Instituts für Sozialforschung, das sich seit den dreißiger Jahren systematisch mit den faschistischen und kommunistischen Herrschaftsformen der Epoche beschäftigte. Ein besonderes Phänomen war dabei in Nordamerika selbst zu beobachten, die faschistische und, wie man heute sagen würde, populistische Agitation gegen die Demokratie in der Mitte eines demokratischen Staats. Gerade erst war die deutsche Republik daran zerbrochen. Die Fragen lagen auf der Hand: Wie funktioniert solche Propaganda? Weshalb spielen Rassismus und Antisemitismus in ihr eine herausragende Rolle? Was sind die gesellschaftlichen Faktoren, die sie überhaupt fruchtbar machen?
Löwenthals 1949 erschienene Darstellung ist bestechend, weil sie nicht einfach nur warnt vor dem Phänomen der Demagogie, sondern die Themen, Reizworte und Argumentationsweisen der Agitation detaillierten Analysen unterzieht; sie betreibt Feldforschung durch Lektüre von Reden, Pamphleten, Flugblättern. Zwar ist sie dadurch stark an ihre Zeit gebunden und an die konkreten Zustände in der amerikanischen Gesellschaft, aber zugleich wird sichtbar, dass die Widerlegung von Demagogie sich einlassen muss auf die Bedingungen hier und jetzt. Der Gewinn, den man heute aus den "Falschen Propheten" ziehen kann, hängt vor allem an der überzeugenden Methode, mit Sprachanalyse den Mechanismus und die Grundstrukturen totalitärer Ideologien durchsichtig zu machen. Die produktive Anwendung auf Verhältnisse des 21. Jahrhunderts liegt deshalb beim Leser.
Bringt man diese Übertragungsleistung nicht auf, bleibt die Aktualisierung solcher Texte schnell stecken bei dem Muster "Der Schoß ist fruchtbar noch". Das Nachwort von Carolin Emcke, routiniert warnend, tappt direkt in die Falle, die es selbst benennt. Natürlich lesen sich ganze Passagen bei Löwenthal wie die Beschreibung von Trump, Le Pen und ihren Kollegen. Doch man instrumentalisiert und entschärft Löwenthal, identifiziert man in seinen falschen Propheten heute ausschließlich die üblichen und üblen Verdächtigen, "ob es sich um Pegida, die AfD oder um die Verschwörungsdogmatiker auf den sogenannten Hygiene-Demos handelt". Wer Antisemitismus allein bei Neonazis sucht, ignoriert willentlich eine gesellschaftliche Wirklichkeit, die leider ganz anders aussieht. Mit einem variierten Satz von Löwenthals Freund und Kollegen Max Horkheimer: Wer vom BDS nicht sprechen will, soll vom Antisemitismus schweigen.
Die heutige Gemengelage gleicht also sicher nicht der von Löwenthal, doch gerade um das zu analysieren, sind seine Instrumente hilfreich. Die "aggressive Intoleranz", die er benennt, charakterisiert heute eben nicht einfach nur reanimierten Rechtsradikalismus alter Prägung, sie gilt inzwischen für all die Spielarten identitärer Gruppenideologie mit ihrer dogmatischen Überzeugung, "daß alle sozialen Probleme auf dem Konflikt zwischen der Eigengruppe und den Fremdgruppen beruhen". Ob es halbfaschistische Querdenkereien sind oder die als "antirassistisch" etikettierte Wiedereinführung von Abstammungsfragen zur Gesellschaftssortierung: Es handelt sich um die Verwandlung rationaler Argumentation in eine Art "psychologische Geheimsprache", die nicht mehr einen Andersdenkenden überzeugen will, sondern nur noch die geschlossene Gruppenidentität ritualisiert. Und genau hier ist das demokratische Prinzip miteinander konkurrierender Überzeugungen in Frage gestellt.
Hier liegt Löwenthals entscheidende Konsequenz: "Das weitverbreitete Malaise-Empfinden der letzten Jahrzehnte reflektiert sich in zunehmendem Zweifel an den universalen Werten, die bislang die westliche Gesellschaft zusammengehalten haben." Gerade in Zeiten von Kulturrelativismen, nationalistischer und postkolonialer Kritik an diesen universalen Werten zeigt Löwenthal unmissverständlich, dass es eine demokratisch legitimierte Alternative zu diesem wie auch immer anfälligen und kritisierbaren Gesellschaftsmodell bis zur Stunde nicht gibt. Sein Buch ist eine überzeugende Verteidigung der Demokratie und ihrer Institutionen.
WOLFGANG MATZ.
Leo Löwenthal: "Falsche Propheten". Studien zur faschistischen Agitation.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021. 253 S., br., 15,- [Euro]
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Erschreckend aktuell ... Löwenthal hat früh erkannt, was für schwerwiegende Gefahren für eine sich als demokratisch verstehende Gesellschaft entstehen ...« Jürgen Pelzer Süddeutsche Zeitung 20221115