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Dieser Band versammelt erstmals bislang unveröffentlichte Schriften und verstreut publizierte Texte des Philosophen, Schriftstellers und streitbaren Intellektuellen Günther Anders zu Kunst und Film. Diese Arbeiten stammen vorwiegend aus den Jahren 1925 bis 1956 und zeigen den Technikphilosophen und engagierten Mitstreiter der Anti-Atombewegung in neuem Licht.
In seinen Analysen und Kommentaren zum Weimarer Kino, zum Tonfilm und zur Filmproduktion Hollywoods, seinen Interpretationen von Kunstwerken aus dem Pariser Louvre, seinen Tagebuchnotizen zur italienischen Renaissance-Kunst und
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Produktbeschreibung
Dieser Band versammelt erstmals bislang unveröffentlichte Schriften und verstreut publizierte Texte des Philosophen, Schriftstellers und streitbaren Intellektuellen Günther Anders zu Kunst und Film. Diese Arbeiten stammen vorwiegend aus den Jahren 1925 bis 1956 und zeigen den Technikphilosophen und engagierten Mitstreiter der Anti-Atombewegung in neuem Licht.

In seinen Analysen und Kommentaren zum Weimarer Kino, zum Tonfilm und zur Filmproduktion Hollywoods, seinen Interpretationen von Kunstwerken aus dem Pariser Louvre, seinen Tagebuchnotizen zur italienischen Renaissance-Kunst und pointierten Künstlerporträts von Rubens bis Goya erweist sich Anders als phänomenologisch geschulter Ästhetiker und kunstaffiner Medienphilosoph. Die aus dem Nachlass des Autors erstmals edierten Texte erlauben auch einen neuen Blick auf Anders' Gesamtwerk, insbesondere auf seine viel rezipierte Medienkritik aus der «Antiquiertheit des Menschen» (1956).

Open-Access: Wo nicht anders festgehalten, ist diese Publikation lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung 4.0 International (CC BY4.0)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.11.2020

Was will denn der Stein?
Der Philosoph im Louvre: Erstmals edierte Texte von Günther Anders zu Kunst und Film

Günther Anders wurde berühmt durch seine Schrift zur "Antiquiertheit des Menschen", eine umfassende Kritik der Zivilisation des Atomzeitalters, "traurige Seiten über die Verwüstung des Menschen", wie er selbst in der Widmung des Buches an seinen Vater schreibt. Dass Anders sich auch mit ästhetischen Fragen beschäftigt hat, wurde spätestens durch die Veröffentlichung seiner musikphilosophischen Schriften vor drei Jahren in Erinnerung gerufen.

Nun folgen die Schriften zu Kunst und Film, eine Sammlung verstreuter, zum großen Teil aber auch unveröffentlichter Texte, mit denen der Philosoph unverhofft auch als Denker des Bildes erkennbar wird. In ihrem Nachwort erinnern die Herausgeber daran, dass die vergleichsweise geringe Bekanntheit der ästhetischen Schriften nicht zuletzt auf den Autor selbst zurückzuführen ist. Musik- und Kunstphilosophie seien seine eigentlichen Leidenschaften gewesen, berichtet Anders 1982 im Interview; die Dringlichkeit, sich zu den politischen Ereignissen des zwanzigsten Jahrhunderts zu äußern, habe ihn dieses Interesse aber zurückstellen lassen. Die Lektüre des Bandes zeigt, dass die ästhetische Auseinandersetzung mit Kunst und Film zur Gesamterscheinung dieses Autors unbedingt dazugehört.

Dass Anders der Documenta im Jahr 1959 nicht viel abgewinnen kann, hätte man sich denken können. Die schiere Quantität der ausgestellten Werke widerstrebt ihm, das Treiben in den Ausstellungsräumen erinnert ihn an Industrie- und Handelsmessen. Der Band versammelt aber auch Texte, die überraschende Proben seiner Beschreibungskunst geben.

Eine wirkliche Offenbarung sind die Louvre-Tagebücher, Vorarbeiten zu einer kunstphilosophischen Monographie, zu der es leider nie gekommen ist. Anders plante, diese Notizen aus den späten zwanziger Jahren als Tagebuch eines fiktiven, früh verstorbenen Autors auszugeben, postum veröffentlicht von einem ebenso fiktiven Herausgeber. Am Beginn des Schreibens steht die "Empörung über die Professionals", die Kunstwerke einordnen, ohne zu denken, oder aber "bildgelöste Spekulationen" liefern, "die dort nicht mehr zu landen vermögen, von wo aus sie gestartet waren". Anders will den philosophischen Gehalt der Kunst nicht als intellektuelle Zutat verstanden wissen, sondern sieht ihn bereits in den Werken selbst angelegt.

So erkennt er in den Bildnissen Rembrandts als deren "Seinsbegriff" das "Lassen": das Nichtstun der Dargestellten, die statt zu agieren nur warten und lauschen und von ihrer Sichtbarkeit nichts wissen. Anders fasziniert die Schattenlosigkeit der Gemälde Manets, an Mantegnas Darstellung der Kreuzigung fällt ihm auf, dass der Maler Stoff wie Leder darstellt, Leder wie Holz, Holz wie Stein - "alles um einen Aggregatsgrad fester als in Wirklichkeit". Angesichts solcher Beobachtungen ist es rätselhaft, warum der Band keine Abbildungen enthält. Anders hatte die Bilder beim Schreiben vor Augen, und es gehört zu seinen Überzeugungen, dass ihre Sichtbarkeit zwar der Beschreibung bedarf, aber durch diese nicht ersetzt werden kann.

Texte der späteren Jahre, zum Teil für den Rundfunk geschrieben, widmen sich den obdachlosen Skulpturen Rodins oder den "unausstehlich schönen Figuren" des Wiener Salonkünstlers Hans Makart. Der genaue Blick für Nuancen zeigt sich noch einmal in den Kommentaren zu Zeichnungen aus psychiatrischen Anstalten, in denen Anders das "Winken und Zeichengeben" von Ertrinkenden erkennt, kurz bevor sie in der Ferne ihres Autismus verschwinden.

Denkt man an die Kapitel zur Kritik des Fernsehens in der "Antiquiertheit des Menschen", verwundert es nicht, dass Anders die Entwicklung der Medien schon in den dreißiger und vierziger Jahren aufmerksam verfolgt hat. Auf den amerikanischen Zeichentrickfilm, dessen Humor ihm zu wohlfeil und harmlos erscheint, antwortet er mit dem Entwurf eines eigenen filmischen Cartoons. Das frühe Kino interessiert ihn als eine Kunst, die erst noch zu sich selbst finden muss. Denn jede Kunst, schreibt Anders scharfsinnig, sei durch die ihr eigentümlichen Auslassungen definiert. Suspekt ist ihm daher jede Tendenz zum Gesamtkunstwerk, der 3D-Film etwa und sein Begehren, die Flachheit der Kinoleinwand aufzuheben - als sei Distanz zum Bild nicht Bedingung, sondern Hindernis seiner Erfahrung. Beim Besuch heutiger Ausstellungen immersiver Kunst kann man Anders' Formel für dieses Missverständnis in Erinnerung rufen: Kunstgenuss als "Genuss erlittener Freiheitsberaubung".

Zu den eindrücklichsten Texten des Bandes gehört das Tagebuch einer Florenzreise im Jahr 1954. Man liest diese Notizen zunächst mit Befremden: Im historischen Rückblick erscheint das Lamento über die Scharen von Touristen, die verlernt haben zu sehen und nur das Fotografierte für wirklich halten, nicht viel besser als die Erfahrungsarmut, die es beklagen will. In der Galleria dell' Accademia nimmt die Schimpflitanei eine Wendung ins Groteske, wenn Anders sich vor dem David des Michelangelo aufbaut und zu einer Schmährede gegen den gleichgültigen Marmor ansetzt. "Glaubst du vielleicht, du blöder Stein, es sei meine Schuld, wenn ich dich immer wieder falsch anspreche?" Wenige Seiten später aber hat man begriffen, dass Anders' Wut auf das alte Europa und seine touristischen Belagerer nur die Kehrseite seiner Heimatlosigkeit ist. Reisen könne nur, wer ein Zuhause habe.

Anders aber, der in den dreißiger Jahren von Hamburg aus ins Pariser Exil und später in das wenig geliebte Amerika floh, um schließlich in Wien zu landen, konnte das nicht von sich sagen. "Die Stadt, in die ich zurückkehre, heißt ,Zufall'. Und die Zimmer und Schränke, zu denen ich ,heimkehre', heißen auch heute noch ,Koffer'." In Florenz kommt der Philosoph erst gar nicht dazu, etwas über die Werke zu sagen, die er dort täglich vor Augen hat, weil er so sehr mit seiner Erfahrung der Fremdheit beschäftigt ist, vor allem aber auch mit seinen Zweifeln, ob das Schreiben über Kunst überhaupt noch zeitgemäß sei.

So gehört zu den vielen Erfahrungen, die man beim Lesen dieser Texte machen kann, auch diese: dass einer, der damit hadert, ob das Schreiben über Kunst im Atomzeitalter überhaupt noch vertretbar sei, zugleich Texte geschrieben hat, die zu den subtilsten Schriften über Kunst gehören, die dieses Zeitalter hervorgebracht hat.

PETER GEIMER

Günther Anders:

"Schriften zu Kunst und Film".

Hrsg. von Reinhard

Ellensohn und Kerstin Putz. C. H. Beck Verlag,

München 2020. 487 S., geb., 44,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Peter Geimer ist angenehm überrascht von Günther Anders' Texten zu Kunst und Film. Dass und wie der Autor sich in den teils unveröffentlichten Texten mit Bildästhetik befasst, findet Geimer lesenswert und unbedingt zugehörig zu Anders' Schaffen. Besonders fasziniert zeigt sich Geimer von den "Louvre-Tagebüchern", in denen der Autor etwa über Manets "Schattenlosigkeit" sinniert, den Radiotexten, wo es um Rodin geht, oder den Eintragungen zu einer Florenz-Reise. Aber auch wenn Anders gegen den 3D-Film wettert, kann Geimer was lernen von dem nuancenreichen Blick des Autors.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Texte (...), die zu den subtilsten Schriften über Kunst gehören, die dieses Zeitalter hervorgebracht hat."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Peter Geimer

"Günther Anders war ein konservativer Revolutionär, den es wieder zu entdecken gilt."
Wolfgang Hellmich, Neue Zürcher Zeitung

"Günther Anders war ein konservativer Revolutionär, den es wieder zu entdecken gilt."
Wolfgang Hellmich, Neue Zürcher Zeitung

"Heute wird Anders überwiegend als pessimistischer Apokalyptiker und Moralist erinnert. [...] Die 'Schriften zu Kunst und Film', ein wertvoller und wichtiger Schritt zur Erschließung des Werks von Günther Anders, könnten daran etwas ändern und zugleich so etwas wie das Rückgrat einer kunst- wie filmtheoretischen Neuentdeckung Günther Anders' bilden."
Journal für Kunstgeschichte, Lucas Curstädt

"Der Band versammelt erstmals bislang unveröffentlichte Schriften aus Günther Anders Nachlass im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek sowie verstreut publizierte Texte aus Zeitungen und Zeitschriften vor allem aus den 1930er bis 1950er Jahren." Information Philosophie

"Günther Anders ist einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Mit großem Gewinn zu lesen."
SRF Literaturclub

"Sehr lesenswert (und sehr lesbar) mit überraschenden Künstler-Vergleichen und erhellenden Fund-Details in den analysierten Bildern ist die Reihe von 1953 bis 1956."
MEDIENwissenschaft, Helmut H. Diederichs

"Faszinierend sind Anders' Überlegungen zum Trickfilm, dessen Disney-Spielart er politisch geschärfte "Caricartoons" entgegensetzte. Daran schließt, ein Jahrzehnt später, einer seiner vielen großartigen Beiträge zur bildenden Kunst an."
Falter, Michael Omasta

"Eine faszinierende Reise durch die Evolution der Anderschen Ideenwelt (...) extrem spannendes Buch."
KunstbuchAnzeiger, Michael Kröger
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