Der dritte Band der Gesammelten Schriften Friedrich Pollocks enthält Texte zu Nationalsozialismus und Antisemitismus sowie Überlegungen zur europäischen Nachkriegsordnung. Als Jude und Marxist in doppelter Hinsicht von Verfolgung bedroht, war Pollock 1933 nach Genf emigriert, wo er die Zweigstelle des Instituts für Sozialforschung leiten sollte. Schon 1934 ging er nach New York, um an der Columbia University zusammen mit Max Horkheimer das Institute for Social Research unter gänzlich neuen Bedingungen wiederaufzubauen. Als Co-Direktor und Verwaltungschef blieb Pollock nach der Emigration zunächst wenig Zeit für die wissenschaftliche Arbeit. Der für die Studien über Autorität und Familie des Instituts geplante Text über Authority and Economics kam über den in diesem Band erstmals abgedruckten Entwurf nicht hinaus. Abgesehen von einigen Rezensionen blieb Pollock mehrere Jahre lang wissenschaftlich unproduktiv. Dies änderte sich erst mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Einem Aufsatz über die Kriegsproduktion folgten 1941 zwei Schlüsseltexte der Kritischen Theorie, nämlich Aufsätze über die Epoche des Staatskapitalismus und den Nationalsozialismus als neue Ordnung. Parallel dazu fertigte Pollock Notizen und Aphorismen zur Klassentheorie an, die in eine rudimentär gebliebene Theorie der Racketgesellschaft einmündeten.In einem hier präsentierten zweiten Block wird Pollocks sozialwissenschaftliche Analyse des Antisemitismus vorgestellt, war er doch federführend an einem Forschungsprojekts des Instituts über Anti-Semitism among American Labour beteiligt und steuerte ein eigenes Kapitel bei, das hier erstmals veröffentlicht vorliegt. Anschließend an die Befunde aus der Labourstudie sowie weitere Institutsprojekte zum Antisemitismus hielt Pollock 1944 auf dem Washingtoner Kongress der Women's International League for Peace and Freedom einen bis heute bemerkenswerten Vortrag über Political Antisemitism, der auch den zeitgleich in Europa stattfindenden Judenmord thematisierte.In einem dritten Textblock werden Aufsätze Pollocks versammelt, in denen er sich mit politischen Strategien für die deutsche und europäische Nachkriegsordnung beschäftigt. Diese Texte wurden nicht etwa für die Schublade geschrieben, sondern sollten politisch Verantwortliche erreichen. Pollock gelang es sogar, seine Ideen im Weißen Haus zu präsentieren, dort stieß er jedoch auf Ablehnung. Dennoch geben seine Überlegungen Einblick in die politische Analyse des Zweiten Weltkriegs, des Nationalsozialismus und auch der Rolle der Alliierten nach 1945.