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Produktdetails
  • Verlag: Mann (Gebr.), Berlin
  • Neuausg.
  • Seitenzahl: 279
  • Deutsch
  • Abmessung: 24mm x 180mm x 245mm
  • Gewicht: 968g
  • ISBN-13: 9783786119647
  • ISBN-10: 3786119643
  • Artikelnr.: 07324154
Autorenporträt
Adolf Behne, geb. 1885 in Magdeburg, gest. 1948 in Berlin. Der Sohn des Architekten Carl Behne studierte Architektur unsd später Kunstgeschichte in Berlin. Mitglied des Deutschen Werkbundes, 1918 - 21 Mitbegründer und Schriftleiter des Arbeitsrates für Kunst in Berlin. Dozent an der Humboldt-Hochschule, 1938 von den Nationalsozialisten entlassen. Redakteur der englischen Kunstzeitung "The Studio" und Autor von Kunstbüchern. 1945 erhielt er eine Professur an der Hochschule für bildende Kunst in Berlin. Der "moderne Zweckbau" (1923-25) lieferte die erste Analyse der architektonischen Entwicklung Anfang des 20. Jahrhunderts. Mit seiner Schrift "Entartete Kunst" (1947) trat er gegen die Diffamierung durch die Nationalsozialisten auf.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.12.1999

Das Land der Griechen mit der Seele verfluchen
Adolph Behne erkannte im nationalen Dünkel den Erzfeind der Kunst

Den schönen Beruf des Kunstschriftstellers gibt es nicht mehr. Wissenschaft und Kritik sind streng getrennt, und wagt es jemand, fremdes Terrain zu betreten, wird er naserümpfend des Feuilletonismus oder umgekehrt des Akademismus bezichtigt. Adolph Behne war so ein Kunstschriftsteller; er urteilte selbstbewusst und unterhielt ein emphatisches Verhältnis zur Gegenwart. Seine Liebe gehörte der Architektur, der Kunst, die - meistens - nicht nur um sich selbst kreist, sondern sich in den Dienst des Menschen stellt.

Wie sein Vater wollte der 1885 geborene Behne zunächst Architekt werden, wechselte aber schnell zur Kunstgeschichte über und studierte bei Heinrich Wölfflin und Karl Frey in Berlin. Nach der Promotion über den Inkrustationsstil in der Toscana 1911 suchte er sich als freier Autor zu etablieren, schrieb für die unterschiedlichsten Zeitschriften, berichtete über die neue Sezession, den Herbstsalon und den noch jungen Expressionismus.

An dieser von Behne begeistert begrüßten Bewegung interessierten ihn vor allem die Architekten. Bruno Taut verkörperte sein Ideal des fantasievollen, sozial engagierten und vom Geist der Utopie getragenen Baumeisters. Glas, so glaubten beide - beflügelt von den Dichtungen Paul Scheerbarths -, sei das Material der Zukunft, das nicht nur eine neue Architektur, sondern auch einen neuen Menschen hervorbringen werde.

Das Schreiben über Architektur war für Behne gleichbedeutend mit Kulturkritik. Kunst - und als solche sah Behne die Architektur - durfte nicht losgelöst von gesellschaftlichen und sozialen Belangen entstehen oder auch nur wahrgenommen werden. Lag die Kunst im Argen, so Behnes feste Überzeugung, stand es auch um die Gesellschaft schlecht. Wie sehr der Glaube an die Notwendigkeit der Kunst seine Texte prägte, dokumentierte ein 1994 erschienener Band mit kleinen Schriften. Nun zeigen drei von Cornelia Briel neu herausgegebene umfangreiche Abhandlungen von 1918, 1924 und 1947 die scharfen Kehren in den Denkbewegungen dieses neugierigen Kommentators.

Zu einer Zeit, die die Selbstgenügsamkeit der Form feierte, schrieb Behne den Aufsatz "Die Wiederkehr der Kunst". Kunst sei "keine Formensache, sondern eine Gesinnung", heißt es darin provozierend - zu einer Zeit, die die Selbstgenügsamkeit der Form feierte. Doch auch für Behne war es letzten Endes die Form, an der sich entscheidet, ob es sich um Kunst, Handwerk oder "Machwerk" handelt. Nicht Routine, Geschmack oder Tradition, sondern göttlicher Wille und Notwendigkeit der Gestalt führten zur Überschreitung des Menschlich-Endlichen, zur Kunst. Das Ideal, die Form, sei unveränderlich, und so könne es keine Entwicklung, sondern nur eine Wiederkehr der Kunst geben. Die Bedingung ihrer Möglichkeit wiederum hänge mit der Gesinnung zusammen. Nur in der schöpferischen Lebendigkeit einer großen Gemeinschaft sei Kunst möglich, nur auf dem Nährboden eines Volkes, das noch nicht zum hässlichen Massengetriebe deformiert sei, fülle sich die Form.

Doch dem kurzzeitigen Mitglied des Werkbundes schwebte eine andere Vision vor als seinen damaligen Mitstreitern. Gegen Erstarrung und Mangel an Inspiration hielt Behne die Empfindungsfähigkeit und Ausdruckskraft der jüngsten Bewegungen, des Expressionismus und des Kubismus. Diese Kunst bedeute Erlebnis, nicht Verarbeitung von totem Wissen. Auch für Behne war die Gotik die vorbildhafte Epoche, die aber auf keinen Fall stumpf nachgeahmt werden dürfe, wie es im Falle der Schinkelschen "Normalkirche" geschehen sei. Ihr Geist müsse wiederbelebt werden, die hohe Anspannung gemeinschaftlicher Kräfte.

Ein noch besseres Vorbild sei Indien mit seinen herrlichen Tempeln. Orientalisches Menschentum lässt Behne gegenüber europäischem Technizismus leuchten, Griechenland dagegen wird verworfen, denn es habe den nationalen Dünkel in das Kunstschaffen eingeführt. Die Völkerpsychologie hat diesen weitschweifenden Geist ebenso geprägt wie seinen Zeitgenossen Wilhelm Worringer, der, den Blick gen Osten gerichtet, die Idee einer Weltkunstgeschichte hegte.

Behne war ein Erzieher, der im Bild selbst den besten Lehrer sah. In dem Beitrag "Von Kunst zur Gestaltung" von 1924 untersucht er die Ordnung des Bildes, die im Miteinander, in der Zusammenarbeit ohne Zwang liege: "Das Bild kennt keine Herrschaft . . . Die Ordnung ist eine immanente, nicht eine transzendente." Aus diesen Sätzen spricht der Sozialist ebenso wie der Materialist. Doch mit Vehemenz wandte sich Behne gegen den Naturalismus. Diese Kunst sei eine "Karikatur der Natur", jeglicher Zusammenhang sei zerrissen, und sie sei "im Erlebnis leer". Das klingt nach Konrad Fiedler, der die Autonomie des Bildes zu begründen suchte. Behne aber betrachtete Farbe als sozialen Organismus, der noch in seinem Kampf gegen das Gegenständliche politische und ökonomische Freiheitskämpfe spiegele.

1933 wird Behne als Dozent der Humboldt-Hochschule entlassen. Er schlägt sich durch, mehr schlecht als recht. Gleich nach dem Krieg tritt er an, die von den Nationalsozialisten stigmatisierten, auch weiterhin der Diffamierung ausgesetzten Künstler zu verteidigen. Schreckensstarr insistiert er auf der Notwendigkeit von Kunst, nun als einer Stimme des Gewissens, gegen die die nationalsozialistische Politik agiert habe, und zwar mit Unterstützung der Philister. Deren Feinde, den Blauen Reiter, die Expressionisten und die Abstrakten, habe man gebrandmarkt und so auch Skeptische oder Unpolitische gewonnen. Eine "tadellos brauchbare Masse" seien die Deutschen gewesen, die jede wahrhafte Kunst an die "Hitlerwelt des handfesten Fleisches" verraten hätten.

Es ist schmerzhaft zu sehen, wie der kritische Furor angesichts der rohen Gewalt in Milde umschlägt. Doch wer könnte ein scharfes Wort gegen einen verfemten Maler richten, der in hohem Alter den Beginn des Nationalsozialismus mit den Worten "Ick kann jar nicht so viel fressen, wie ick kotzen möchte" kommentierte? Max Liebermann, von Behne einst als Vertreter "impressionistischer Salonkunst" verachtet, beweist nun, als unverfänglicher, da nicht-moderner Maler, dass jede Kunst eine Abweichung von der Natur bedeute.

BEATE SÖNTGEN

Adolph Behne: "Schriften zur Kunst". Die Wiederkehr der Kunst - Von Kunst zur Gestaltung - Entartete Kunst. Mit einem Nachwort von Cornelia Briel. Gebr. Mann Verlag, Berlin 1998. 280 S., Abb., geb., 198,- DM.

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