Berthold Auerbach (1812-1882) (eigentlich Moses Baruch Auerbacher) war ein politisch engagierter Schriftsteller jüdischer Herkunft. Mit seinen „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ (1843-1854 in vier Bänden), die für die damalige Zeit ein sensationeller Erfolg waren, wurde er nicht nur deutschlandweit
bekannt. Mit diesen detaillierten Beschreibungen des Bauernlebens im deutschen Südwesten wurde die…mehrBerthold Auerbach (1812-1882) (eigentlich Moses Baruch Auerbacher) war ein politisch engagierter Schriftsteller jüdischer Herkunft. Mit seinen „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ (1843-1854 in vier Bänden), die für die damalige Zeit ein sensationeller Erfolg waren, wurde er nicht nur deutschlandweit bekannt. Mit diesen detaillierten Beschreibungen des Bauernlebens im deutschen Südwesten wurde die Dorfgeschichte erstmals als Gattungsbegriff verstanden. Seine Romane wurden ebenfalls in mehrere Sprachen übersetzt.
Darüber hinaus war Auerbach ein kritischer Chronist der politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen seines Jahrhunderts. Mit seinen Ansichten bewegte er sich in einem Spannungsfeld zwischen der Literatur des „Vormärz“ („Junges Deutschland“) und des „Nachmärz“. Vor allem in seiner literaturgeschichtlichen Abhandlung „Schrift und Volk“ (1846) setzte sich Auerbach mit der „volksthümlichen“ Literatur auseinander. Diese „Grundzüge der volksthümlichen Literatur“ liegen nun in einer Leseausgabe im Wallstein Verlag vor, wobei der Text Auerbachs originalgetreu wiedergegeben wird.
„Schrift und Volk“ ist unterteilt in zwei Abschnitte. Zunächst wird die volkstümliche Literatur als Literatur „aus dem Volke“ betrachtet und anschließend als Literatur „für das Volk“. Unter dem ersten Aspekt kommen für Auerbach u.a. Hebels „Alemannische Gedichte“ oder seine eigenen „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ in Betracht. Überhaupt steht der Schriftsteller, Pädagoge und Theologe Johann Peter Hebel (1760-1826) im Mittelpunkt seines Interesses. Hebel war für ihn ein Vorbild der „volksthümlichen“ Literatur. Was Auerbach unter „populärer“ Literatur verstanden wissen wollte, postulierte er genau: „Die echte Volksschrift kann auch den Gesetzen der Kunst entsprechen, ja sie muss es“.
Neben der Abhandlung „Schrift und Volk“ versammelt der Wallstein-Band noch weitere Schriften Auerbachs zur Literatur, so über die Werke von Matthias Claudius oder das „Judenthum in der neuesten Literatur“. Auch einige Kindheitserinnerungen und Rezensionen aus seiner Feder findet der Leser hier.
Obwohl die Lektüre durch die Wiedergabe des Originaltextes nicht ganz flüssig ist, erfährt der Leser hier nicht nur literaturhistorische Hintergründe aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, sondern wird auch mit den damaligen liberalen Grundsätzen zur Bildung der deutschen Nation vertraut gemacht. Informationsreich in dieser Hinsicht ist auch das umfangreiche Nachwort des Herausgebers Marcus Tellmann. Die lobenswerte Ausgabe rückt wieder einen der vergessenen Bestsellerautoren des 19. Jahrhunderts ins Leserinteresse. Vielleicht greift der eine oder andere dadurch zu den „Schwarzwälder Dorfgeschichten“.